Der Adler fliegt, es tanzt der Bär

8.10.2017, 19:31 Uhr

Nicht so jedoch bei Christian Lindberg. Eigentlich ist "Golden Eagle", sein Konzert für Posaune und Orchester, dem britischen Dirigenten Gilbert Varga gewidmet. Bei der Nürnberger Erstaufführung übernimmt Lindberg sowohl die Rolle des Dirigenten wie die des Solisten an der Posaune. Und damit dem Publikum auch kein einziger Ton seines Blechinstrumentes entgeht, spielt der Schwede frontal von seinem Dirigentenpult aus dem Publikum zugewandt.

Nur für ganz wenige Handzeichen schenkt ihm die ausufernd virtuose Partitur überhaupt die Zeit, um die Nürnberger Symphoniker hinter seinem Rücken auf Spur zu halten. Das findet sich, nicht zuletzt dank einer rhythmisch exakten Führung durch die Schlagwerkgruppe, erstaunlich gut zurecht in dem durchaus vertrackten sechsteiligen Epos.

Im Mittelpunkt steht jedoch die Posaune mit allen technischen Höchstleistungen, die auf diesem Instrument möglich sind. Und Christian Lindberg beschränkt sich nicht auf das Mittelmaß: Mit dem Feuer eines Hardbop-Jazzers feuert er die Tonsalven aus seiner Posaune – mit einem Atem und der Ausdauer, wie ihn nur ein durchtrainierter Marathonläufer besitzen kann.

Perfekt bis in die Hemdenfarbe

Zur Ruhe kommt man als Hörer nur in zwei Kadenzen, in der sein makelloser wie vitaler Posaunenton sich atmosphärischen Stimmungen hingibt. Doch die vergehen schnell, und plötzlich ist man wieder mit einem furiosen Presto konfrontiert, das die Vergleiche mit Khatchaturians "Säbeltanz" nicht zu scheuen braucht.

Das wäre allein schon erinnerungswürdig, doch Christian Lindberg überrascht das Publikum an diesem Abend nicht nur mit der wechselnden Farbauswahl seiner Seidenhemden, deren Violetttönung bei Borodins überraschend entzückender 2. Symphonie perfekt mit dem ausgeleuchteten Orgelprospekt harmoniert.

Ungewöhnlich ist auch sein muskulöser Dirigierstil, wenn seine Oberarme geradezu waagerecht vom Körper gespreizt dem Flug eines Adlers gleichen, während Unterarme und Hände die musikalische Orientierung für das Orchester übernehmen. Das schaut zwar oberflächlich aus wie eine Übungseinheit im Fitness-Studio, entfaltet jedoch einen Klangzauber, wie man ihn so nicht erwartet hätte.

Edvard Griegs "Peer Gynt"-Suite Nr. 2 mit dem romantischen Schlusslied der Solveig möchte man zukünftig immer in solcher Transparenz und Schönheit hören. Und Borodins selten aufgeführte 2. Symphonie wird hier als gleichwertiges Gegengewicht zu dessen Oper "Fürst Igor" zelebriert.

Lindberg flog an diesem Abend wie ein Adler durch diese Musik und brachte mit den Nürnberger Symphonikern den braunen Bären Borodin gar zum Tanzen.

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