Cyberattacken auf Außenseiter

7.12.2011, 18:18 Uhr
Cyberattacken auf Außenseiter

© dapd

In den USA ist das Thema bereits seit Jahren in aller Munde: Cybermobbing ist dort längst an die Stelle des „klassischen“ Mobbings – auf dem Schulhof, im Klassenzimmer oder am Arbeitsplatz – getreten. Im Jahr 2007 kam es zu einem ersten Todesfall, nachdem sich eine 13-jährige Schülerin aus Missouri infolge skrupelloser Cybermobbing-Attacken das Leben nahm.


Doch auch in Deutschland nimmt die Verlagerung des Mobbings vom echten Leben in die digitale Welt zu. Genau diese Verlagerung beschreibt der Begriff Cybermobbing: Auch bekannt unter den Synonymen Internet-Mobbing, E-Mobbing (für elektronisches Mobbing) oder Cyber-Bullying, steht Cybermobbing für absichtliche Beleidigungen, Bedrohungen oder Demütigungen mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel anstelle der persönlichen Konfrontation.


Einer repräsentativen Umfrage zufolge, die die Techniker Krankenkasse (TK) im August dieses Jahres veröffentlicht hat, ist jeder dritte deutsche Jugendliche schon mindestens einmal Opfer von Cybermobbing geworden – jeder zehnte befragte Jugendliche gab an, sogar selbst schon einmal als Mobber im Internet aufgetreten zu sein.


Mobbing im Internet kann in vielerlei Gestalt auftreten. Im Gegensatz zum Mobbing in der Schule sind die Möglichkeiten im Netz unbegrenzt, Mobber können – zumindest bis zu einem gewissen Maße – anonym agieren und sind keinerlei Kontrolle durch Lehrer oder andere Aufsichtspersonen ausgesetzt.
Von Beleidigung bis Identitätsmissbrauch ist alles dabei


Die 14- bis 20-Jährigen Umfragekandidaten der TK gaben drei Formen von Cybermobbing an, denen sie regelmäßig ausgesetzt sind:
Am häufigsten tritt Cybermobbing der Studie zufolge in Form von Beleidigungen und Drohungen auf, die Jugendliche per SMS oder Nachricht im Internet erhalten. Dazu gehören auch Beschimpfungen auf Pinnwänden in sozialen Netzwerken oder Einträgen in Foren, die beispielsweise Schulklassen für sich eingerichtet haben. 18 Prozent der Befragten gaben an, mit Drohungen oder übler Nachrede konfrontiert worden zu sein – und das meist über einen längeren Zeitraum hinweg.
Acht Prozent aller Befragten sprachen über Erfahrungen mit Identitätsmissbrauch: So berichteten etwa einige Schüler, dass ihr Name, teilweise sogar mit Foto, von anderen benutzt worden war, um sich in sozialen Netzwerken oder Foren anzumelden. Weitere drei Prozent hatten sogar erlebt, dass private Fotos oder E-Mails, die nur für einen einzigen Adressaten bestimmt waren, weitergegeben oder veröffentlicht worden waren.


„Die Befragung zeigt auch, dass Täter weitestgehend ungehindert auf das World Wide Web zugreifen“, heißt es in der Auswertung der Studie. Nur bei 17 Prozent der Befragten sind Seiten gesperrt, und lediglich bei rund jedem Zweiten nehmen Eltern Einfluss auf Dauer oder Inhalte der Internetnutzung.

Präventivmaßnahmen
gegen Cybermobbing

Genau das sei jedoch auch notwendig, um Cybermobbing wirksam vorzubeugen, empfiehlt das Bundesfamilienministerium. „Cybermobbing kann große Schäden in den Seelen von Kindern anrichten“, sagt Ministerin Kristina Schröder und appelliert daher an Eltern, mit ihren Kindern Präventivmaßnahmen zu besprechen, die im Vorfeld gegen digitale Mobbingattacken schützen.


Da ein Großteil aller Cybermobbing-Fälle in sozialen Netzwerken und Online-Plattformen stattfinden, lautet die zentrale Empfehlung aller Experten zu diesem Thema, im Internet nicht zu viel über sich preiszugeben. Mehr Informationen bieten mehr Angriffsfläche. Umso mehr trifft das auf Fotos zu, die im Internet kursieren. Bilder, die bei Facebook oder SchülerVZ veröffentlicht und für jeden einsehbar sind, können auch von jedem missbraucht werden.


Die TK-Studie zeigt aber, dass selbst dort Vorsicht geboten ist, wo private Fotos vermeintlich gut aufgehoben sind – bei Freunden. 30 der von der TK befragten Jugendlichen hatten ihre privaten Fotos einem guten Freund anvertraut, der diese dann doch weitergegeben hatte, um sie zu brüskieren.


Nicht gegen jeden Mobbingangriff freilich kann man sich im Vorfeld schützen.

Wegen falscher
Schuhe zum Mobbingopfer

Wie im richtigen Leben gibt es auch in der Cyberwelt eine Vielzahl an Zufallsopfern. In Berlin machte im vergangenen Jahr der Fall einer 16-Jährigen die Runde, die mit ihren Erfahrungen bei SchülerVZ an die Öffentlichkeit gegangen war. Das Mädchen, dessen Namen in den Medien in Steffi geändert wurde, wurde vom einen Tag zum nächsten verhasste Außenseiterin, weil sie die gleichen Schuhe trug wie eine Mitschülerin – der das nicht gefiel.


Noch am selben Nachmittag entstand bei SchülerVZ die Gruppe „Steffi ist scheiße“. Jeden Tag erhielt sie neue Mitglieder – irgendwann nicht mehr nur noch Klassenkameraden, die Steffi tatsächlich kannten, sondern auch ihr völlig fremde SchülerVZ-Nutzer, die ihren Beleidigungsfantasien in der Gruppe freien Lauf lassen konnten.


Steffi wehrte sich und wandte sich an die SchülerVZ-Betreiber, die die Gruppe auch schlossen. Auf ihrer eigenen Profilseite hielt der verbale Terror ihrer Mitschüler jedoch an. Sie erhielt Nachrichten und boshafte Pinnwandeinträge, wurde auf Fotos markiert, auf denen gar nicht sie zu sehen war, die sie aber demütigen sollten. Schließlich beendete Steffi ihre Mitgliedschaft bei SchülerVZ, weil sie nicht mehr wusste, wem sie dort trauen konnte.


Anlaufstellen

Wer wie Steffi Opfer einer Cybermobbingattacke in einem sozialen Netzwerk wird, sollte sich, noch vor dem Gespräch mit den Tätern, um Schadensbegrenzung bemühen. In ihrem Fall hat Steffi richtig gehandelt: Nachdem sie die Beweismaterialien gesichert hatte – beispielsweise Screenshots von beleidigenden Pinnwandeinträgen in der „Steffi ist scheiße“-Gruppe und Ausdrucke der drohenden Nachrichten – wandte sie sich an die SchülerVZ-Betreiber. In den VZ-Netzwerken funktioniert das auf rasche und einfache Art, indem man als Mitglied den Button „Diese Gruppe melden“ (dasselbe Prinzip gilt auch für Fotos und Personen) bedient.


In sozialen Netzwerken, die weniger transparent aufgebaut sind, muss man im Zweifel auf die Kontaktdaten im Impressum zurückgreifen.


Bei berechtigten Klagen greifen die die Betreiber von sozialen Netzwerken in der Regel sehr schnell durch und sperren die gemeldete Gruppe oder schließen gar die Täter aus der Community aus.


Geschieht das nicht umgehend, können sich Mobbingopfer – oder deren Eltern – an eine Beschwerdehotline wenden, etwa den Dienst www.jugendschutz.net.
Gelöst ist das Problem damit selbstverständlich noch nicht. Den Tätern ist lediglich eine Plattform genommen, auf der sie die Mobbingattacken durchführen können. Gerade weil Täter und Opfer von Cybermobbingfällen in aller Regel aus dem gleichen Umfeld stammen und sich so gut wie täglich begegnen, ist die persönliche Konfrontation zur Beilegung des Konflikts notwendig.


„Häufig genügt es schon, Mobbing zu thematisieren, damit die Attacken aufhören“, heißt es aus dem Bundesfamilienministerium. Gemeint ist: Den Weg zu den Tätern und deren Eltern zu suchen, das Thema mit Lehrern und im Klassenzimmer zu besprechen. So mancher Mobbingvorfall beruht auf Missverständnissen oder darauf, dass sich eigentlich neutrale Mitschüler in einen Streit eingelassen und sich von einer Partei vereinnahmen lassen haben.


In Extremfällen, in denen Jugendliche massiven Bedrohungen oder Beleidigungen ausgesetzt worden sind, hilft vielleicht nur noch der Gang zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Auch hier ist die wichtigste Voraussetzung, rechtzeitig die Beweismaterialien zu sichern.


Zeitgleich kann es nützlich sein, sich mit professionellen Beratungsstellen für Mobbingopfer auseinanderzusetzen oder den Vertrauenslehrer an der Schule zu konsultieren.

Weitere Infos unter www.spardasurfsafe.de und auf der NZ-Homepage  (hier finden Sie auch die früheren Folgen der SurfSafe–Reihe sowie Videos zu den einzelnen Themen).

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