Im Arbeiterwagen zum Dienst

10.1.2011, 17:16 Uhr
Im Arbeiterwagen zum Dienst

© NZ-Archiv

Die Kohle bezog die Ludwigsbahn in den ersten Jahren übrigens aus Sachsen. Erst im Jahr 1863, nachdem die Bahnverbindung zum Ruhrgebiet fertiggestellt worden war, verkehrten auf der Ludwigseisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth ausschließlich dampfgetriebene Züge. Schön und gut, aber wie kam man innerhalb der Stadt Nürnberg an sein Ziel? Die Arbeitszeiten in den Fabriken waren lang, Fabrikarbeiter mussten in dieser Zeit doppelt so viele Arbeitsstunden pro Jahr schuften wie heute. Wie kamen sie zur Arbeit und wie nach Hause? Einige deutsche Großstädte richteten um die Mitte des 19. Jahrhunderts Pferdebahnen ein, damit ihre Bürger die wachsenden Entfernungen leichter bewältigen konnten. Der Nürnberger Fabrikant Theodor Cramer-Klett regte im Jahr 1864 den Bau einer Pferdebahn in Nürnberg an, für den Personenverkehr innerhalb der Stadt. Ein Gutachter äußerte Bedenken: Die engen Straßen und die teils beträchtlichen Steigungen und Quergefälle auf der Sebalder Seite unterhalb der Burg machten ihm Kopfzerbrechen.

Er schlug vor, statt eine Pferdebahn einzurichten, sollte die Kommune das Straßenpflaster verbessern. Aber ein Bremer Kaufmann und Unternehmer, Heinrich Alfes, trieb das Vorhaben voran. Schließlich erteilte der bayerische König Ludwig II. seine Erlaubnis, und am 25. August 1881 – das war des Königs Geburtstag – nachmittags um 15.30 Uhr fuhr erstmals eine von Pferden gezogene Bahn vom Staatsbahnhof zur Lorenzkirche und weiter zum Plärrer, wo die Ludwigseisenbahn ihre Endhaltestelle hatte. Zufälligerweise erreichte Nürnberg im selben Jahr, also 1881, erstmals eine Einwohnerzahl von 100000. Nürnberg war eine Großstadt.

Der Betreiber dieser Pferde-Straßenbahn war eine private Gesellschaft, die sich 1882 in eine Aktiengesellschaft mit 1,8 Millionen Reichsmark Grundkapital umwandelte. Sie weitete ihren Betrieb rasch aus. Das innerstädtische Schienennetz erreichte schon im folgenden Jahr eine Streckenlänge von 20 Kilometern. Jetzt waren die Marienvorstadt sowie Gostenhof, St.Peter und Maxfeld sowie die Ausflugsstätten Dutzendteich und St. Jobst miteinander verbunden. Allerdings war das Netz zunächst nur eingleisig, in Abständen von etwa einem halben Kilometer gab es Ausweichmöglichkeiten. Schon aus diesem Grund konnte die Pferdebahn nicht schnell fahren, nur 10,7 Kilometer in der Stunde. Erst gegen 1890 ging man dazu über, die Strecken doppelgleisig zu verlegen.

Aufspringen und Abspringen war erlaubt

Anfangs gab es auch noch keine Haltestellen, man konnte jederzeit das Anhalten verlangen. Selbst Auf- und Abspringen war erlaubt. Erst später ging man, um die Pferde zu schonen, dazu über, feste Punkte als Haltestellen einzurichten.

Der Fahrbetrieb begann morgens um sieben Uhr und endete abends um 21 Uhr. Danach verkehrten noch besondere „Theaterwagen“. Später wurden auch besonders zeitige „Arbeiterwagen“ eingesetzt. Die Zugfolge war bemerkenswert kurz, alle sechs oder zwölf Minuten kam ein Zug. Zum Dutzendteich konnte man allerdings am Vormittag nur alle 36 Minuten fahren.

Der Wagenpark bestand anfangs aus ein- und zweispännigen geschlossenen und einigen offenen Wagen. Seit November 1893 gab es in den Wagen versuchsweise Ofenheizung. Die Bänke verliefen im Inneren quer, und der Schaffner musste außen über durchgängige Trittbretter von einem Abteil zum anderen balancieren.

Auf dem Wagen waren Glocken angebracht, damit die Pferdebahn sich hörbar machen konnte, falls Passanten nicht rechtzeitig auswichen. Später kamen dann Signalpfeifen zum Einsatz.

Die Wagen bewegten sich also mit geringer Pferdestärke vorwärts. Im Jahr 1883 besaß die Bahngesellschaft 140 Pferde, 1895 waren es 242. An den Depots in der Fürther Straße befanden sich Stallungen für die Pferde, Futter und alles andere, was die Tiere brauchten. Die Tiere mussten in der Stadt versorgt werden, da bestanden noch immer Ähnlichkeiten mit einem Bauernhof. Folglich gab es einen eigenen Beschäftigten, der die Pferde beschlagen konnte, was auf den Bauerndörfern der Schmied machte. Die Wartung der Pferde und Stallungen unterlag den Stallburschen, Futtermeistern und Stallwärtern. Zum Glück fand man unter den Arbeitern leicht einige, die mit Tieren umgehen konnten, weil sie zuvor als Knecht auf einem Bauernhof ihr Brot verdient hatten.

Bezahlung war bescheiden

Auch das Personal der Bahn musste entsprechend vielseitig sein: Es bestand aus Fahr-, Stall- und Werkstättenpersonal. Einige Handwerker betreuten die Wagen. Dann gab es noch Gleisreiniger und einige andere Berufsgruppen. Das Fahrpersonal war uniformiert. Die Bezahlung dieser Leute war bescheiden.

Die Straßenbahn mit Pferdeantrieb bestand allerdings nicht sehr lange, nicht einmal zwanzig Jahre. Schon vor der Jahrhundertwende 1900 setzte sich der Gedanke durch, den Pferdebetrieb durch elektrischen Strom zu ersetzen. Das war billiger. Der Einsatz der Tiere – mit Futtermitteln, Wartpersonal und dergleichen – erwies sich als sehr teuer. 1895 erfolgte, zunächst nur probeweise, die Umstellung auf größere Wagen, die außerdem schneller fuhren. Die Betriebszeiten wurden ausgeweitet. 1898 stellte die Pferdebahn ihren Betrieb ein. 1903 ging die Aktiengesellschaft Bahn auf die Stadt Nürnberg über.

Keine Kommentare