Altersarmut im Nürnberger Land nimmt weiter zu

15.1.2014, 10:44 Uhr
Größter Kostenpunkt in der Sozialhilfe bleiben die Zuschüsse für Hartz-IV-Empfänger, die für die Grundsicherung sind dank der 100-prozentigen Übernahme durch den Bund weggefallen. Die freiwillige Förderung von Vereinen und Organisationen macht nur rund ein Prozent aus. Grafik: Landratsamt

Größter Kostenpunkt in der Sozialhilfe bleiben die Zuschüsse für Hartz-IV-Empfänger, die für die Grundsicherung sind dank der 100-prozentigen Übernahme durch den Bund weggefallen. Die freiwillige Förderung von Vereinen und Organisationen macht nur rund ein Prozent aus. Grafik: Landratsamt

Abteilungsleiter Wolfgang Röhrl erläuterte bei den Haushaltsberatungen des Kreistags-Ausschusses für soziale Fragen weiter, dass über 80 Prozent der Summe auf den Bereich Hartz IV entfallen - mit 8,49 Millionen Euro (Kreisanteil: 6,04 Millionen) veranschlagt Röhrl dafür noch einmal eine halbe Million mehr als im Vorjahr.

Das liegt zum einen an der „völlig überraschenden“ (Röhrl) Zunahme der Bedarfsgemeinschaften - trotz „stabiler Wirtschaft und Wachstum“ sei deren Zahl nach konstantem Rückgang in den vergangenen Jahren um 98 auf 2049 gestiegen, die Ausgaben entsprechend von 6,9 auf 7,5 Millionen Euro.

"Verhärtete Arbeitslosigkeit"

Für Röhrl ein klares Indiz für eine sich „verhärtete Arbeitslosigkeit“, bei der Langzeitarbeitslose von neu geschaffenen Stellen kaum oder gar nicht profitieren. Die Situation dürfte sich in diesem Jahr eher weiter verschärfen, vermutet Röhrl.

Sorgen bereiten ihm auch die hohe Zahl an so genannten „Einkommensergänzern“, also Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen (Mini-Jobs, Billiglöhne, Teilzeitarbeit), die zwar arbeiten, denen ihr Gehalt aber nicht für den Lebensunterhalt reicht, und „Aufstocker“, deren Arbeitslosengeld I zu gering ausfällt. Zusammen sind das inzwischen 771 Haushalte. Zudem schlagen die um neun Euro gestiegenen Regelbedarfsstufen mit rund 350.000 Euro zu Buche.

Angela Henke, Vorsitzende der Caritas Nürnberger Land, appellierte in diesem Zusammenhang an die Ausschussmitglieder, die Mietobergrenzen nach dem Vorbild von Nürnberg anzuheben: „Die Werte passen nicht mehr, die Menschen finden einfach keinen Wohnraum.“ Laut Röhrl orientieren sich die Sätze an der Wohngeldtabelle, weil für das Nürnberger Land kein verbindlicher Mietenspiegel existiert. Landrat Armin Kroder lud Henke zu einem Gespräch ein, um eine Lösung zu suchen.

Die Bildungs- und Teilhabeleistungen wurden im vergangenen Jahr von 1033 Bedarfsgemeinschaften abgerufen (plus 21), rund 250.000 Euro muss der Kreis von diesen Kosten für Schulausflüge, Schulbedarf oder Nachhilfe übernehmen.

Bund übernimmt Grundsicherung im Alter

Eine spürbare Entlastung für den Kreishaushalt ergibt sich bei der „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“, die ab diesem Jahr der Bund zu 100 Prozent übernimmt. Das sind immerhin 2,7 Millionen Euro. 2013, als der Bund „nur“ 75 Prozent übernahm, musste der Kreis dafür noch 589.000 Euro einplanen. „Das ist eine Geschichte, die positiv für uns läuft“, sagte Röhrl.

Weniger rosig beurteilte er dagegen die Schicksale, die sich hinter den nackten Zahlen verbergen. So ist die Zahl der Menschen, die auf diese Unterstützung angewiesen sind, binnen zwölf Monaten von 492 auf 565 gestiegen. 263 von ihnen (2012: 243) sind erwerbsunfähig (etwa wegen einer Schwerbehinderung), die übrigen 301 (2012: 249) sind Senioren, deren Rente zu klein ausfällt, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

„Die Altersarmut ist nun also auch bei uns angekommen“, sagte Röhrl. Und die Zahlen dürften weiter steigen, weil viele vor dem Ruhestand lange in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt waren und eine lange ALG I und II-Karriere hinter sich haben. Aber auch Selbstständige tauchen hier vermehrt auf - „teure Fälle“ (Röhrl), vor allem wegen ihrer privaten Krankenversicherung.

Pflichten des Landkreises

Zu den Pflichtaufgaben des Landkreises gehören die „Hilfen zum Lebensunterhalt“, die Röhrl mit 279.000 Euro angesetzt hat, nachdem die Zahl der Bezieher wegen mehr bewilligter Renten auf Zeit von 58 auf 73 deutlich gestiegen ist - soviel wie nie zuvor. Zunehmen werden auch die Ausgaben für ambulante Pflegeleistungen von Diakonie, Caritas und anderen Trägern, Essen auf Rädern oder den Hausnotruf. Zwar waren darauf 2013 weniger Menschen (35 statt 40 im Jahr 2012) angewiesen, doch die Kosten gingen wegen geänderter Pflegestufen um fast 40.000 Euro auf 408.000 Euro nach oben.

125.000 Euro lässt sich der Landkreis die Schuldnerberatung kosten, die vom externen Institut ISKA angeboten wird. Zwei Mal in der Woche stehen die Berater im Job-Center in Lauf Rede und Antwort. 244.000 Euro stellt der Kreis für die Förderung ambulanter Pflegedienste zur Verfügung - um so der demographischen Entwicklung gerecht zu werden und eine „bedarfsgerechte ambulante Versorgungsstruktur“ zu gewährleisten.

Neben diesen Pflichtaufgaben gewährt der Landkreis Vereinen und Organisationen, die auf dem Gebiet der Sozialhilfe tätig sind, auch in diesem Jahr freiwillige Zuschüsse von 83.700 Euro. Die beiden Hospizvereine im Nürnberger Land bekommen 1250 Euro, die Tafel 2340 Euro - alles zusammen ein Prozent des gesamten Sozialetats.

Keine Kommentare