Ein "Lernort" für die Nachgeborenen

23.9.2011, 18:40 Uhr
Ein

© Harald Sippel

In dem Konzeptpapier wird auch der deutsche Schriftsteller Hörst Krüger zitiert, der 1973 hinsichtlich der Zeppelintribüne schrieb: „Dass es so etwas gab, so viel Rückfall in die Barbarei, das sollte man der Welt aufbewahren – für immer.“ Die Relikte auf dem früheren Reichsparteitagsgelände sind die einzigen baulichen Zeugnisse in Deutschland, die deutlich machen, wie sich das nationalsozialistische Terrorregime selbst inszeniert hat.

Doch wenn man sie – wie Krüger einst forderte – „der Welt aufbewahren“ will, dann muss dringend gehandelt werden. Bauexperten haben festgestellt, dass die Anlage ohne eine Generalinstandsetzung nicht zu erhalten ist und sowohl die Tribüne als auch die Wallanlage mit den 34 Fahnentürmen aufgrund der maroden Bausubstanz nach und nach in sich zusammenfallen würden. Um zu verhindern, dass die denkmalgeschützten Bauten Menschen gefährden, wären noch aufwändigere Schutzmaßnahmen nötig. „Die Nutzung des öffentlichen Raums würde beschränkt, öffentliche Flächen würden dem Menschen dauerhaft entzogen“, heißt es in dem Papier. Schon jetzt sind Teile des Geländes abgesperrt.

Goldener Saal als Ort für Veranstaltungen

Deswegen will die Stadt Nürnberg Zeppelinfeld und -tribüne in ihrer baulichen Substanz erhalten und der Öffentlichkeit in wesentlich erweiterter Form als bisher zugänglich machen. Die Bürger sollen an diesem Lernort erfahren, wie die Nazis das Gelände und die von Albert Speer entworfenen Bauten in den Jahren zwischen 1933 und 1938 für ihre fatale Propagandamaschinerie nutzten.

Das Konzept sieht zum Beispiel vor, die mittlere der Gusseisentüren zum Goldenen Saal dauerhaft zu öffnen und dort als Abgrenzung eine Glasfront zu schaffen; so wird Besuchern und Passanten ein Einblick in den Saal geboten. Zudem soll dieser Saal in Gruppenführungen vorgestellt und für Filmvorführungen oder Theater- und Musikveranstaltungen genutzt werden. Dies würde die Möglichkeiten des Doku-Zentrums erweitern, denn auf dem Gelände befindet sich kein anderer Raum in dieser Größe, der für Veranstaltungen geeignet wäre.

Tribüne und Zeppelinfeld sollen künftig begehbar sein; so ist etwa für den nördlichen Teil des Zeppelinfeldes eine öffentliche Grünanlage geplant. Einer der seitlichen Aufgänge der Tribünen-Rückseite wird im Rahmen von Gruppenführungen geöffnet. Geplant ist auch, die Reste eines der Pfeiler aufzustellen – die Pfeilergalerie auf der Tribüne war 1967 gesprengt und Teile des Schutts in die Treppenhäuser gekehrt worden; dort drückten die Steinreste von innen gegen das Gebäude und destabilisierten dieses im Lauf der Jahrzehnte nachhaltig.

Während die Pfeiler weggesprengt wurden, kamen in der Nachkriegszeit andererseits auf dem Gelände viele Elemente hinzu, die das historische Bild verfälschen und nicht in das Konzept eines „Lernorts Zeppelinfeld“ passen. Die Baumreihe vor der Tribüne soll daher verpflanzt werden, die auf dem Feld angelegten Teerflächen will das Kulturreferat durch Rasenflächen ersetzen (mit Ausnahme der Straße vor der Tribüne, die für das Norisringrennen genutzt wird), und der Flachbau gegenüber der Tribüne muss mittelfristig weichen.

Diese Elemente prägen auch deshalb die Szenerie auf dem Gelände, weil man in der Nachkriegszeit keine richtige Funktion für die Bauten fand. Während in anderen im Dritten Reich entstandenen Bauwerken zum Beispiel Fußball gespielt wird (Berliner Olympiastadion), wusste die Nachkriegsgesellschaft mit den Gebäuden am Dutzendteich lange nichts anzufangen: „Es handelte sich um Foren zur Verherrlichung des NS-Regimes und des ,politischen Messias‘ Adolf Hitler. Dafür gibt es jedoch in der Demokratie keine Entsprechung“, formuliert das Konzeptpapier diese Problematik. Deswegen herrschten Leerstand, Verfall und pragmatische Nutzungen vor. Symbolisch ist hierfür das Schicksal einer der beiden Feuerschalen, die bei den Nazi-Aufmärschen auf den Seitenflügeln der Tribüne gestanden hatten. Sie diente – bunt bemalt – lange Zeit im Stadionbad als Planschbecken für die Kinder.

Falls der Kulturausschuss nun empfiehlt, die in dem Papier formulierten Pläne weiterzuverfolgen, muss die Stadt den Bund um Unterstützung bitten. Denn aus kommunalen Mitteln ist die Instandsetzung des Geländes, die zwischen 60 und 75 Millionen Euro kosten wird, nicht leistbar.

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