Reichsparteitagsgelände: Finanzielles Konzept fehlt

31.10.2011, 17:11 Uhr
Reichsparteitagsgelände: Finanzielles Konzept fehlt

© Hagen Gerullis

Oberbürgermeister Ulrich Maly, aber auch die CSU setzen sich bei Vertretern von Bund und Land dafür ein, dass die Kernsanierung der Tribüne und des Märzfelds eine nationale Aufgabe ist. Das würde bedeuten, dass die Kosten auf drei Paar Schultern und nicht nur auf einem lasten, denn die Stadt ist in jedem Fall dabei: Vor eineinhalb Jahren gab es eine erste Kostenschätzung, die sich immerhin auf 75 Millionen Euro für die Instandsetzung des unter Denkmalschutz stehenden Reichsparteitagsgeländes belief.

Doch wer Politiker einlädt, um sie von der Bedeutung des geschichtlichen Orts zu überzeugen, damit sie zahlen, der braucht auch ein belastbares Konzept, das aufzeigt, was gemacht werden muss und was das kostet. Sonst fließen keine Zuschüsse.

Die 75 Millionen Euro sind bislang eine grobe Schätzung. Robert Minge, der sich beim städtischen Hochbauamt am besten mit dem Reichsparteitagsgelände auskennt und es seit Jahren betreut, steht leider vorerst nicht mehr zur Verfügung, denn er ist jetzt in die Elternzeit eingetreten.

Ingenieurbüro muss Schadenskartierung durchgeführen

Das Baureferat sicherte zwar gegenüber der NZ zu, dass nach Ersatz gesucht wird. Aber es muss sehr vieles möglichst schnell erledigt werden, wenn die Schäden nicht größer und das Projekt damit teurer werden sollen: Für das Nutzungskonzept, die detaillierte Bestandsaufnahme und die Grundlagenermittlung, was alles saniert werden muss, ist ein Fachmann mit Erfahrung nötig. Doch woher nehmen, denn mit Schulsanierungen und dem Neubau von Kinderkrippen ist das Hochbauamt sehr gut ausgelastet.

So lange die Stadt aber ihre Arbeiten nicht abgeschlossen hat, kann es auch keine Schadenskartierung, die Basis für ein Sanierungskonzept mit genauer Kostenberechnung ist, geben. Die Schadenskartierung wiederum muss ein Ingenieurbüro durchführen.

Nachdem der Auftrag zwischen 400000 und 700000 Euro kostet, muss er europaweit ausgeschrieben werden. Die Kosten für diese Schadenskartierung soll das Kulturreferat als Bedarfsträger übernehmen, heißt es aus dem Baureferat.

Sanierung des Geländes kostet mindestens 75 Millionen Euro

Personalsuche, Ermittlung von Details, Ausschreibung, Erstellen eines Konzepts – das kostet alles Zeit, und die Steintribüne verfällt weiter. Frühestens 2013 dürfte eine aussagekräftige Kalkulation vorliegen. Zusagen von Bund und Land werden dann schwer zu bekommen sein, denn in zwei Jahren herrscht Wahlkampf und die Sanierung des Reichsparteitagsgeländes brennt zwar den Nürnbergern unter den Nägeln, nicht aber den Verantwortlichen in Berlin und München.

Wenn Baureferat und Kulturreferat letztlich noch zu streiten beginnen, wer die Kosten übernimmt – in jedem Fall muss die Stadt den Hauptteil tragen – dann könnten die Verzögerungen richtig peinlich werden.

Mindestens 75 Millionen Euro wird die Sanierung des Reichsparteitagsgeländes kosten. Was könnte man nicht alles dafür bauen: die Bertolt-Brecht-Schule, das Schulzentrum Südwest oder zwei Dutzend Kinderkrippen.

Land und Bund müssen zu diesem nationalen Erbe stehen

Doch die Frage ist immer, was sind die Alternativen, wenn man mit Vorhandenem – und das ist nun mal das Reichsparteitagsgelände – umgehen muss? Wird die Zeppelintribüne nicht im Kern saniert, dann muss sie abgesperrt werden und verfällt. Ein lähmender Prozess über einen langen Zeitraum, denn die Reste stehen unter Denkmalschutz und können nicht einfach getilgt werden.


Für den Erhalt der Zeppelintribüne sprechen auch ihre Funktion und ihre Einzigartigkeit: Sie war Teil der Massen- und Selbstinszenierung des NS-Regimes und ist damit ein authentischer Ort der deutschen Geschichte. Dagegen ist die Kongresshalle ein Bau von geringer historischer Aussagekraft, denn sie wurde nicht fertiggestellt.

Am Beispiel der Zeppelintribüne kann die Massenbegeisterung und damit die breite Unterstützung der Nationalsozialisten auch mit zeitlichem Abstand dargestellt werden. Andere historische Relikte taugen dazu nicht.

Der historische Bogen von der Zeppelintribüne mit dem Dokumentationszentrum zu den Nürnberger Gesetzen und am Ende zu den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen macht das ganze Dilemma der deutschen Geschichte deutlich: Wie Begeisterung und Menschenverachtung in die Katastrophe führen. Zu diesem nationalen Erbe müssen auch Bund und Land stehen.

Erhalt oder Verfall? Die Zukunft des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg. Eine Diskussionsrunde mit Dieter Bartetzko (FAZ-Redakteur), Wolfgang Benz (Professor an der TU Berlin), Johannes Greipl (Chef des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege), Michael Kloft (Journalist und Fernsehautor), Julia Lehner (Kulturreferentin), und Charlotte Bühl-Gramer (Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) am 5. November um 19.30 im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände.


 

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