Neuer Archäologieverein betreut Ausgrabungen

30.7.2012, 21:00 Uhr
Neuer Archäologieverein betreut Ausgrabungen

© Mathias Orgeldinger

Ein Grund dafür ist die Mittelalter-Grabung in der Lorenzer Straße. Sie hat das enorme Potenzial der „Leitungsarchäologie“ verdeutlicht und mit der Präsentation der Funde im Dienstleistungszentrum der Bauordnungsbehörde (DLZ Bau) konnte die Stadtarchäologie auch ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen.

Die archäologischen Funde aus dem mittelalterlichen Nürnberg wurden bisher vor allem von Mitgliedern der Abteilung „Archäologie des Auslandes“ innerhalb der Naturhistorischen Gesellschaft (NHG) bearbeitet. Das führte immer wieder zu Diskussionen über die Ausrichtung der Abteilung.

Im September 2011 wurde deshalb der „Nürnberger Archäologieverein“ gegründet, der sich in enger Zusammenarbeit mit der Bauordnungsbehörde um die Restaurierung von Keramik aus Nürnberger Grabungen kümmert. „Die Ergebnisse sollen künftig in regelmäßigen Abständen im DLZ Bau präsentiert werden“, sagt Stadtarchäologe John P. Zeitler.

Für den Bau einer 110-KW-Stromleitung musste die Lorenzer Straße auf etwa zwei Meter Breite und 100 Meter Länge aufgerissen werden. Die ehemalige Grabungsfläche ist momentan noch gut als grobkörniger Asphaltstreifen erkennbar.

Archäologische Arbeit mitten im Verkehrslärm

„Normalerweise wären die Arbeiten in dreieinhalb Wochen beendet gewesen. Wegen der vielen Funde hat es vier Monate gedauert“, sagt Melanie Langbein. Die freiberufliche Archäologin hat die Grabung in Personalunion geleitet und durchgeführt. „Allein unter Baustellen-Jungs.“ Und tatkräftig unterstützt von den Mitarbeitern der Leitungsbaufirmen Nibler und Höllrich.

Auch die Zusammenarbeit mit der N-Ergie habe hervorragend funktioniert, lobt Langbein. „Lohn der Angst“ in der engen, vom Verkehr umfluteten Grabung waren 34 Kisten mit Fundmaterial, darunter Unmengen von Schlacke aus der Eisen- und Buntmetallverarbeitung.

Neuer Archäologieverein betreut Ausgrabungen

© Brock

Entgegen der Annahme, dass der Straßenuntergrund längst durch die Kanalisierung, den Bau der Straßenbahn oder die Verlegung von Versorgungsleitungen umgegraben war, fand die Archäologin schon 75 Zentimeter unter der Straßenoberkante erstaunlich ungestörte Bereiche. Erhalten haben sich Erdkeller sowie Ofen- und Abfallgruben von Handwerkerhäusern, die um 1400 abgerissen wurden.

Die Gruben wurden damals verfüllt und die Straßenlinie zurückversetzt. Diese Front sei heute noch sichtbar, erklärt Zeitler. „Das Haus Lorenzer Straße 23 ist dendrochronologisch auf 1411 datiert.“

Aus einer Grube im Osten der Lorenzer Straße konnte Langbein zerschlagene Gussformen bergen, die von einem Rotschmied angefertigt wurden. So nennt man Handwerker, die Kupfer, Bronze oder Messing bearbeiten. Die Formen könnten zur Herstellung eines Kerzenleuchters gedient haben.

Gearbeitet wurde damals nach der Technik der verlorenen Form. Zunächst schuf der Rotschmied ein Modell des Leuchters aus Wachs. Dieses wurde mit Ton ummantelt und gebrannt, wobei das Wachs durch Kanäle ausfließen konnte. Den Hohlraum goss er anschließend mit flüssigem Messing aus.

Um den Leuchter zu befreien, musste die Tonform zerschlagen werden. Deshalb war jedes Werkstück ein Unikat. Trotzdem gab es im Mittelalter schon die Serienproduktion. Ein schönes Beispiel sind die Kruselerfiguren aus Ton, die man fast als Barbie-Puppen des Mittelalters bezeichnen kann. Sie tragen ihren Namen nach dem Kruseler, einem Schleier mit mehreren Reihen von Rüschen um Gesicht und Schulter.

Die Kopfbedeckung war zwischen 1350 und 1430 der letzte Schrei. Mit dem teuren Accessoire konnten die Damen ihre Finanzkraft demonstrieren, weshalb die Schleiertücher teilweise verboten wurden. Verständlich, dass jedes Mädchen unbedingt so eine Puppe haben wollte.

Melanie Langbein hat mit über 60 Exemplaren den größten Fund gemacht, der je außerhalb einer Kruselerpuppenwerkstatt entdeckt wurde.

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