Pauschale hilft nicht

2.6.2010, 00:00 Uhr
Pauschale hilft nicht

© Mark Johnston

Für nicht praktikabel hält die Leiterin der Fürther Hartz IV-Arbeitsgemeinschaft (Arge), Michaela Vogelreuther, eine Pauschale, weil sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert. Um die Höhe des jeweils lokal angemessenen Pauschbetrages festlegen zu können, muss nämlich zunächst einmal der örtliche Mietwohnungsmarkt analysiert werden.

Das erweist sich vor allem in extrem unterschiedlich strukturierten Lebensräumen wie im Landkreis als schwierige Angelegenheit. Ein weiteres Problem sieht Vogelreuther in der Signalwirkung einer Pauschale: »Erfahrungsgemäß ziehen viele Vermieter das Mietniveau sofort an die Obergrenze, wenn ein neuer Regelsatz zur Kostenerstattung festgelegt wird.« Andrerseits würde die Kommune bei einer Pauschale draufzahlen, wenn es Mietern gelingt, eine billigere Wohnung zu finden. Bund und Kommunen teilen sich nämlich die Kosten für Unterkunft und Heizung von Hartz-IV-Empfängern.

Nach der jetzigen Regelung beträgt die Mietobergrenze für Alleinstehende 300 Euro monatlich. Nebenkosten eingeschlossen - und die sind das Hauptproblem, wie Wolfgang Sperber, Leiter der Fürther Wärmestube, aus Erfahrung weiß. Explodierende Energiepreise setzten gerade denen zu, die über kein Finanzpolster verfügen. Zudem sorge die fortschreitende Modernisierung des Altbaubestandes dafür, dass preiswerter Wohnraum auch in Fürth zunehmend knapp wird. Das bestätigt Stephan Stadlbauer vom Fürther Sozialforum: Schon jetzt seien zahlreiche Hartz IV-Empfänger mit Mieten konfrontiert, die über dem Fördersatz liegen.

Stadlbauer vermutet hinter dem Vorstoß der FDP »eine drastische Reduzierung der Wohnfläche« und schimpft: »Das sieht nach einer Käfighaltung von Hartz IV-Empfängern aus.« Dass der örtliche Wohnungsmarkt wegen hoher Nebenkosten nur wenig bezahlbare Angebote aufweist, versichert auch Stadtrat Rudi Lindner vom Mietertelefon der SPD. Zwar sei die Lage in Fürth noch vergleichsweise entspannt, viel Spielraum gebe es jedoch nicht.

Dass die Rahmenbedingungen nicht besser werden, ist auch der Arge-Chefin klar. Aus Sparzwängen heraus getroffene Entscheidungen der Kommune, wie die Grundsteuer-Erhöhung, würden dazu beitragen, dass das Mietniveau weiter steige. »Wir lavieren uns durch«, beschreibt Vogelreuther die Praxis bei der Übernahme der Unterkunftskosten.

Eine lokale Marktübersicht ist unabdingbar. Dazu wertet ein Teamleiter der Arge jeden Mittwoch und Samstag den Immobilienteil der Fürther Nachrichten aus. Liegen die Mietkosten der Wohnung eines Hartz IV-Empfängers deutlich über der Obergrenze, fordert ihn die Arge zum Umzug auf, übernimmt aber ein halbes Jahr lang die anfallenden Kosten. Bei nur geringfügiger Überschreitung der Grenze erfolgt laut Vogelreuther keine Aufforderung. Der Mieter muss dann aber selbst für die Mehrkosten aufkommen. Das Erwerbslosen Forum Deutschland beklagt, dass viele Hartz IV-Bezieher mangels bezahlbarer Mieten schon jetzt die Mehrkosten von ihrem Regelsatz »abhungern« müssen. Die Befürworter einer Pauschale wollen Mieter hingegen dazu anhalten, stärker auf ihre Heizkosten zu achten.

Wie berichtet, hat die Stadt Fürth in Kooperation mit den großen Wohnungsbaugesellschaften kürzlich erst einen Sozialpädagogen engagiert, der bei Mietschulden in Aktion tritt, um teure Räumungsklagen zu vermeiden.