Spiel mir das Lied vom Tod

29.1.2017, 19:02 Uhr

Intendant Lucius A. Hemmer überbrachte schon mal die Grüße des künftigen Chefdirigenten Kahchun Wong an die – für symphonische Verhältnisse – recht schütter gefüllte Meistersingerhalle. Tatsächlich stellt Wong so ziemlich das genaue Gegenteil von dem dar, was Abenddirigent Lutz Köhler verkörpert.

Köhler ist auffällig unauffällig und beweist erneut, dass hervorragende Dirigentenerzieher (und das ist er!) nicht notwendigerweise selbst über die beste Schlagtechnik oder charismatische Ausstrahlung verfügen müssen. Es hat etwas von Musikbeamtentum, wenn der 71-Jährige ans Pult tritt. Mit dem Publikum kommuniziert er kaum. Temperamentsausbrüche sind seine Sache auch nicht. Ihm ist es einzig um sein Handwerk zu tun.

Innige Momente

Das beherrscht er aber mehr als solide. In Prokofiews „Romeo und Julia“-Ballettsuite geht es ihm vor allem um die leisen, innigen Momente, in die die großen massiven Eruptionen (Tanz der Ritter, Tybalts Tod) dann verstörend einbrechen. Da wirkt eine Fortissimo-Welle eben noch monströser, wenn es sich aus einem lyrischen Klangmeer erhebt. Endlich ist dann auch mal der Klavier- und Celesta-Part (von Stefan Danhof behände umgesetzt) zu hören, der sonst oft im Blechgewitter untergeht.

So ein zurückhaltender Gestus bewährte sich auch in Modest Mussorgksys „Lieder und Tänzen des Todes“, die Dmitri Schostakowitsch so packend wie einfühlsam orchestrierte. Eigentlich hätte Sergei Leiferkus die akustische Verstärkung gar nicht nötig: Sein charaktervoller Bariton strömt voluminös, aber nicht auftrumpfend. Man merkt die eminente Erfahrung, die der Russe mit den teils dramatischen, teils ironischen Gesängen hat. Leiferkus ist ein brillanter Erzähler und was noch mehr erstaunt: Es liegt nicht der Hauch eines Tremolos in der Stimme des 70-Jährigen.

Solch schöne Gesangslinie können selbst berühmte Kollegen wie der zehn Jahre jüngere Thomas Hampson und leider mittlerweile auch Bryn Terfel mit seinen Anfang Fünfzig nicht mehr aufweisen: Kein Flackern, kein Forcieren stört den Vortrag. Leiferkus ist zurückhaltend und engagiert zugleich. Gevatter Tod hat bei ihm bissige und lethargische Seiten. Und entsprechend groß fiel der Beifall vonseiten des Publikums und des Orchesters aus.

Fantasie über „Romeo und Julia“

Eröffnet hatte den Reigen ein apartes Werk, das neu im Symphoniker-Kanon ist: Die Fantasie „Romeo und Julia“, die eigentlich mehr eine Konzertouvertüre ist, des norwegischen Spätromantikers Johan Svendsen. Es möchte weniger die tragische Handlung nacherzählen, sondern hält eine ganze Reihe von Stimmungen fest, die der Komponist unter dem Eindruck des Bühnenstücks erzeugen möchte.

Programmheft-Redakteur Klaus Meyer hatte auch Svendsens Franken-Episode entdeckt: Der hauptberufliche Geiger wirkte bei der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses mit und saß im Orchester, das 1872 Richard Wagner im Markgräflichen Opernhaus durch Beethovens neunte Sinfonie lenkte. Und beim nächsten Svendsen-Mal liegt dann vielleicht der „Norwegische Künstlerkarneval“ auf den Pulten. . .

Nächstes Symphoniker-Konzert: 12. Februar, Jac van Steen dirigierte Werke von Wagenaar, Schumann und Brahms; Karten. Tel. 09 11 / 4 74 01 54.

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