Forderung nach Nulltarif im ÖPNV nur "Symbolpolitik"?

15.2.2018, 06:00 Uhr
Forderung nach Nulltarif im ÖPNV nur

© Roland Fengler

Der Nulltarif im ÖPNV, verbunden mit Fahrverboten, soll den Autoverkehr reduzieren und Fahrverbote und eine drohende hohe Geldstrafe der EU wegen zu schlechter Luft in vielen deutschen Städten verhindern. Der Kampf gegen Luftverschmutzung habe für Berlin "höchste Priorität", schreiben die amtierenden Minister für Umwelt, Verkehr und Kanzleramt, Barbara Hendricks (SPD), Christian Schmidt (CSU) und Peter Altmaier (CDU), an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella.

Das soll die Luftqualität in den Städten verbessern. Bonn und Essen sollen Teststädte werden, in weiteren Städten sollen die Luft verbessernde Maßnahmen getestet werden. Der Vorschlag des Nulltarifs im Nahverkehr gelte im Prinzip für alle Städte mit Problemen bei der Luftqualität.

Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik sieht in der Ankündigung erst einmal "eine richtige Botschaft", deren Umsetzung allerdings "richtig viel Geld kosten würde." Wenn der Bund damit signalisieren wolle, sich wieder am Betrieb des ÖPNV beteiligen zu wollen, wäre dies "ein Riesenfortschritt". Seriös geschätzt würde der Vorschlag die Stadt mindestens zehn Millionen Euro kosten, mit dem ÖPNV-Ausbau "eher 15 Millionen". Erlangen als Modellstadt? "Das wäre gut."

"Ziemlich unrealistisch"

Das sieht auch Stadtwerke-Chef Matthias Exner so: "Die Idee des Nulltarifs im ÖPNV ist nichts Neues und ist sicher auch geeignet, viele Menschen zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Allerdings ist es auch ziemlich unrealistisch, schließlich müsste dann durch die Stadt weit mehr als ein jährlicher Zuschuss von sechs Millionen Euro gezahlt werden. Und dabei würden die Kosten nicht stehen bleiben, schließlich würde eine größere Nachfrage weitere Investitionen in neue Fahrzeuge und zusätzliches Fahrpersonal erfordern. Exner: "Wir sind ja heute schon gut ausgelastet."

Wenn Erlangen, so Exner unisono mit dem OB, zu einer der Modellstädte werden könnte, wäre dies gleichwohl "eine tolle Herausforderung". Dazu gehörten aber eine seriöse Finanzierung und eine kluge Einführung in die tägliche Verkehrspraxis. Wahrscheinlicher sei aber, dass es zu kontinuierlichen Verbesserungen kommt – "will man im ÖPNV etwas verbessern, gehört ein langer Atem dazu", so der Stadtwerke-Vorstand.

Von "blanker Symbolpolitik" spricht der Grüne-Liste-Stadtrat und verkehrspolitische Sprecher seiner Fraktion, Harald Bußmann. Wolle sich der Bund ernsthaft für den ÖPNV stark machen, müssten verlässliche Investitionen und Betriebszuschüsse garantiert werden, müssten Kommunen generell besser ausgestattet werden. Ziel bleibe das "Wiener Modell" im ÖPNV, wo für einen Jahresbeitrag von 365 Euro alle Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Von einem Nulltarif hält Bußmann wenig – damit werde nicht deutlich, dass auch öffentlicher Verkehr Städte und Umwelt belaste. Darüber aber sollten die Städte selbst entscheiden können.

Landrat Alexander Tritthart hält die Idee des Nulltarifs für "eine tolle Geschichte", sieht aber in Einschränkung auf große Städte die Gefahr einer Tarifspaltung: "Es darf nicht sein, dass in den Städten kostenloser Verkehr angeboten wird, auf dem Land aber gezahlt werden muss. Das wäre kaum vermittelbar. Zudem muss die Finanzierung geklärt werden."

Nur eine Nebelkerze?

"Man weiß nicht genau, ob man sich über solch einen Vorschlag freuen soll, oder ob dies nur eine Nebelkerze ist", sagt Esther Schuck, Sprecherin der Verkehrs-BI im Schwabachtal. Die Idee habe zwar ihre Berechtigung und sei geeignet, die Diskussion um einen besseren ÖPNV neu anzustoßen, doch müsse die Politik endlich die völlige Unterfinanziertheit beenden. "Wenn wir wollen, dass sich etwas verbessert, dann muss ein Masterplan für einen starken ÖPNV gemacht werden. Bisher passt ja selbst in unserem Verkehrsverbund noch viel zu wenig zusammen: Und die Fahrpreise sind viel zu hoch."

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