Integration 2.0: Nun übernimmt die Bundesagentur für Arbeit

18.8.2016, 23:59 Uhr
Integration 2.0: Nun übernimmt die Bundesagentur für Arbeit

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Erst wenn ein Flüchtling seinen Asylantrag bewilligt bekommen hat, er also in Deutschland bleiben darf, kann er sich auf die Suche nach Arbeit machen. Eine Suche, die naturgemäß mit der offiziellen Arbeitslosmeldung beginnt. Und je mehr Asylanträge die Bamf-Mitarbeiter bearbeiten, desto mehr Flüchtlinge melden sich arbeitssuchend. Genau das passiert im Moment.

Erwerbslosigkeit steigt

Ein Blick in die Statistik illustriert dies: Von Januar bis Juli 2016 trafen die Bamf-Mitarbeiter 336.051 Asyl-Entscheidungen, ein Anstieg um 146 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Parallel stieg die Zahl arbeitsloser Flüchtlinge binnen eines Jahres um etwa 100 Prozent, sie liegt nun bei 141.000 Menschen. Monatlich kommen zwischen 10.000 und 15.000 arbeitslose Migranten hinzu – je nachdem, wie schnell das Bamf arbeitet.

In Zeiten, in denen nur noch wenige Flüchtlinge in Deutschland ankommen, stehen statt Registrierung, Unterbringung und Asyl-Entscheidung zunehmend also Qualifizierung und Jobsuche im Vordergrund – man könnte auch von Integration 2.0 sprechen. Ob Deutschland die Flüchtlingskrise langfristig bewältigt, hängt nun maßgeblich davon ab, ob es gelingt, den Flüchtlingen Jobs zu verschaffen. Denn Arbeit ist das beste Rezept für gelingende Integration: Wer auf eigenen Füßen steht, fühlt sich angekommen in seiner neuen Heimat. So verschiebt sich der Fokus in der Flüchtlingskrise weg vom Asyl-Bundesamt hin zur nur zwei Kilometer entfernten zweiten, ebenfalls von Frank-Jürgen Weise geleiteten Nürnberger Bundesbehörde – der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Doch ist die überhaupt gerüstet? Bedingt. Gegenüber dem Bamf hat die BA den Vorteil, dass sie den Flüchtlingsansturm nicht unmittelbar, sondern wegen des Flaschenhals-Effekts (erst Asylbewilligung, dann Arbeitssuche) mit langer Verzögerung zu spüren bekam. So hatte die Behörde genug Zeit, neue Mitarbeiter zu rekrutieren; 2800 für die Jobcenter, 700 für die Arbeitsagenturen erhielt sie vom Bund und dem Verwaltungsrat zugesagt. Allerdings gilt gerade der Hartz-IV-Bereich in finanzieller Hinsicht als schwach ausgestattet, und das schon seit Jahren – ausgerechnet dort landen aber fast alle Flüchtlinge.

Als Strategie hat die BA ausgegeben: „Work first“, Hauptsache Arbeit. Flüchtlinge sollen erst einmal als Helfer anfangen. Das entspricht auch dem Wunsch vieler Migranten; sie wollen möglichst schnell Geld in die Heimat schicken. Begleitende Kombikurse sollen ihnen dann helfen, die Sprache zu lernen, und sie für einen qualifizierten Beruf fit machen – „damit es nicht heißt: einmal Helfer, immer Helfer“, skizzierte BA-Vorstand Detlef Scheele diese Strategie kürzlich im Interview mit unserer Zeitung.

Nachfolger unter Erfolgsdruck

Doch auch hier sind Zweifel angebracht: In Deutschland werden immer mehr Jobs geschaffen, doch die wenigsten sind Helfertätigkeiten. Fraglich ist auch, ob die Instrumente, die Jobcenter und Arbeitsagenturen zur Verfügung haben, tatsächlich wirken. Bis heute hat die BA nicht schlüssig erklären können, warum Arbeitsmarktprogramme, die an der Langzeitarbeitslosigkeit von einer Million (überwiegend deutschen) Menschen kaum etwas ändern konnten, nun plötzlich im Fall von Flüchtlingen funktionieren sollen.

Unter Erfolgsdruck steht vor allem Detlef Scheele. Der 59-Jährige ist zwar erst seit einem guten Jahr im Vorstand der Bundesagentur, gilt jedoch bereits als wahrscheinlichster Nachfolger für Frank-Jürgen Weise (64) an der Vorstandsspitze, wenn dieser im Frühjahr in den Ruhestand geht. Für Scheele ist die Flüchtlingskrise somit eine Bewährungsprobe. Oder, anders formuliert: ein Assessment Center – unter Realbedingungen.

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