Als der Kaiser streng vom Porzellan-Teller blickte

5.7.2014, 06:00 Uhr
Als der Kaiser streng vom Porzellan-Teller blickte

© Ehm

Knapp 15 Zentimeter lang ist das unscheinbare Metallstück, vorne spitz und nach hinten mit einem kreuzförmigen Heckflossenprofil versehen. Man könnte es für ein Werkzeug aus der Metallverarbeitung halten. Doch der Auftrag, den der beinahe grazil anmutende Eisenkörper hatte, galt keineswegs der Produktion von Waren, er war vielmehr mörderisch. In Kisten befanden sich die Pfeile an Bord von Zeppelinen und Doppeldeckern. Überflogen die Piloten Truppenverbände, wurden die Geschosse per Hand abgeworfen. Bedingt durch ihre Konstruktion, rasten sie, die Spitze voraus, nach unten. „Die Pfeile hatte eine solche Wucht, sie durchschlugen sogar Stahlhelme“, sagt Gemeindeheimatpfleger Alfred Strunz und dreht das Exponat dabei vorsichtig in den Händen. Allerdings war die Trefferquote so gering, dass die Flugzeuge stattdessen bald mit Maschinengewehren und Bomben ausgerüstet wurden: Effizienz beim Töten war wichtig.

Freilich sind es weniger diese Ausstellungsstücke, die die Besucher anrühren dürften. Karten und Feldpostbriefe haben die Ausstellungsmacher bekommen, diese machen Einzelschicksale greifbar. Etwa das von Johann Leonhard Kreß. Als Angehöriger der 39. Reservedivision zog der Kutscher, der in einem bäuerlichen Betrieb in Siegelsdorf gearbeitet hatte, in den Krieg. 1915 heiratete er Magdalena Weiß, die eine Tochter mit in die Ehe brachte. Im gleichen Jahr kam Sohn Michael zur Welt.

„Lieber Leonhard, Deine Karte habe ich erhalten, sende folglich zwei Pakete ab. Leonhard, wir sind alle gesund, hoffe dasselbe auch von Dir. Es grüßt dich herzlichst Deine liebe Frau nebst Kindern.“ Diese Zeilen schrieb Magdalena im August 1915. Ihr Mann steckte da im Schützengraben in den Vogesen. Vor Verdun, am Ende im Oberelsass und in Lothringen kämpfte Kreß mit seiner Einheit. Am 3. August 1918 fiel er in Frankreich. Genauere Umstände konnte Helga Frühwald vom Heimat- und Geschichtsverein nicht recherchieren, ebensowenig, wo sich das Grab befindet. Seine Frau blieb Witwe.

Eine reiche Quelle für die Stimmung in Veitsbronn bietet die handgeschriebene Kriegschronik von Pfarrer Keller, die sich im Landeskirchlichen Archiv befindet. Mühsam hat sich Helga Frühwald durch die Sütterlinschrift gekämpft. Bevor die ersten Freiwilligen und Einberufenen im August 1914 an die Front gingen, segnete der Kirchenmann sie im Gottesdienst ein, nicht ohne die Männer an ihre Pflicht fürs Vaterland zu erinnern. Ende des Monats war bereits der erste Gefallene zu beklagen, bis Weihnachten waren es neun, Ende des Kriegs dann 64. Je länger das Schlachten dauerte, desto schlechter war es um die Moral in der Gemeinde bestellt, das vermerkte auch der Pfarrer in seinen Aufzeichnungen. Weil die Frauen daheim über zu wenig Briefe klagten, wurde in der Kirchengemeinde beschlossen, den Männern im Feld zu Festtagen wie Ostern oder Weihnachten zu schreiben.

Rund 200 Feldpostbriefe hat der Heimatverein erhalten, rund zwei Drittel davon aus Veitsbronn. Daneben viel „Kriegs-Porzellan“. Da blickt Kaiser Wilhelm II heroisch von einem Teller. Ein anderer, auf dem sich zwei Soldaten gegenüberstehen, kündet davon, dass die Manöver 1914/1915 in Frankreich stattfänden. Eine regelrechte Andenken-Industrie kam in den Kriegsjahren auf, zur Abnahme dieser Produkte wurden die Soldaten quasi verpflichtet, wovon ebenfalls Klagen in der Korrespondenz mit der Heimat künden.

Krüge und Pickelhaube

Beliebter waren dagegen Reservistenkrüge als Erinnerung an die Militärzeit, auch davon sind einige Exemplare zu sehen. Wodurch sich Originale von Fälschungen unterscheiden, zeigt Alfred Strunz an einem Exponat. Wer in den Krug hineinschaut und das Stück dabei gegen eine Lichtquelle hält, entdeckt am Boden ein Relief, oft einen Soldaten mit seiner Liebsten.

„Wir können alles zeigen, was wir bisher bekommen haben“, sagt der Gemeindeheimatpfleger. Orden und Urkunden werden dabei sein. Helme, unter anderem eine Pickelhaube, aber auch Waffen, wie ein Karabiner Modell 98 oder eine Eierhandgranate. „Alles unbrauchbar gemacht und daher legal“, sagt Strunz, der zu gerne eine Uniform gezeigt hätte. Doch bisher hat sich kein Leihgeber gefunden.

Allerdings kennt Strunz seine Veitsbronner. Wenn am 6. Juli die Ausstellung eröffnet wird, kommt bestimmt der eine oder andere mit einer Tasche vorbei, um noch etwas beizusteuern. Und vielleicht ist dann auch noch so ein kurioses Stück dabei wie jenes Bajonett, das in der Ausstellung zu sehen sein wird, auf den ersten Blick aber überhaupt nicht mehr als solches zu erkennen ist. Umgearbeitet zu einem Kerzenständer, hat das Mordwerkzeug seinen Schrecken verloren – Entmilitarisierung anno 1918.

Sonderausstellung „1. Weltkrieg“ im Heimatraum Veitsbronn. Sonntag, 6. Juli, 18 bis 20 Uhr, Samstag, 2. August, 11 bis 14 Uhr. Sonderführungen bis 31. August für Gruppen nach Vereinbarung. Info und Anmeldung bei Alfred Strunz, Tel. (09 11) 97 79 44 88.

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