Land unter durch illegale Schatzsucher

8.2.2015, 17:43 Uhr
Land unter durch illegale Schatzsucher

© Foto: afp

Durch illegale Grabungen sind bereits viele archäologische Schätze für die Gesellschaft und die Forschung verloren gegangen. Der Handel mit Kulturgütern aus Plünderungen nimmt zu, er ist mittlerweile zum drittgrößten illegalen Markt weltweit angewachsen, übertroffen nur noch von Drogen und gefälschter Markenware. Unseriöse Kunsthändler verschleiern die Herkunft der Funde, in Kriegsregionen werden historische Stätten zerstört. Auch das Auswärtige Amt in Berlin nimmt sich deshalb des Themas an und lud kürzlich zur Tagung „Kulturgut in Gefahr: Raubgrabungen und illegaler Handel“.

„Syrien und Irak, zwei große Kulturnationen, erleben derzeit nicht nur eine menschliche, sondern auch eine kulturelle Katastrophe“, sagte Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt in Berlin. „Kunsthändler und Kunstliebhaber müssen sich bewusst machen, dass sie mit dem Kauf und Verkauf von illegal verbrachten Antiquitäten Gefahr laufen, terroristische Institutionen wie den Islamischen Staat zu finanzieren.“

Privates Graben ist im Nahen Osten verboten

Antiken mit illegaler Herkunft sind die Regel, nicht die Ausnahme. Im Osmanischen Reich und danach folgend in der Türkei, Syrien und dem Irak ist das private Graben nach Kulturgütern schon seit 1869 verboten – mit Ausnahme genehmigter, wissenschaftlicher Projekte. Der Schutz von antiken Stätten – allein im Irak sind es rund 100 000 – müsse deshalb dort ansetzen, wo die Kulturgüter nachgefragt werden, das heißt in Europa, forderte deshalb Michael Müller-Karpe vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz. „Kein gewinnorientierter Händler wäre lebensfähig, wenn er nur legale Güter veräußern würde“, sagte er. Die Verkäufer von Antiken wissen, dass ein Staat nur Anspruch auf Rückgabe hat, wenn er nachweisen kann, dass sie auf seinem Staatsgebiet geplündert wurden. Daher geben viele Händler als Herkunftsbezeichnung eines Stücks nur den antiken Kulturkreis, wie „mesopotamisch“ an, nicht jedoch das heutige Staatsgebiet.

„Ob ein Appell an den Kunsthandel allein zum Ziel führt, mag dahin gestellt sein“, sagt Boris Mijat, Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie mit Sitz in Erlangen. „Es müssen auch strenge Vorgaben durch die Politik folgen.“ In Berlin wurde seiner Meinung nach ein erschreckendes Bild vom Zustand der Denkmalpflege und des Kulturgüterschutzes in ganz Europa und dem Nahen Osten gezeichnet. Die Tagung im März in Nürnberg soll den Schutz des unter Wasser liegenden Kulturerbes seitens Deutschland betonen. „Der leider immer noch auf sich warten lässt“, sagt Mijat. Deutschland hat die UNESCO-Konvention von 1970 gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern erst 2007 als 115. Vertragsstaat unterzeichnet. Alle Kunstgüter, die vor 2007 nach Deutschland kamen, fallen damit nicht unter den Schutz der UNESCO. „Deutschland wird als Markt und Transitland für geplündertes oder illegal erworbenes Kulturgut genutzt“, erklärte in Berlin Silvelie Karfeld vom Sachbereich Kunst- und Kulturgutkriminalität des Bundeskriminalamts (BKA).

Museen wissen oft nicht, was in ihren Magazinen lagert

Archäologen verweisen seit langem auf Nachholbedarf. Das BKA hat nur drei Mitarbeiter auf diesem Gebiet. Die entsprechende Abteilung der italienischen Carabinieri kann auf 300 Beamte zurückgreifen. Das BKA fordert daher eine Umkehr der Beweislast. Der Händler müsse gegenüber dem Staat nachweisen, dass er die Antiquität legal erworben habe. Deutsche Staatsanwälte, Richter und Zollbeamte sollten durch Fortbildungen besser auf die Herausforderungen des illegalen Kunsthandels vorbereitet werden.

Auch der internationale Polizeiverbund Interpol in Lyon klagt über Personalmangel. Für die Eingabe von Daten in „Psyche“, die einzige internationale Datenbank für gestohlenes Kulturgut, stehe nur ein Mitarbeiter zur Verfügung, sagte Francoise Bortolotti, von der Abteilung für Drogen, organisierte Kriminalität und Kunstraub bei Interpol. Die Datenbank sei technisch veraltet und liste mit 44 500 Kunstwerken nur einen Bruchteil der weltweit als gestohlen gemeldeten Gegenstände auf. Objekte aus Raubgrabungen seien naturgemäß in keiner Datenbank erfasst, so Bortolotti.

Der Fundort ist genauso spannend wie das Stück selbst

Selbsternannte Hobby-Schatzsucher sind ein großes Problem für Archäologen. Außerdem durchsuchen kommerzielle Sondengänger, ausgestattet mit Metalldetektoren und großen Budgets, systematisch Wracks in internationalen Gewässern, bergen deren Ladung und bieten sie in der Hoffnung auf Profit auf dem Kunstmarkt an. „Der wissenschaftlichen Erforschung historischer Epochen wird dadurch großer Schaden zugefügt“, sagt DEGUWA-Sprecher Mijat. „Wenn die Funde nicht fachmännisch nach streng wissenschaftlichen Vorgaben geborgen werden, kann jegliche kulturhistorische Aussage, die solch ein Fund besitzt, verloren gehen.“ Die Archäologen sind am Ort und Umstand eines Fundes genauso interessiert wie an den Stücken selbst. „Der Kontext lässt sich aber nur herstellen, auswerten und in das Bild der jeweiligen Epochen einordnen, wenn nach den Methoden der Archäologie gegraben wird, die in den letzten 200 Jahren entwickelt und immer weiter verfeinert wurden.“

Selbst einige Museen wissen oft nicht genau, was in ihren Magazinen lagert, so dass sie bei Diebstahl oder Plünderungen keine detaillierten Verlustlisten anlegen können. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, fordert eine Identitätskarte für Kulturobjekte, auf der wie bei einem Fahrzeugbrief, Herkunft und Besitzer lückenlos dokumentiert werden und die Ausfuhrgenehmigung eingetragen ist: „Alle öffentlichen Museen in Deutschland sollten Online-Register einrichten, um mehr Transparenz zu schaffen“, sagte er in Berlin. Wer sich gegen eine solche Regelung ausspreche, sei ein unseriöser Kunsthändler. Museen müssten sich das Motto „Ausleihen statt Erwerben“ zu eigen machen.

Auf der Tagung im Auswärtigen Amt waren sich alle Experten einig, dass der Schutz von Kulturgütern stärker ins Bewusstsein rücken müsse. Der Gesetzgeber habe sich bislang aber vor allem darum bemüht, deutsche Kulturgüter vor der Ausfuhr zu schützen. Vor deutschen Gerichten konnte bisher kein einziger Anspruch nach dem Kulturgüterrückgabegesetz von 2007 geltend gemacht werden.

www.deguwa.org

Keine Kommentare