Zank um Schlossblick und alte Versprechen

15.1.2018, 18:06 Uhr
Zank um Schlossblick und alte Versprechen

© Foto: Roland Huber

Die Historie:

Wir schreiben das Jahr 1379. Erstmals wird eine Burg im Ort urkundlich erwähnt, die 1566 grundlegend umgebaut wird. Das heutige Schloss Wiesenthau erhält zu diesem Zeitpunkt seinen heutigen Renaissance-Charakter.

Wir überspringen ein halbes Jahrtausend. 1978 entscheidet sich Peter Langenberger, in der Hauptstraße des Ortes, in Nachbarschaft zum Friedhof, zu bauen. Die Gemeinde fordert damals eine bestimmte Dachneigung und erlaubt nur einen Bungalowbau — um die Dorfansicht, mit dem Schloss im Hintergrund, zu bewahren, sagt er. Langenberger ist mit den Auflagen einverstanden. Doch nun sieht er das dörfliche Landschaftsbild in Gefahr und sich von der Gemeinde ungleich behandelt.

Die Entscheidung:

Der Gemeinderat hat sich bei nur einer Gegenstimme im Dezember 2017 dafür entschieden, auf einer Fläche von knapp 20 000 Quadratmetern das Baugebiet "Binzig" entstehen zu lassen (wir berichteten). Über Jahre soll es geheißen haben, dass an dieser Stelle nie ein Baugebiet in Frage käme. 2008 habe das der damalige Bürgermeister Hans Weisel (Bürgergemeinschaft) zugesagt, sagt Langenberger. An dieser Stelle kommt die Familie Striegel aus Weilersbach ins Spiel, die sich ebenfalls über das neue Baugebiet ärgert.

Das Versprechen:

Vor zehn Jahren hat Rosalinde Striegel der Gemeinde Wiesenthau mehrere Grundstücke verkauft. Das mit Abstand größte misst rund 6600 Quadratmeter und liegt im künftigen Baugebiet "Binzig". Die Gemeinde nahm das Angebot der Striegels damals dankend an und hat einen Ackerlandpreis dafür bezahlt. Im Vergleich nur einen Bruchteil dessen, was die Wiese nach ihrer "Beförderung" zum Bauland heute wert ist.

Damals wie heute fehlt(e) für das Gebiet ein Flächennutzungsplan. In einem solchen halten Gemeinden fest, ob sie ein Gebiet künftig beispielsweise für Wohn- oder Gewerbezwecke entwickeln möchten. Die Familie Striegel wiegte sich in Sicherheit. Zudem habe er sich auf das Versprechen des damaligen Bürgermeister Weisel verlassen, sagt Ehemann Helmut Striegel. "Er hat uns zugesichert, dass dort definitiv kein Baugebiet entsteht, da der Blick auf das Schloss nicht verbaut werden dürfe." Das Grundstück sollte als Ausgleichsfläche oder für eine Erweiterung des Friedhofes genutzt werden. "Aus diesem Grund haben wir es auch als Ackerland verkauft."

Der Widerspruch:

Dem Notarvertrag über den Kauf angeheftet ist eine entsprechende Kopie des Gemeinderatsbeschlusses von der Sitzung am 12. Februar 2008. Darin heißt es: "Die Grundstücke könnten als Ausgleichsfläche oder zur Friedhofserweiterung von Nutzen sein." Könnte ist im rechtlichen Sinne allerdings kein Muss. Der Gemeinderat stimmte dem Kauf einstimmig zu. Jetzt sollen dort nicht Möhren, sondern Häuser in die Höhe wachsen.

"Wir wollen niemanden schuldig sprechen", sagt Striegel, "aber momentan ist der Ärger groß." Was ist aus dem Versprechen des damaligen Bürgermeisters geworden, fragt sich die Familie Striegel? "Über Baugebiete habe ich gegenüber der Familie Striegel kein Wort verloren", sagt Weisel. Zudem habe damals niemand ausschließen können, dass aus Binzig Bauland werden könne. Es steht Aussage gegen Aussage. Für Striegel bleibt ein fader Beigeschmack: "Ich komme mir von der Gemeinde verschaukelt vor." Ob das Ehepaar rechtliche Schritte einleitet, lässt er offen.

Der neue Bürgermeister:

Nach Weisel hat Bernd Drummer im Jahr 2014 die Gemeindegeschäfte übernommen. Auf die Idee, im Bereich "Binzig" ein Baugebiet auszuweisen, ist er nach eigener Aussage noch bis vor einem halben Jahr nicht gekommen. Seine Versuche, "junge Familien im Dorf zu halten und nicht zu verlieren", haben ihn erst auf die Fläche unterhalb des Friedhofes gebracht. "Bis dahin wusste ich gar nicht, dass wir dort im Besitz von Flächen sind."

Bevor "Binzig" an der Reihe war, versuchte Drummer zwei Baugebiete in Schlaifhausen aus dem Boden zu stampfen. Doch es scheiterte einmal an dem Willen der Grundstückseigentümer zu verkaufen, ein andermal — auf Höhe des Sportplatzes — an der Ableitung des Oberwassers und der Einhaltung der Lärmschutzvorschriften.

Im sogenannten beschleunigten Verfahren hat die Gemeinde nun "Binzig" aus der Taufe gehoben. Der Gesetzgeber hat Kommunen diese Möglichkeit eingeräumt, um in Zeiten der Wohnungsnot schnell Wohnraum zu schaffen. An der Geschwindigkeit stört sich Langenberger.

Der Vorwurf:

"Weder Bürgermeister Bernd Drummer noch ein einziges Gemeinderatsmitglied ist auf mich zugekommen, um die bevorstehende Bebauung vor meinem Grundstück zu kommunizieren", schreibt Langenberger in einem Brief an den Landrat. Zudem sei der Bebauungsplan in einer geheimen Klausurtagung erarbeitet worden und bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung, als der Aufstellungsbeschluss zur Diskussion stand, seien keine Fragen der betroffenen Bürger zugelassen worden. Dies werfe "ein fragwürdiges Licht auf die Arbeit des Wiesenthauer Bürgermeisters und des Gemeinderates", schreibt er weiter.

Drummer zeigt im Gespräch mit den NN Verständnis für Langenbergers Verärgerung, hält aber fest: "Der Blick auf das Schloss ist kein Recht — weder für den Einzelnen noch für die Allgemeinheit." Den Vorwurf der Geheimniskrämerei weist Drummer von sich. Zunächst wollte er prüfen, ob sich "Binzig" als Baugebiet realisieren lasse und erst mit gesicherten Informationen in den Gemeinderat gehen. Anders, als er es bei den angedachten Baugebieten in Schlaifhausen handhabte. Damals habe er zuerst laut über die Ideen nachgedacht, die sich beim genaueren Hinsehen nicht realisieren ließen. "Die Enttäuschung war dann immer groß", so Drummer. Das wollte er dieses Mal vermeiden.

Langenberger moniert ferner, dass für das neue Baugebiet gar kein Flächennutzungsplan existiert. Außerdem wundert er sich, warum von einem Umweltbericht abgesehen wird. "Wir dürfen es, deswegen tun wir es", sagt Drummer mit Blick auf die Vorgaben des beschleunigten Verfahrens. "Deswegen achten wir trotzdem auf die Natur."

Heinrich Kattenbeck vom Bund Naturschutz (BN) hat Zweifel. Er spricht von einer "Landschaftszerstörung von höchster Qualität", dabei seien die Gemeinden aufgefordert, umsichtig und sparsam mit ihren vorhandenen Flächen umzugehen. In Wiesenthau gebe es noch unbebaute Flächen, wie zum Beispiel im Baugebiet "Am Gaubach".

Das Ziel:

Doch dort, sagt der Bürgermeister, sei "nichts zu machen". Die noch unbebauten Grundstücke befinden sich in Privatbesitz. Die Eigentümer wollten nicht verkaufen oder Flächen für Nachkommen aufheben. "Diese Lücken werden uns bleiben", sagt Drummer. Bei "Binzig" will er die vermeiden.

Dem Bürgermeister schwebt ein Baulandmodell mit Bauzwang vor. "Die Gemeinde kauft die restlichen Grundstücke komplett auf und verkauft sie mit Priorität an Einheimische weiter." Aus dem gleichen Lücken-Problem heraus hat auch Ebermannstadt unter Bürgermeisterin Christiane Meyer (NLE) den Weg der Pflicht eingeschlagen. Allerdings erst nach zähen Diskussionen mit der CSU- und MOG-Fraktion im Stadtrat (wir berichteten ausführlich).

Im Vergleich zu ihren Ebermannstädter Parteikollegen sehen die CSU-Mitglieder in Wiesenthau im Bauzwang ein Mittel zum Zweck für die Zukunft — der Bürgermeister ist gleichzeitig CSU-Ortsvorsitzender.

In Wiesenthau sieht sich Drummer umzingelt. Geographisch gesehen. Auf der einen Seite vom Naturschutzgebiet um das Walberla, auf der anderen Seite vom Wiesenttal. Das sind Flächen, auf denen definitiv nie Häuser wachsen können. Übrig blieben in der "flächenmäßig sehr kleinen Gemeinde", so der Bürgermeister, nicht viele Optionen.

Der Protest von Kattenbeck:

Für den BN ist das Gelände wegen der "schützenswerten Heckenlandschaft", so Kattenbeck, wichtig. "Der BN wird deshalb auf jeden Fall Einspruch erheben."

Deutlich unkritischer sieht Karl Krolopper das Baugebiet. Er ist Vorsitzender der BN-Ortsgruppe für Wiesenthau sowie Gemeinderat (Neue Liste) und hat dem Baugebiet zugestimmt. "Eingriffe in die Natur wird es bei Baugebieten immer geben", sagt er auf NN-Nachfrage, "aber so dramatisch ist es dort nicht." Lediglich der halbe Hang werde bebaut, das untere Tal bleibe frei, Hecken würden nicht in Mitleidenschaft gezogen.

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