17.000 Nürnberger bekamen wohl zwei Wahlbenachrichtigungen

3.6.2014, 06:00 Uhr
Offenbar ist der ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo nicht der Einzige, der zwei Wahlbescheinigungen bekam - und somit zwei Stimmen zur Europawahl hätte abgeben können.

© dpa Offenbar ist der ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo nicht der Einzige, der zwei Wahlbescheinigungen bekam - und somit zwei Stimmen zur Europawahl hätte abgeben können.

Muss ein Bürger wissen, dass er bei der Europawahl nur eine Stimme hat? Der Fall Giovanni di Lorenzos erregte bundesweit Aufsehen. Er hatte zugegeben, dass er doppelt gewählt hatte, im deutschen Wahllokal und beim italienischen Konsulat. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass es verboten ist, zwei Stimmen abzugeben.

Nun bekommt er Rückendeckung von einem NN-Leser. André Berstel ist Franzose und wohnt seit über 60 Jahren in Deutschland. Bisher hatte er bei Europawahlen nur vom deutschen Wahlamt eine Benachrichtigung erhalten. Da es nun aber spezielle Abgeordnete für in anderen EU-Staaten lebende französische Wähler gebe, habe er auch von den französischen Behörden eine Wahlbenachrichtigung bekommen.

Obwohl Berstel, wie er betont, „ein politisch denkender Mensch“ sei, war ihm „überhaupt nicht bewusst“, dass er sich bei doppelter Stimmabgabe strafbar gemacht hätte. Der Grund dafür, dass er nur einmal – im Nürnberger Wahllokal – gewählt hat, ist viel banaler: „Ich war erstens zu faul, zweimal zu gehen, und außerdem wollte ich am Bürgerbegehren teilnehmen."

Lücke in der Kontrolle

Nicht nur Berstel ist vor der Wahl doppelt benachrichtigt worden. Die Finnin Nona Jung ist sowohl bei ihren Eltern in Finnland als auch in Nürnberg gemeldet. Auch ihr wäre es „nicht so bewusst gewesen, dass man nicht zweimal wählen darf“. Gerade wenn der Urnengang in Finnland und Deutschland auf verschiedene Zeitpunkte gefallen wäre, hätte ihr die Doppelwahl aus Versehen schon passieren können.

Wolf Schäfer vom Wahlamt kennt das Problem, betont aber: „Es muss doch klar sein, dass jeder nur eine Stimme hat.“ Dennoch sieht auch er Handlungsbedarf. In den Erfahrungsberichten, die die Wahlleiter nach jedem Urnengang zusammenstellen, soll auf die Thematik hingewiesen werden. „Wir schlagen vor, auf der Wahlbenachrichtigung in Zukunft darüber zu informieren, dass jeder Bürger nur eine Stimme abgeben darf.“

Ist ein Bürger in den Verzeichnissen seines Zweitlandes nicht als in Deutschland wahlberechtigt eingetragen, dann erhielt er zwei Benachrichtigungen. Doppelt wählen konnten so laut Schäfer potenziell 17.000 Nürnberger. Wenn man Beweise dafür habe, werden diese zwar dem Staatsanwalt übergeben.

Es sei aber nicht kontrollierbar. Schäfer: „Der Gesetzgeber ist hier auf die Versicherung des Wahlberechtigten angewiesen.“ Wie kann nun diese Kontrolllücke geschlossen werden? Schäfer sieht hier keine praktikable Lösung. Ein gesamteuropäisches Wählerverzeichnis oder ein Verzeichnis aller Doppelwähler brächte Abhilfe. Aber: „Das ist weder gewollt noch machbar.“ Es bleibt also nur der Hinweis auf der Wahlbenachrichtigung.

Eine Anfechtung der Europawahl ist bei Schäfer bisher nicht eingegangen. Von selbst werde die Rechtsaufsicht nicht tätig werden, da kein Anlass zur Annahme bestehe, die Wahl sei durch doppelte Stimmabgabe tatsächlich verfälscht worden.

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