Über Stock und über Stein in Kambodscha

13.2.2015, 18:52 Uhr
Über Stock und über Stein in Kambodscha

© Julia Leykauf

Es ist noch früh am Morgen, als ich das kleine Boot in Battambang besteige, das mich nach Siem Reap bringen wird. Über provisorisch befestigte Stufen führt mein Weg zum Wasser hinunter - nicht lange dauert es, da finde ich mich neben einigen Gleichgesinnten auf einer der zugegebenermaßen etwas unbequemen Bänke wieder. An das aufdringliche Rattern des lauten Motors bin ich schnell gewöhnt - los kann die Reise also gehen: Auf nach Siem Reap, auf zu den beeindruckenden Tempelanlagen von Angkor!

Über Stock und über Stein in Kambodscha

© Julia Leykauf



Die malerische Landschaft des nordwestlichen Kambodschas sei doch so sehenswert, schwärmten Mick und Craig - die herzlichen Besitzer unseres Hostels in Sihanoukville - noch ein paar Tage zuvor. Aber die Straßenverhältnisse! Die Straßen nach Siem Reap seien so schlecht, das Boot die beste Lösung! Ein solcher Tipp eines hier nun schon seit einigen Jahren lebenden Pärchens klingt überzeugend, oder?

Schön war sie allemal, die sechsstündige Tour. Für die 20 Dollar allerdings, die ich dafür im Reisebüro meines Hotels gelassen habe, hätte ich vier Mal in den Bus steigen können, der die Strecke in nur fünf Stunden zurücklegt. Und seine Fahrt nicht elf Kilometer außerhalb der Stadt beendet.

Denke ich heute zurück an die vier Wochen Vietnam, an die 2200 Kilometer, die ich mit nahezu jeder Art von Bus Stück für Stück hinter mich gebracht habe, wäre dort ein Boot im Nachhinein tatsächlich eine angenehme Alternative gewesen. Genau dann denke ich nämlich zurück an Minibusse, die während der Fahrt nach Huế ein Rad verlieren, denke zurück an Sleeping Busses, deren Reifen auf der Fahrt nach Ho-Chi-Minh-Stadt platzen, denke an Schlaglöcher, an Holpern, Rattern, lautes Hupen - ja, denke zurück an so manch lang ersehnte Ankunft.

Über Stock und über Stein in Kambodscha

© Julia Leykauf



Unsere erste Fahrt in Kambodscha dagegen? Eine Wohltat! Ungewohnt ruhig bahnt sich der Reisebus seinen Weg von Phnom Penh nach Kampot. So tut es auch der Minibus, der uns einige Tage später nach Sihanoukville bringt. Unsere Weiterfahrt nach Battambang? Auch die war eine ruhige Nacht. Ganz ungewohnt, nicht im Fünf-Minuten-Takt vom energischem Hupen eines aufgebrachten Busfahrers aus dem Schlaf geholt zu werden. Und wie wir im Nachhinein schließlich erfahren: Ausgebaute Straßen natürlich auch auf dem Weg nach Siem Reap!

Gut möglich, dass sich Kambodscha in dieser Hinsicht an seinen westlichen Nachbarn hängt. In Thailand nämlich düsen wir schließlich auf mehrspurigen Highways auf Bangkoks Skyline zu. Halten an Raststätten, die mit 24-Stunden-Supermärkten einer japanischen Einzelhandelskette auf nächtliche Kundschaft warten - und fühlen uns plötzlich als hätten wir das wahre Südostasien schon lange hinter uns gelassen.

Dieses Gefühl verlässt mich auch nicht, als ich am nächsten Nachmittag durch die Straßen Chiang Mais schlendere. Mit dem Nachtzug habe ich die 700 Kilometer aus Thailands Metropole der Superlative in den wunderschönen, malerischen Norden zurückgelegt.
Als historische Kulturstätte Thailands wird es in den Reiseführern angepriesen, das gemütliche Chiang Mai.

Mein erster Eindruck? Ein Coffeeshop neben dem anderen, eine Galerie neben der nächsten - zahllose Märkte, die von Ständen dominiert werden, an denen Souvenirs aller Art die Oberhand gewonnen haben. Und einige Travel Agencies, die auf überladenen Werbetafeln Trekkingtouren und Kochkurse anbieten und sich so unter das Stadtbild mischen. Wenigstens die sind ganz im asiatischen Stile gehalten. "Kultur?", geht es mir ungläubig durch den Kopf, als ich mich mit zwölftausenddreihundertneunundachtzig anderen Touristen am Abend über die Sunday Walking Street schiebe und mir an einigen der unzähligen Essständen kleine Köstlichkeiten schmecken lasse.

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© Julia Leykauf



Klar gibt es sie, die Kultur, von der tripadvisor.com und mein Lonely Planet schwärmen. Chiang Mai fordert, mit offenen Augen durch seine Straßen zu laufen: Eine Stadt in der sich über einhundert buddhistische Tempel verstecken. Wats, die sich in ihrer einzigartigen Architektur gegenseitig übertreffen zu scheinen! Mich zieht besonders Wat Phra That Doi Suthep in seinen Bann: Schon seine einzigartige Lage auf dem Doi Suthep verrät es, nachdem die über 1500 Meter mit dem Motorroller erklommen sind: Vor mir tut sich eines der wichtigsten buddhistischen Zentren auf. Der Ausblick, der dort oben auf mich wartet? Atemberaubend! Genauso wie die 200 Stufen, die mich zu dieser beeindruckenden Anlage führen.

An eine kleine Idylle denke ich da ein paar Tage später zurück. Jetzt finde ich mich nämlich in einem der überteuerten Guesthouses der berühmt-berüchtigten Khao San Road wieder. Party, Alkohol und schrecklich westlicher Tourismus scheinen mir die Schlagwörter zu sein, die dieses Areal beherrschen. Kurios, dass man nur wenige Meter zu gehen braucht, um es zu verlassen und eine Bangkoks wirklich interessanter Seiten entdecken zu können!

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Noch am Vormittag steige ich in einen der vielen klapprigen Stadtbusse, die hier täglich hunderttausende Einheimische von A nach B bringen. Mein heutiges Ziel heißt Wongwian Yai: Eine derjenigen Haltestellen, an denen auch der Skytrain hält. Ein paar Meter über dem Erdboden rauscht er über Verkehrschaos und Großstadtgewimmel hinweg - und bringt mich innerhalb kürzester Zeit zu einer der überdimensionalen Shoppingmalls, die das Stadtbild rund um den Siam Square fest im Griff haben. Hier reihen sich Louis Vuitton, Burberry, Guess und Gucci aneinander - und während in der ersten Etage Makler ihre Luxusapartments an den Mann bringen, befinden sich im dritten Stock gerade einige smarte Herren der Automobilbranche im Verkaufsgespräch. Hinter ihnen? Wartet ein Rolls-Royce auf seinen neuen Besitzer. Der perfekte Ort also, um die High Society Bangkoks zu beobachten. Aus sicherer Entfernung natürlich, ich selbst fühle mich hier zugegebenermaßen wie ein dreckiger Tourist.

Bangkok ist riesig, Bangkok ist voll. So voll, dass sogar auf sechsspurigen Hauptverkehrsstraßen durch die Metropole immer Stau ist. Modernste Verkehrsführung, riesige Kreisverkehre, Ampeln, die auf großen LED-Leinwänden die Sekunden bis zum Umschalten zählen. Und trotzdem: Es stehen alle. Genauso wie die vielen Reisebusse, die sich am Straßenrand aneinanderreihen und auf ihre Touristengruppen warten. Und die? Die verstecken sich im Wat Phra Khaeo, im großen Palast, bestaunen den 45 Meter langen Buddha im Wat Pho, wuseln durch die engen Gassen der Chinatown oder lassen den Abend mit ein, zwei oder drei Cocktails in einer der Bars in der Khao San Road ausklingen. Je nach Angebot der Happy Hour eben. Doch es geht auch anders: Nur wenige Schritte braucht man zu gehen, schon lässt man den Massentourismus hinter sich...

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© Julia Leykauf



Nachdem die Must-Dos der Sehenswürdigkeiten abgearbeitet sind, mache ich mich noch am Nachmittag auf den Weg in Bangkoks Norden. Mache mich auf, den Stadtteil Dusit zu erkunden. Er scheint das Verwaltungszentrum der Hauptstadt zu sein: Die breite Ratchadamnoen Road - gesäumt von ausladenden, grünen Bäumen - führt direkt auf den königlichen Palast zu. Auch die Ministerien des Landes verstecken sich hier in prächtig anmutenden Gebäudekomplexen. In einem kleinen Café an einer der wenig befahrenen Straßen lässt sich hier der Trubel des Vormittags wunderbar vergessen...

Schon nach zwei Tagen lasse ich sie wieder hinter mir, die Metropole der Superlative: Meine Reise bringt mich in den Süden Thailands. Und während ich im Nachtbus Richtung Krabi sitze, mich über die Lautsprecher von asiatischer Musik beschallen lasse, aus dem Fenster blicke, draußen oberirdische Stromleitungen und überladene, bunt beleuchtete Werbetafeln vorbeiziehen sehe, da muss ich schmunzeln: Irgendwie ist es doch noch immer Asien.

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