"Steinzeitkinder" im Erlanger Stadtmuseum

23.5.2012, 09:07 Uhr

© Bernd Böhner

Ich bin ein Steinzeitmensch“, ruft Abraham. „Gib mir auch eine Beere.“ Marion Wacker verteilt getrocknete Sanddornbeeren an alle Schüler, die ihr die Hände entgegenstrecken. „Igitt, schmeckt das bitter“, sagt einer. „Wie eine Erdnuss“, meint ein anderer. „Der Sanddorn wird auch Zitrone des Nordens genannt“, erklärt Wacker. „Weil er so viel Vitamin C enthält.“ Die Kinder, die vor 10000 bis 40000 Jahren in der Alt-Steinzeit gelebt haben, haben die Beeren vielleicht gegessen, um gesund zu bleiben. Die Schüler, die heute die Ausstellung „Steinzeit-Kinder“ im Erlanger Stadtmuseum besuchen, dürfen probieren, wie das damals geschmeckt hat.

Fühlen, hören, sehen, schmecken

Mit allen Sinnen entdecken die Schüler die Alt-Steinzeit. In der Felljacke kann es ganz schön warm werden. Das Lederzelt konnte für den Transport schnell zusammengeklappt werden.

Mit allen Sinnen entdecken die Schüler die Alt-Steinzeit. In der Felljacke kann es ganz schön warm werden. Das Lederzelt konnte für den Transport schnell zusammengeklappt werden. © Bernd Böhner

„Wenn man etwas mit allen Sinnen begreifen kann, dann bleibt es länger hängen“, sagt Marion Wacker. Zusammen mit ihrer Kollegin Eva Christ führt sie heute die Übergangsklasse der Erlanger Eichendorffschule durchs Museum. Wacker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Erlangen. Christ hat dort gerade ihr Magisterstudium abgeschlossen. Im letzten halben Jahr haben die beiden die Kinderausstellung aufgebaut, Infotexte geschrieben, Ausstellungsstücke ausgesucht und Hocker für kurze Kinderbeine gekauft. „Die meisten Museen richten sich an Erwachsene“, sagt Wacker. Das fängt schon damit an, dass viele Vitrinen zu hoch sind, als dass Kinder hineinschauen könnten. „Wir wollten diesen Abstand überwinden“, sagt die 29-Jährige. Anfassen und Mitmachen ist darum ausdrücklich erlaubt.

Jeder darf die Jacke anprobieren, die die Studenten genauso nachgenäht haben, wie es vor 10000 Jahren üblich war. Mit einem Kratzer aus Feuerstein haben sie die Haare vom Fell entfernt. Mit einer knöchernen Ahle Löcher ins Leder gestochen. Ein Hasenknochen diente als Nadel. „Wir sind in der Altsteinzeit und brauchen einen Faden. Was denkt ihr, woraus der gemacht ist?“, fragt Wacker. „Aus Pflanzen“, vermutet der zehnjährige Denzel. „Aus Haaren?“, fragt Andrés. „Pflanzen gab es nicht so viele, weil

es ziemlich kalt war“, erklärt Wacker. „Darum haben die Menschen Teile einer Sehne benutzt.“ „Einer was?“, fragt Andrés. „Mit der Sehne bewegt ihr eure Muskeln . Fühlt mal hinten an eure Ferse, da könnt ihr die Achillessehne spüren.“ In der Vitrine liegen die Fasern einer getrockneten Hirsch-Achillessehne als Nähfaden.

„Fühlt sich gut an“, sagt der elfjährige Kostas, als er die Steinzeit-Jacke anzieht. „Ein bisschen hart und kratzig.“ „Wird dir warm?“, fragt Wacker. Er nickt. Bis zu minus 50 Grad Celsius sank die Temperatur im Steinzeit-Winter. Getrocknetes Gras in den

© Bernd Böhner

Rentier-Lederschuhen hielt die Füße warm. Die Kleidung war für Kinder oft zu groß, da das Nähen lange gedauert hat und die Jacke mehrere Jahre passen sollte. Im Sommer trugen die Kinder nur einen Lendenschurz. Die ganze Familie wohnte in einem Zelt, das sie schnell auf- und abbauen konnte, um weiterzuziehen. „Stellt euch vor, ihr müsstet alle Sachen aus eurem Kinderzimmer immer mit euch herumtragen“, sagt die Mitarbeiterin.

Die Schüler lauschen Trommeln und erraten, welches Tierfell sich hinter einer Abdeckung verbirgt. Im Werkraum darf jeder ein Steinzeitmesser schnitzen. Dazu schleifen sie ein Stück Pappelrinde, bis keine Spreißel mehr abstehen. Marion Wacker rührt den Teer an, mit sie die Feuersteinklinge festklebt. „Ich bin ein Steinzeitmensch“, ruft Abraham. Und rennt grimmig blickend durchs Museum.

Die Ausstellung „Steinzeit-Kinder“ ist noch bis zum 29. Juli im Erlanger Stadtmuseum zu sehen. Am 8. und 29. Juli gibt es Aktionstage mit Vorführungen und Mitmachaktionen.
 

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