Spaziergang durch den Stadtteil Hummelstein

4.2.2010, 00:00 Uhr
Spaziergang durch den Stadtteil Hummelstein

© Gerullis

Das Denkmal von Theodor von Cramer-Klett (1817–1884) an der Frankenstraße ist der Ausgangspunkt unseres Spaziergangs. Das Denkmal wurde zum 100-jährigen Firmenjubiläum (der Firma Klett) am 6. November 1939 in Auftrag gegeben. Da Bronze kurz nach Kriegsbeginn bereits nicht mehr frei verfügbar war wurde das Denkmal in Aluminium ausgeführt.

Cramer-Klett machte aus der von ihm 1847 nach dem Tod des Firmengründers Friedrich Klett übernommenen Maschinenfabrik eine Firma mit Weltgeltung und wurde dafür in den Adelsstand erhoben. Dampfmaschinen und Eisenbahnwaggons, aber auch Bahnhofshallen und Eisenbahnbrücken gehörten zu den herausragenden Erzeugnissen des Unternehmens. Durch Fusion mit der Maschinenfabrik Augsburg entstand 1898 die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (M.A.N.).

Die M.A.N. ist seit 1900 auf dem Gelände südlich der Frankenstraße ansässig. Ursprünglich befand sich das Unternehmen in Wöhrd, doch konnte dort das Firmengelände nicht mehr erweitert werden. Das neue Areal war wesentlich verkehrsgünstiger gelegen und verfügte über einen eigenen Bahnanschluss. Die M.A.N. fertigte hier Dampfmaschinen, Motoren, Lastwagen, Traktoren, Panzer, Schienenfahrzeuge und Turbinen.

In den ehemaligen Verwaltungsgebäuden der M.A.N. (1991 veräußert) befindet sich heute der Frankencampus, der unterschiedlichste Firmen beheimatet. Am Eingang zum Gebäude 152 steht ein interessantes Industriedenkmal. Es handelt sich dabei um eine Dampfmaschine mit zehn PS Leistung aus dem Jahre 1850 aus der Klett’schen Maschinenfabrik.

Wir überqueren nun an der Gotenstraße die Frankenstraße und erreichen die Eckhardstraße, die ein Teil der sogenannten Birkenwaldsiedlung ist. Die «Birkenwaldsiedlung», die sich zwischen der Franken- und der Sperberstraße befindet, wurde ab 1912 durch den Bauverein Schuckert’scher Arbeiter als «Gartenstadtsiedlung» nach englischem Vorbild errichtet.

Die 1896 gegründete Baugenossenschaft ist die älteste in Nürnberg und hatte bis 1908 in Steinbühl schon 100 Häuser errichtet. In der neuen «Birkenwaldsiedlung» nördlich der Frankenstraße wurden in den Jahren 1912/13 insgesamt 92 Wohnungen geschaffen. Die Häuser waren für diese Zeit hochmodern ausgestattet: es gab elektrisches Licht, Badezimmer und Spülklosetts. Außerdem gehörte zu jedem Haus ein Gartenanteil. Die Miete für diese Wohnungen betrug zirca 75 Prozent des damaligen ortsüblichen Mietpreises.

Die Siedlung wurde bis 1928 fertig ausgebaut und bestand insgesamt aus 191 Einfamilienhäusern und 174 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Siedlung bei Luftangriffen schwer beschädigt. Bis 1956 waren die Wiederaufbauarbeiten abgeschlossen.

Wir biegen nun links in die Sperberstraße und gleich wieder links in die Egonstraße ab. Das Flair wird hier überraschend italienisch. Der Wohnpark Toscano wurde auf dem früheren MAN Parkplatzareal errichtet und 2001 vollendet. Das Ensemble besteht aus 106 Eigentumswohnungen und einem Kindergarten mit Aktivspielplatz. Der italienische Einfluss findet sich sowohl in der Architektur als auch in der Namensgebung der Gebäude wieder.

Am «Casa Botticelli» vorbei erreichen wir das markante neue Stadtteilzentrum, den Südpunkt. Am 9. Januar 2009 eröffnete der Südpunkt (Forum für Bildung und Kultur) nach 20-monatiger Bauzeit als multifunktionales Freizeit-, Kultur- und Bildungszentrum in dem u.a. die Stadtteilbibliothek für die Südstadt, das Bildungszentrum Nürnberg (BZ) und das Amt für Kultur und Freizeit (KuF) untergebracht wurden.

Der rund 17 Millionen Euro teure Gebäudekomplex beinhaltet 30 Veranstaltungsräume, einen großen Saal mit Bühne, ein Lernzentrum («Lernpunkt») sowie ein Bistro. Der Neubau erfüllt den Passivhausstandard und umrahmt ein denkmalgeschütztes, generalsaniertes MAN-Arbeiterwohnheim aus dem Jahre 1899. Der Südpunkt ist als Kulturzentrum architektonisch einzigartig in Europa.

Nach rechts in die Sperberstraße gelangen wir zum Sperberschulhaus. Die Sperberschule (Baujahr 1914) stellte das letzte von insgesamt 26 Schulhäusern dar, die von der Stadt Nürnberg zwischen 1895 und 1914 errichtet wurden. Die Schülerzahlen waren durch die Bevölkerungsentwicklung stark gestiegen und hatten die Neubauten notwendig gemacht. Das Sperberschulhaus war für die damalige Zeit ein äußerst moderner Bau mit 57 Zimmern für Schulzwecke, zwei Turnhallen und einer Schulwerkstatt.

Die damals neu errichteten Schulgebäude wurden auch mit Duschräumen ausgestattet, um den desolaten hygienischen Verhältnissen entgegenzuwirken, unter denen viele Arbeiterfamilien aufgrund der vorherrschenden Wohnbedingungen litten. Die Schüler konnten in der Regel alle 14 Tage diese Einrichtungen nutzen. Klassenweise wurde nach einem besonders aufgestellten Stundenplan geduscht. Handtuch, Kamm und Seife sollten die Schüler hierzu mitbringen. An besonders bedürftige Schüler wurde Kernseife ausgegeben.

Durch den kleinen Garten nördlich der Schule (hier befand sich früher der «Arbeitsschulgarten») erreichen wir das Ziel unseres Rundgangs, das Hummelsteiner Schlösschen. Bereits vor über 500 Jahren gab es hier fünf Weiherlein, die die Stadt 1484 ihrem Juristen Nikolaus Hummel vermachte. Er errichtete dort ein «Lusthäuslein mit einem steinernen Fuß», das heißt ein Fachwerkhaus mit steinernem Erdgeschoss.

Im Zweiten Markgrafenkrieg (1552/54) wurde das Schlösschen zerstört, aber bald wieder aufgebaut. Seine heutige Gestalt erhielt das Schloss 1720 durch den damaligen Besitzer, den Arzt Michael Friedrich Lochner, der hier einen der schönsten Hesperidengärten Nürnbergs anlegte mit Zitrusfrüchten, aber auch pharmazeutischen Pflanzen. Aus dieser Zeit stammen auch die Steinfiguren an der Ostseite des Gebäudes, die die vier Jahreszeiten symbolisieren.

Um 1800 wurde der versumpfte Wassergraben trockengelegt und die Zugbrücke beseitigt. 1865 wurde das Schloss durch A. v. Heideloff, der von dem damaligen Besitzer Paul Howitz beauftragt wurde, neugotisch restauriert. Seit 1925 befindet sich das Anwesen im Besitz der Stadt Nürnberg. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt. Das Hauptgebäude ist seit dem Wiederaufbau vermietet. Im südöstlichen Türmchen mit Flachbau wurde 1995 das «Umweltpädagogische Zentrum» untergebracht. Bemerkenswert ist, dass trotz wechselnder Eigentümer der Name Hummelsteiner Schlösschen bis heute erhalten blieb.

Dem Konsul Paul Howitz gefiel sein letzter Wohnsitz so gut, dass er sich im Park bestatten ließ. Südlich des Schlosses befindet sich im Park seine Grabstätte. Ursprünglich befand sich der liegende Grabstein in einer kleinen Kapelle, die leider nicht mehr existiert.

Die Inschrift des Epitaphs lautet: «Ruhestätte des Kgl. Niederländischen Consuls Paul Howitz, geboren am 10. November 1811 in Rostock, gest. den 11. April 1880 als Besitzer des Hummelstein.»

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