Was nützt der Mercedes, wenn ich unglücklich bin?

8.6.2018, 20:51 Uhr
Was nützt der Mercedes, wenn ich unglücklich bin?

© Foto: Jim Watson

Rund 100 Selbstständige und Familienunternehmer sind der Einladung der Arbeitsgemeinschaft Mittelfränkischer Unternehmerverbände (AMU) zur ersten Zukunftskonferenz gefolgt. "Das ist eine gute Resonanz", sagt Günter Morsbach, Sprecher der AMU. Dahinter stehen die fünf lokalen Gruppierungen: die Wirtschaftsjunioren Nürnberg, die Familienunternehmer, der Bund der Selbstständigen, Frauen als Unternehmerinnen sowie die jungen Unternehmer. Sie hatten sich im vergangenen Jahr zur AMU zusammengefunden, um das Thema Ausbildung für Geflüchtete voranzubringen.

Die AMU-Zukunftskonferenz soll laut Morsbach künftig jährlich stattfinden, um spezifische Impulse zu geben. Beispielsweise herrsche angesichts der Digitalisierung eine Zukunftsunsicherheit in vielen Firmen. Da Familienbetriebe eher in Generationen denken, habe er auf politische Gäste verzichtet. "Die Zukunft eines Berufspolitikers dauert immer nur vier Jahre." Darüber hinaus komme er dem Wunsch vieler Mitglieder nach, ein Kennenlernen und Networking zwischen den Mitgliedern der einzelnen Verbände zu unterstützen.

Stürmische Veränderung

Angesichts der stürmischen digitalen Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft könne man sich "verstecken oder Windmühlen bauen", führte Referent Dieter Kempf, BDI-Präsident und Ex-Datev-Chef, aus. Er räumte neue Risiken durch die Digitalisierung ein, etwa durch Datendiebstahl oder digitaler Sabotage.

Die Angst vor großen Jobverlusten durch neue digitale Technik hielt er aber für unbegründet. Man müsse zwischen "Tätigkeiten und Arbeitsplätzen" unterscheiden. Natürlich gebe es heute kaum noch einen Kfz-Mechaniker, der mit Schraubenschlüssel und einem erfahrenen Ohr eine Motordiagnose macht. Diese Tätigkeit werde durch eine digitale Diagnose übernommen. Die Zahl der Arbeitsplätze für Kfz-Mechatroniker sei allerdings ähnlich.

Außerdem könne sich das menschliche Gehirn zwar gut lineare Entwicklungen vorstellen. Ein Bild von exponentiellem Wachstum, wie es durch die Digitalisierung möglich werde, "ist uns von Natur aus aber nicht gegeben". Wohl auch deshalb nicht, weil die menschlichen Urahnen nur von Tieren verfolgt wurden, die nicht "exponentiell schneller laufen" konnten.

Kempf mahnte die versammelten Unternehmer, ihr Geschäftsmodell auf digitale Anwendungen zu prüfen, um sich neue Chancen zu sichern. Natürlich werde eine Dachrinne auch in Zukunft so aussehen wie heute. Denkbar seien aber zusätzliche Dienstleistungen mit handelsüblicher Technik, um etwa Verschmutzung oder Verstopfung im Fallrohr digital zu messen und so neues Geschäft zu generieren.

Für ein Umdenken in eine ganz andere Richtung machte sich der Nürnberger TH-Professor Karlheinz Ruckriegel stark. Der Volkswirt und Glücksforscher korrigierte das ökonomische Paradigma, dass mehr Umsatz und Gewinn glücklicher mache. Es sei genau umgekehrt: "Wer glücklich ist, ist auch erfolgreicher." Die knappste Ressource sei nicht Geld, sondern Zeit. Mit Glück meinte Ruckriegel allerdings nicht das Zufallsglück, wie einen Lottogewinn. Vielmehr gehe es um ein "subjektiv empfundenes, emotionales und kognitives Wohlbefinden". Er illustrierte das lapidar: Was nütze ein Mercedes vor der Tür, wenn man sich trotzdem vor den Zug schmeiße?

Führungsverhalten anpassen

Die Unternehmer forderte er unter anderem dazu auf, ihr Führungsverhalten entsprechend anzupassen. Der Mitarbeiter gehöre als Mensch in den Mittelpunkt, die Arbeitsplatzgestaltung sollte angemessen und eine Work-Life-Balance müsse lebbar sein.

Axel Gloger, Trendforscher und Chef der Denkfabrik Trend Intelligence, erinnerte daran, dass Familienunternehmen wegen ihres "Denkens in Generationen" langfristig erfolgreicher seien. Lange seien sie wegen geringerer Rendite im Vergleich zu manchem Dax-Unternehmen bekrittelt worden. Dabei hätten sie einen wichtigen Anteil daran, dass nach der Finanzmarktkrise 2008 ein "zweites deutsches Wirtschaftswunder" stattgefunden habe.

Gloger lobte die Verankerung der Familienbetriebe in der Provinz, die unter anderem für eine hohe Mitarbeiterloyalität und minimaler Fluktuation sorge. Die "Provinz ist unser Silicon Valley", in der Verträge mit Kunden oder Lieferanten noch per Handschlag gemacht werden. Und er würdigte die Leidenschaft von Unternehmern. Die "emotionale Lust an besseren Produkten" führe zu mehr Erfolg als abstraktes Renditestreben.

Keine Kommentare