Angenehm anders

9.10.2016, 17:55 Uhr

Als Hauptvertreter der Minimal Music tritt John Adams in die Fußstapfen von Philip Glass und Steve Reich, lässt sich musikalisch immer wieder durch Sujets inspirieren, die oft zu politischen Kontroversen führten wie der Staatsbesuch Nixons in China oder die Entführung eines Kreuzfahrtschiffes durch Terroristen (The Death of Klinghoffer).

Das dritte Symphoniker-Konzert macht musikalisch Anleihen aus der Oper „Nixon in China“. Man hört den verrückten Foxtrott „The Chairman Dances“, US-amerikanische Großstadtmusik gewürzt mit jazzigen Synkopen à la Strawinsky. Seit 2012 steht Kazem Abdullah (37), der US-amerikanische Klarinettist mit Wurzeln im afrikanischen Sierra Leone, als Generalmusikdirektor am Pult in Aachen.

Aus der Versenkung

Ende der l960er Jahre hatte William Bolcom wesentlichen Anteil durch Konzertaufführungen, Platteneinspielungen und eigene Kompositionen an der Wiederbelebung des Ragtime – William Bolcom (78), ein Mister Unkown?

Eine Koryphäe der leichteren Musik, der sich durch eine außergewöhnliche Spannweite der Stilrichtungen auszeichnet. Staunenswert, was der Amerikaner in Kooperation mit seiner Ehefrau Joan Morris aus der Versenkung der amerikanischen Tingeltangel- und Salonmusik hievt: vergilbte Schlagermusik, Ragtime, Rockiges und American Pop. Durch verschiedene Aufsätze der amerikanischen Massenpublizistik avancierte er zu einem Hauptvertreter der amerikanischen Eklektik in der Tradition von Gershwin oder Leonard Bernstein.

Das gepfefferte, deftig „Gershwin-Copland-Bernstein getunte Piece“, ein „Concerto grosso für Saxofon-Quartett und Orchester“, lässt an belebenden Impulsen; jazzig Buntem und schönem Wohlklang nichts zu wünschen übrig. Exzellent das „Sonic.Art“-Saxophonquartett.

Frei von plakativem Plärren

Nach der Pause folgt der Paradecoup aller Orchester, Tschaikowskys fünfte Sinfonie. Dieser Ohrwurm landet ja oft genug in der schäbigen Ecke kitschiger Machwerke. So sprach Theodor W. Adorno sein tödliches Verdikt, das die Sinfonie allerdings so gelassen wie Werke von Igor Strawinsky überstand.

Nichts plärrt bei Kazem Abdullah in penetranter Plakativität, explodiert in krachendem Effekt. Alles läuft ohne Aufputschinjektionen geschliffen über die Runden ganz im Stil eines echten russischen Seelenromans. Rhythmisch elanvoll tönt der erste Satz, offenbart seinen ganzen Reichtum an Konturen. Viel Innenspannung verrät die in „dolce“ vorzutragende Gesangsmelodie des Horns zu Beginn des zweiten Satzes ebenso die kontrapunktierende Klarinettenstimme.

Die allzu leicht sich veräußerlichenden Momente nach dem Finale-Durchbruch entreißt Abdullah der üblichen Effekthascherei. Dieser kontrastreich angelegte, rassige Tschaikowsky macht bei durchwegs kluger klanglicher Staffelung auch feinere Nuancen hörbar.

Das Publikum applaudierte begeistert.

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