Ehemaliges Milchhofgelände hätte besser genutzt werden können

16.9.2012, 22:00 Uhr
Ehemaliges Milchhofgelände hätte besser genutzt werden können

© Uwe Niklas

„Was hier entstanden ist, ist unser Lebensraum. Und den müssen wir nun über Jahrzehnte ertragen“, sagt Brigitte Sesselmann vom Verein BauLust, der Initiative für Architektur und Öffentlichkeit.

Ein solch großes Gelände ohne städtebaulichen Zusammenhang sei nach Paragraf 35 des Baugesetzbuches als Außenbereich zu behandeln und hätte nur mit einem qualifizierten Bebauungsplan erschlossen werden dürfen, sagt die freie Architektin. Mit dessen Hilfe hätte die Stadt z.B. öffentliche Durchgangswege, Grünflächen sowie eine Mischnutzung festschreiben können.

Stattdessen habe man zugelassen, dass das Gelände 2004 an das Münchner Industriebau-Unternehmen Dibag verkauft wurde, das die Grundstücke nach Belieben und mit Hilfe von Einzelgenehmigungen verwerten konnte. Ursprünglich habe die Dibag eine Mischnutzung mit Büros, Wohnungen, Hotel und Einzelhandel versprochen, so Sesselmann. Der dem Baureferat unterstellten Stadtplanung sei dabei kein Vorwurf zu machen. „Das wurde ganz oben entschieden“, sagt die Architektin bedeutungsvoll.

„Was empfinden Sie hier?“, fragt Sesselmann die rund 30 Zuhörer, die sich auf dem Parkplatz der Mercedes-Benz Niederlassung versammelt haben. Rundherum Autos und Werkstätten, grauer Asphalt und scharfkantiges Kopfsteinpflaster einer „bizarren Teststrecke“. Zum Kontrast zeigt Sesselmann die städtebaulichen Entwürfe der Hochschule Dresden mit viel Grün und urbanem Wohnraum.

Man könne ein Autohaus auch mehrstöckig bauen, einen Teil der Fahrzeuge im Innern unterbringen, Dach und Außenflächen begrünen, sagt Architekt Andreas Grabow, der das Tullnau Carrée entworfen hat. Die Architektur der Mercedes-Niederlassung sei zwar zur Straße hin hochwertig, auf der Rückseite aber nur noch kostenoptimiert.

„Hier werden am Ende ein paar Tausend Menschen arbeiten, die gut gestaltete Außenbereiche brauchen“, sagt Grabow mit Blick auf das ehemalige Milchhofgelände. Auch seine Planungen seien durch das Fehlen eines Bebauungsplanes behindert worden. „Wir wussten bei der Gestaltung von Gebäude und Freiflächen nicht, auf was wir Bezug nehmen können.“

Unklar bleibt auch die Zukunft des ersten Nürnberger Elektrizitätswerks, das von Oskar von Miller (1855–1934), dem Begründer des Deutschen Museums, errichtet wurde. Es versorgte 1896 etwa 1100 Kunden mit Strom. Trotz mehrerer Anläufe gelang es nicht, den Backsteinbau unter Denkmalschutz zu stellen.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in München setze offenbar andere Prioritäten, meint Heimatpflegerin Claudia Maué. Angeblich sei die Bedeutung des Elektrizitätswerks für die Nürnberger Industriegeschichte wegen seiner kurzen Betriebszeit zu gering. „Wir gingen davon aus, dass in dem restaurierten Gebäude eine Kindertagesstätte und ein Restaurant untergebracht werden“, sagt Andreas Krieglstein von der benachbarten VR Bank.

Nun befürchtet der CSU-Stadtrat, dass der Eigentümer Dibag auf Zeit spiele, bis die Bausubstanz so verfallen sei, dass das Gebäude abgerissen werden muss. Es gäbe durchaus Investoren, die sich für den Erhalt engagieren würden, wenn sie das Grundstück erwerben könnten.

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