Klimawandel: 338 Fußballfelder toter Wald in der Fränkischen Schweiz

16.12.2019, 05:40 Uhr
Klimawandel: 338 Fußballfelder toter Wald in der Fränkischen Schweiz

Dieses Weihnachten wird anders sein als alle anderen zuvor für Landrat Hermann Ulm (CSU). Die Tradition, die der Kunreuther bisher mit seiner Familie pflegte, ist dem Klimawandel zum Opfer gefallen. Zusammen mit seinen Kindern hatte er sich bisher kurz vor dem Fest auf den Weg in den eigenen Wald gemacht, die schönste Fichte ausgesucht und ins eigene Heim gestellt. Hat der Borkenkäfer in den vergangenen Jahren den Fichten bereits zu schaffen gemacht, "sind die letzten Bäume in den letzten beiden heißen Jahren schlichtweg vertrocknet", sagt Ulm.

Ein Prozent Wald vernichtet

Dass der Klimawandel, der sich in den vergangenen zwei Jahren mit deutlich überdurchschnittlichen Temperaturen und extrem unterdurchschnittlichen Niederschlägen in den heimischen Wäldern bemerkbar gemacht hat, Schuld daran hat, daran haben weder die Experten, noch die Kreisräte parteiübergreifend Zweifel. 40 000 Festmeter, also 40 000 Kubikmeter oder 500 Omnibusse bis unters Dach gefüllt mit Holz sind dem Wandel dieses Jahr im Landkreis zum Opfer gefallen. Damit haben Wetterextreme ein Prozent der gesamten Waldfläche vernichtet. Mehr Zahlen und Fakten zum Waldsterben in der Fränkischen Schweiz finden Sie hier.

"Das ist zunächst nicht dramatisch", sagt zwar Michael Kreppel, doch sein "Aber" schiebt er gleich hinterher. "Wenn wir jedes Jahr einen solchen Verlust haben, dann wäre das dramatisch." Und der Blick in die Zukunft gibt keinen Anlass, optimistisch zu sein. "Wenn der Klimawandel weiter zunimmt, beschleunigt sich das Sterben." Kreppel ist Abteilungsleiter Forsten vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg (AELF) und für fünf Reviere im Landkreis verantwortlich.

Die statistisch erfassten Fakten lassen keinen Raum für Zweifel: Seit den 90er Jahren kennt die Temperatur im Vergleich zum Jahresdurchschnitt nur noch eine Richtung - und zwar nach oben. In den Jahrzehnten zuvor haben sich wärmere und kältere Sommer abgewechselt, doch das ist längst vorbei. Die Balken, die Kreppel den Kreispolitikern in der jüngsten Umweltausschusssitzung präsentierte, sind für die vergangenen Jahre deshalb auch rot eingefärbt. Die Farbe blau - für zu kühle Sommer - existiert nicht mehr.

Franken trocknet aus

Kritisch für den hiesigen Wald sind besonders die Temperaturen in den Sommermonaten zwischen Juni und August. "Diese kritische Phase entscheidet, ob die Bäume es schaffen oder nicht", so Kreppel. Viele haben es 2019 nicht geschafft, weil sie schon ein Jahr zuvor hart ums Überleben kämpfen mussten. Denn nicht nur zu heiß, sondern auch viel zu trocken ist es in den vergangenen zwei Jahren für die hiesigen Wälder gewesen. 2018 waren es 40 Prozent weniger Niederschläge als üblich, 2019 dann 30 Prozent.

Franken zeigt sich in Bayern davon besonders betroffen, sagt Kreppel. "In Südbayern war alles grün, während bei uns alles verbrannt war." In Zukunft, damit rechnet längst auch die bayerische Staatsregierung, droht Nordbayern verstärkt Trockenheit.

Entscheidend, so Kreppel, ist der Wasservorrat im Boden und der war in den beiden vergangenen Jahren problematisch. In den kalten Monaten von 2018 auf 2019 gab es zu wenig Niederschlag, damit sich die Vorräte hätten ausreichend auffüllen können. Die Folge: "Der Wassermangel ist dieses Jahr noch früher eingetreten", sagt Kreppel.

Sein Diagramm zeigt die Dramatik mit einer Linie, die plötzlich steil nach unten verläuft. Das Wasser lag zwischenzeitlich so tief im Boden versteckt, dass es für die Wurzeln mancher Bäume schlicht nicht mehr erreichbar war. Sie verdursteten. Wurden anfällig für Schädlinge. Und starben schließlich.

Die Situation ist überall ernst. Erst vor wenigen Monaten präsentierte Rita Satzger, Försterin für das Forstrevier Streitberg, zu dem auch Ebermannstadt gehört, die Entwicklung im Ebermannstädter Stadtrat: "Wir stehen am Anfang einer großen Katastrophe. Der Wald stirbt uns unter unseren Händen weg." Forstarbeiter kommen mit der Arbeit, die abgestorbene und von Schädlingen befallene Bäume machen, nicht mehr nach.

Die Fichte verabschiedet sich und der Buche geht es an die Wurzeln

Und längst ist es nicht mehr nur die flachwurzelnde Fichte, die das Zeitliche segnet. Eindrucksvoll zeigt das ein Flug über die Kronendächer eines bis zu 100 Jahre alten Buchenbestands im Landkreis. Die Filmaufnahmen zeigen verwelkte, braune Blätter. Die Forstwirtschaft will dem Wandel mit den bekannten Maßnahmen wie Naturverjüngung oder dem Pflanzen neuer Baumarten etwas entgegen setzen. Das ist nicht neu.

Neu ist ein wissenschaftliches Projekt, das in den Jahren 2020 und 2021 beim AELF für neue Erkenntnisse sorgen soll: Wissenschaftler untersuchen nicht nur den aktuellen Waldbestand, sondern prüfen auf einer ausgewählten Testfläche den Einsatz ausländischer Baumarten wie der rumänischen Tanne oder einer Buche, die ihre genetischen Wurzeln bisher auf der französischen Insel Korsika hatte - also mit Arten, die mit den Verhältnissen zurechtkommen, die in den Wäldern der Fränkischen Schweiz in den nächsten Jahrzehnten erwartet werden.

Bäume aus der Türkei

Mit der rumänischen Tannenvariante wollen die Experten daran arbeiten, dass auch noch die nächsten Generationen die für die fränkische Region charakteristischen Bäume in der Natur zu sehen bekommen. Auch könnten künftig Bäume aus der Türkei in den Wäldern stehen. "Wir müssen erst Erfahrungen sammeln, bevor wir wild irgendwelche Bäume pflanzen", sagt Kreppel. Dass sich die Forstwirtschaft schon vor 50 Jahren auf diesen Weg hätte begeben müssen, mache die Situation jetzt nicht einfacher.

Dass es mit der Fichte in der Fränkischen Schweiz zu Ende geht, sie aus dem Waldbild verschwindet, gilt als sicher. Künftig könnte es also die Tanne sein, die zur Weihnachtszeit im Haus des Landrats steht. Vielleicht die aus Rumänien.

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