Der seltsame Fall von Dürers „Selbstbildnis im Pelzrock“

19.3.2012, 13:00 Uhr
Der seltsame Fall von Dürers „Selbstbildnis im Pelzrock“

© Mark Johnston

So kann man es natürlich auch sagen: „Nicht ganz unkompliziert“ sei die Sache, über die er in den nächsten 45 Minuten referieren werde, sagt Thomas Schauerte eingangs. Es geht um das originale „Selbstbildnis im Pelzrock“, aber natürlich auch um die Kopie, die das Dürer-Haus in diesem Monat zum besonderen Schaustück gekürt hat. „Die Halbwertszeit der Variante von heute ist nicht besonders hoch“, fügt der Leiter der Einrichtung am Tiergärtnertorplatz hinzu. Für seine Ausführungen interessiert sich eine ganz erkleckliche Anzahl an Besuchern. Überrannt wir das Museum allerdings nicht. Vielleicht kann die Geschichte so langsam keiner mehr hören?

Halten wir uns mal an das, was wir gesichert wissen. In der Alten Pinakothek in München hängt bekanntlich das im Jahr 1500 von Dürer gemalte „Selbstbildnis im Pelzrock“, eines der Hauptwerke der abendländischen Malerei. Dort werde es denkbar schlecht präsentiert und sei alles andere als von Besuchern umlagert: „So hängt man kein Spitzenwerk!“. Hilft aber alles nichts, nach langem Hin und Her bleibt das Original ja nun in der Landeshauptstadt.

Bei der Kopie, die nun in Nürnberg zu sehen ist, handelt es sich um jene, von der man bis vor kurzem glaubte, der Betzensteiner Abraham Wolfgang Küfner (1760-1817) habe sie angefertigt. Doch bei einer genauen Untersuchung kam vor wenigen Wochen heraus, dass Küfner zur Entstehungszeit in den 1770er Jahren viel zu jung war. Und zweitens war der aus einer „bildungsfernen Schicht“ stammende Küfner eher als Miniaturmaler und Kupferstecher bekannt. Mit Geld konnte Küfner, der auch wegen Falschmünzerei in Haft saß, nicht besonders gut umgehen.

Was uns zu der nächsten ziemlich gesicherten Erkenntnis bringt. Der Original-Pelzrock wurde 1805 nach München verkauft, und zwar höchst inoffiziell von Küfner und dem Nürnberger Ratskonsulenten Georg Gustav von Petz für lächerliche 600 Gulden — die für den sich in prekärer finanzieller Lage befindlichen Küfner sehr wichtig gewesen sein könnten. Aber hier befinden wir uns auf dem Gebiet der Spekulation. Spekulation ist auch, wer aus welchem Grund den echten Dürer in einer, so Schauerte, eventuell „patriotischen Tat“ mit einer (grottenschlechten) Kopie vertauschte — die sich heute in München befindet – und damit 1801 davor bewahrte, als Beutekunst nach Paris ins Musée central des arts zu gehen.

Verletzte fränkische Seele

Es könnte tatsächlich sein, dass man das Original einfach für Nürnberg retten wollte. Vielleicht sicherte Küfner es ursprünglich ohne betrügerische Absicht und sah sich erst durch seine Geldnot zum Verkauf gezwungen? Auch darüber gibt es allerdings keine Aufzeichnungen, und selbst in Dürers Heimat dachte man damals, das Original sei in Frankreich. Weswegen es ja auch so einfach war, es illegal zu verkaufen – wer sollte ein Bild vermissen, von dem man nicht einmal wusste, dass man es besitzt?

Letzten Endes weiß man eben doch, dass man so gut wie nichts weiß. Immerhin hat der Aufschrei der verletzten fränkischen Seele, die das Werk doch so gerne in der Stadt gesehen hätte, zur Folge, dass man sich eingehend mit ihm und seinen Kopien beschäftigt. Demnächst übrigens beim großen Küfner-Gipfel am 16. April in München – dann werden die Kopien und das Original sozusagen an einen Tisch gebracht.


Wer sich für die Geschichte der Dürer-Selbstbildnisses interessiert, kann an der nächsten Führung teilnehmen. Sie findet am 29. März um 18 Uhr im Albrecht-Dürer-Haus statt – vielleicht mit neuen Erkenntnissen.
 

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