Musikalisches Familientreffen

27.11.2016, 18:17 Uhr
Musikalisches Familientreffen

© Foto: Torsten Hönig

Sie ist der Inbegriff dafür, dass ausgelassene Daseinsfreude mit intensiver Schwermut einher gehen können: Die russische Musik. Seit rund drei Jahrzehnten ist Howard Shelley als Pianist und Dirigent einer der hervorragendsten Exegeten von Sergej Rachmaninow, dem im Westen so bleiern das Tastenlöwen-Etikett anhängt.

Ungemein beherzt, kraftvoll, auch aufbrausend, aber dann auch wieder voll zweiflerischer Zaghaftigkeit und versonnener Intimität: So deutete Howard Shelley den Solopart im fis-moll Klavierkonzert. Der 17-Jährige Rachmaninow steht hier am Anfang einer Werkreihe für Klavier und Orchester. Die stimmungsdichten „Paganini“-Variationen bilden 44 Jahre später den Schlusspunkt.

Howard Shelley hat Lust, alle rhapsodisch dahinschwelgenden Schattierungen intensiv auszukosten: das Vollmundige, aber auch das hauchzart Hingetupfte, den virtuosen Furor wie die kleinen prononcierten Akzente am Rande. Zwei derart gehaltvolle Stücke sind eigentlich als Gagengrundlage ausreichend. Aber bereitwillig lässt der 66-Jährige noch zwei Zugaben folgen und machte dann mit seinem Sohn im Arm den „Hummel(ab)flug“ — nicht ohne die Bouquets ins begeisterte Publikum zu werfen.

Orgiastische Wucht

Nicht minder kraftvoll bis hin zu gezügelter orgiastischer Wucht geriet der Auftakt: Der „Herbst“-Teil aus der Ballettmusik von Alexander Glasunow malt satt mit den Orchesterfarben, gerade was die Bläser und das Schlagwerk angeht, schäumt über vor melodischer Erfindungsgabe und bildete damit eine schöne Korrespondenz zu den „Polowetzer Tänzen“ aus der Oper „Fürst Igor“, die vom dritten Alexander an diesem Abend stammte, nämlich Alexander Borodin. An Effekten wurde da nicht gespart.

Wie immer fährt Alexander Shelley auswendig dirigierend hohes Risiko: Aber er hat in den acht Nürnberg-Jahren deutlich an Souveränität und Überblick zulegt, konturiert nicht mehr jede Achtel einzeln, sondern sieht bei aller Präzision auch die Zusammenhänge.

Auch das Orchester entwickelte eine beachtliche Klangkultur ohne jegliche konditionelle Schwächen, so dass nicht nur ein besonders herzliches Zusammentreffen entstand, sondern auch ein Projekt von hochformatiger künstlerischer Essenz. Dass viele jugendliche Fans gekommen waren, ließ beim lautstarken Beifall Gedanken an ein Popkonzert aufkommen. Ohne Zweifel: Die letzte Ausgabe von „Shelley meets . . .“ war kein Allerwelts-Event und legte die Erfolgslatte für die Neue oder den Neuen auf dem Chefpult noch ein bisschen höher . . .

Nächste Symphoniker-Konzerte: 10. (20 Uhr) und 11. (11 und 16.30 Uhr) Dezember, „Chor der Engel“. Kartentel. 09 11/2 16 27 77.

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