Ein Vorbild für viele

31.1.2011, 08:00 Uhr
Ein Vorbild für viele

© Matejka

Gut ein Jahr ist es erst her, dass der Suizid des Nationaltorwarts Robert Enke den Blick auf ein Leiden lenkte, das noch immer zu oft verharmlost wird: Denn Depressionen sind eine regelrechte Volkskrankheit, allein in Nürnberg leiden schätzungsweise 25000 Menschen daran. Und sie enden bei schweren Krankheitsverläufen oft tödlich, weil sich die Betroffenen das Leben nehmen.

Nach Enkes Tod war das Thema in aller Munde, auch Dr. Günter Niklewski, Mitglied im Vorstand des Nürnberger Klinikums und einer der Mitbegründer des Bündnisses gegen Depression, war in der Folge als Gesprächspartner in etlichen Talkshows gefragt. „Doch das sind nur Strohfeuer“, sagt der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. „Und das allein nützt gar nichts.“ Wer nachhaltig über Depressionen aufklären wolle, der müsse am Ball bleiben.

Wie das gelingen kann, zeigt das Bündnis gegen Depression seit zehn Jahren. Gestartet als deutschlandweit einzigartiges Modellprojekt hat das Konzept mittlerweile Schule gemacht. Unter dem Dach des Deutschen Bündnisses gegen Depression sind bundesweit 67 Städte und Regionen aktiv geworden, jährlich kommen sechs bis zehn neue Initiativen dazu.

Sie arbeiten mit dem Material, das in Nürnberg getestet wurde und haben zentrale Bestandteile der Aufklärungskampagne übernommen. „Die Nürnberger Plakate fahren derzeit mit der Straßenbahn durch Leipzig“, sagt Ines Heinz, die die bundesweiten Aktivitäten koordiniert. Sogar europaweit findet die Arbeit Nachahmer: Eine europäische Allianz orientiert sich weitgehend am fränkischen Konzept. „Der Erfolg der Nürnberger Arbeit hat sich herumgesprochen“, sagt Heinz.

Die Botschaft ist in all den Jahren die gleiche geblieben: Die Depression kann jeden treffen, sie hat viele Gesichter — und sie ist behandelbar. Wesentlicher Baustein waren deshalb Seminare und Fortbildungen für Hausärzte und für Multiplikatoren wie Lehrer, Apotheker, Altenpflegekräfte und viele andere. Kinospots, Patientenbroschüren und Vorträge sorgten dafür, dass auch die breite Öffentlichkeit informiert wurde.

Die Zahl der Suizidversuche ging in Nürnberg in der Folge um ein Drittel zurück — für Niklewski ein Indikator für den Erfolg der Arbeit. Ob der Effekt angehalten hat, müsste aus seiner Sicht erneut untersucht werden. Doch die Erhebung der Daten sei aufwendig, noch fehlen laut Niklewski die Mittel dafür.

Auch die Schulungen müssten wieder angeboten werden, „weil bei den Hausärzten ein Generationswechsel ansteht“, fordert Klaus Weckwerth, Zweiter Vorsitzender des Nürnberger Bündnisses gegen Depression. Mit Veranstaltungen wie dem jährlichen „Anti-Depressionstag“ sorgt der Verein dafür, dass das Thema in der Stadt auf der Tagesordnung bleibt, auch wenn die Modellphase längst ausgelaufen ist.

Das Bündnis ist zum Netzwerk geworden, das Ärzte, Therapeuten, Apotheker und viele andere an einen Tisch bringt. Sponsoren finanzieren die Arbeit. Immer, wenn er nach Geldgebern sucht, merkt der Vereinsvorsitzende Dr. Wolf-Dietrich Braunwarth jedoch auch, dass es noch Vorbehalte gibt und Firmen Angst haben, mit der Krankheit in Verbindung gebracht zu werden. Dennoch, Niklewski glaubt, dass mittlerweile viel offener über Depressionen gesprochen werden kann.

Bei der Aufklärung geht das Bündnis neue Wege: Betroffene können sich in einem Online-Diskussionsforum austauschen und sich via Internet im Selbstmanagement üben. Das Programm versorgt Patienten mit Tipps zur Tagesstrukturierung und ähnlichem. „Eine Therapie ersetzt das aber nicht“, so Heinz.

www.buendnis-depression.de