Auf Kobra und Hund folgt der Kirchturm

18.9.2016, 19:09 Uhr
Auf Kobra und Hund folgt der Kirchturm

© Foto: Michel Müller

Aus der Musikanlage kommen sanfte, meditative Klänge. Die Teilnehmer der AcroYoga-Stunde sitzen auf Matten im Kreis mit Blick zur Mitte. Die Stunde beginnt mit Meditation: Den Alltag hinter sich lassen, zur Ruhe kommen. Alle sitzen im Schneidersitz, so dass sich die Knie berühren. Die Hände werden auf die Knie der Nachbarn gelegt.

AcroYoga gibt es erst seit 2003 und kommt aus den USA. Auch in Berlin und Köln boomt der Sport seit einiger Zeit, jetzt ist der Trend auch in Nürnberg angekommen.

Auf Kobra und Hund folgt der Kirchturm

© Foto: Michael Müller

Beim AcroYoga steht die Akrobatik ganz unter der Yoga-Philosophie, das Yoga wird durch die Akrobatik spielerischer und der Umgang mit den anderen wichtiger.

Nach der meditativen Einstimmung folgt der anstrengendste Teil: Yoga zum Warmwerden. Im Stand werden alle Muskeln aktiviert. Mit den Anweisungen von AcroYoga-Lehrerin Sabine Winkler fordert schon das Stehen Muskelspannung. Die Vorstellung, man steht mit den Füßen nur auf vier Punkten, „wie auf Rollschuhen“, amüsiert alle, aber hilft, die Füße an den richtigen Punkten zu belasten. Hund, Kobra, Krieger: Die Haltungen sind aus dem klassischen Yoga bekannt. Beim nach unten schauenden Hund ein Bein nach oben strecken, die Hüfte aufdrehen, das Knie abwinkeln und zum eigenen Fuß schauen – gar nicht so einfach, immer die Balance zu halten, alle Körperteile zu koordinieren und gleichzeitig noch auf die Atmung zu achten.

Umkehrposition mit Partner

Sabine Winkler hat zunächst die Ausbildung zur Yoga-Lehrerin gemacht, im vergangenen Jahr folgte dann die Ausbildung zur AcroYoga-Lehrerin. „Ich würde mich freuen, wenn es noch mehr ausgebildete AcroYoga-Lehrer im Raum Nürnberg gäbe“, sagt Sabine Winkler. Sie ist bisher die Einzige in der Umgebung und würde sich über Austausch und eine größere AcroYoga- Gemeinschaft freuen. In der Ausbildung geht es besonders um das Vermitteln von Inhalten.

Nach dem Yoga geht es mit Partnerdehnungen und Vorübungen zur Akrobatik: Zum Beispiel das Stehen an der Wand in Handstand-Position: Alle Körperteile, von den Fersen bis zu den nach oben gestreckten Armen, sollen die Wand berühren. Um sich auf die Umkehrpositionen einzustellen, wird ein Handstand an der Wand geübt. Hier wird auch der „Spotter“ zum ersten Mal wichtig: Die Hilfestellung sorgt dafür, dass niemand umkippt. „Aber auch das Spotten muss erlernt werden.“, weiß die Yoga- und AcroYoga-Lehrerin.

Der AcroYoga-Kurs trifft sich seit Februar im Probenraum des Theaters Pfütze. Einige der Teilnehmer sind von Anfang an dabei, aber auch Neue sind immer willkommen. Sie können sich aufeinander verlassen.

Auf Kobra und Hund folgt der Kirchturm

© Foto: Michael Müller

Es geht an die erste Akrobatik-Übung, den Schulterstand, der mit der Yogafigur nur den Namen gemein hat. Es ist eine Umkehrhaltung mit Partner. Die „Base“, der Untere, liegt auf dem Boden, die Arme nach oben gestreckt. Der Obere liegt dann mit den Schultern in den Händen der Base, die Beine in die Luft gestreckt.

Doch der Weg dahin ist das Schwierige: Was bei manchen so einfach aussieht, braucht entweder Kraft, Schwung oder auch die Hilfe durch den Spotter. Für die Beine gibt es verschiedene Positionen, alle haben eine eigene Bezeichnung. „Die Beine im pike straddle halten“, weist Sabine Winkler an. „Ähm, was war das noch mal?“, muss ich kopfüber hängend nachfragen.

Die Akrobatik-Figuren fordern Balance, Körperspannung, Koordination und Beweglichkeit. Die Teilnehmer sind eine gemischte Gruppe: Diesmal sind es vier Frauen und drei Männer. AcroYoga eignet sich grundsätzlich für jeden. Das Wichtigste ist, Spaß dabei zu haben und der ist den AcroYogis anzusehen. Funktioniert eine Figur, klatschen sie sich untereinander ab, jeder freut sich für den anderen mit. Die für die Übungen nötige Körperbeherrschung kommt mit der Zeit.

„Listo?“ – „Si!“ – „Hep!“

Mit der nächsten Übung – einer Variante des Schulterstands, dem Star – kommen die Kommandos dazu: Die Base fragt den Oberen: „Listo?“, also „Bereit?“. Mit der Antwort „Si!“, erwidert die Base: „Hep!“, und der AcroYogi springt ab.

Auf Kobra und Hund folgt der Kirchturm

© Foto: Michael Müller

Die Begeisterung für die Akrobatik-Übungen ist so groß, dass die Thaimassage am Ende fast etwas zu kurz kommt. Zwei AcroYogis massieren sich gegenseitig. Beginnend von den Füßen werden die Muskeln mit den Handballen durchgeknetet. Allein durch die Gewichtsverlagerung von einem auf den anderen Handballen entsteht der Massageeffekt. Der Druck der Hände entspannt und es kehrt eine ruhigere Atmosphäre ein. Viele empfinden die Massage besonders an den Fußsohlen als eine Wohltat. Dann tauschen die Partner. Wichtig ist das Rückversichern: Ist der Druck zu groß? Oder darf’s ruhig noch etwas fester sein?

Die Stunde endet so wie sie begonnen hat: Alle sitzen im Kreis mit Blick zur Mitte, die Knie berühren sich und die Hände liegen auf den Knien der Nachbarn. Was sich zu Beginn noch seltsam und ungewohnt anfühlte, ist es jetzt nicht mehr, und die zweieinhalb Stunden enden sehr entspannt.

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