Altersarmut: Immer mehr Menschen müssen aufstocken

16.1.2015, 11:07 Uhr
Wenn am Ende des geldes noch zuviel Monat übrig ist: Immer mehr Senioren im Landkreis reicht die Rente nicht zum Leben.

Wenn am Ende des geldes noch zuviel Monat übrig ist: Immer mehr Senioren im Landkreis reicht die Rente nicht zum Leben.

„Eine überraschende und beunruhigende Entwicklung“ hat Wolfgang Röhrl, Amtsleiter für Sozialwesen und besondere soziale Angelegenheiten, im Landkreis ausgemacht. Er erläuterte im Kreisausschuss die Statistik der vergangenen Jahre und ging auf die erwarteten Ausgaben für das Jahr 2015 ein. Kopfzerbrechen bereitet Röhrl die gestiegene Zahl der Aufstocker. „Aufgrund der Schwerpunktsetzung der Bundespolitik und der medialen Berichterstattung könnte sich der Eindruck aufdrängen, dass das Thema Asyl die einzige soziale Baustelle wäre“, so Röhrl einleitend. Diese Schwerpunktlegung kann er nicht nachvollziehen.

Altersarmut, Hartz IV, Pflegenotstand sowie ambulante und stationäre Hilfe zur Pflege verlieren für ihn nicht an Brisanz – im Gegenteil. Diese Bereiche sind es, die finanziell zu Buche schlagen. Wie gewöhnlich, liegt der größte Posten im Haushalt des Landkreises im Bereich Jugend und Soziales. Fast die Hälfte seines Ausgabenetats stellt das Nürnberger Land dafür bereit, genau genommen 43,8 Millionen der veranschlagten 107 Millionen Euro. Der größte Zuschussbedarf besteht im Bereich Hartz IV – mit satten 81 Prozent. Dabei handelt es sich konkret um die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung, für Wohnungsbeschaffung, Mietkaution, Umzug und für einmalige Beihilfen.

Von 2012 bis 2014 ist die Anzahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften um 125 auf 2.084 gestiegen. Dabei hatte sich seit 2006 eigentlich schon ein kontinuierlicher Rückgang abgezeichnet. Eine beunruhigenden Entwicklung, sagt Röhrl, präsentiere sich die Wirtschaft im Nürnberger Land doch überaus stabil und erfolgreich, etwa mit einem Rekordniveau an versicherungspflichtigen Beschäftigten.

Das Problem liegt bei denjenigen Erwerbstätigen, die zwar arbeiten, aber davon nicht leben können. Aufstocker machen über ein Drittel aller Bedarfsgemeinschaften aus. Damit liegt der Landkreis im bundesweiten Trend. Insgesamt sind 880 Bedarfsgemeinschaften im Nürnberger Land neben ihrem Einkommen auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen. Landrat Armin Kroder sieht in diesen Zahlen ein weiteres Argument für den Mindestlohn, wie er im Ausschuss betonte. Aufgrund verschiedener Erhöhungen für Wohngeld und der Regelbedarfsstufen, hat sich der Haushaltsansatz um 450.000 Euro auf 8,4 Millionen Euro deutlich erhöht. Der Zuschussbedarf beläuft sich nach Abzug der Einnahmen (hauptsächlich Zuschüsse durch den Bund) auf 5,9 Millionen Euro.

Wenn die Rente nicht reicht

Ebenfalls erhöhte Fallzahlen vermeldet Röhrl für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, im Jahr 2013 lag sie bei 565 Leistungsbeziehern, im vergangenen Jahr bei 629. Damit verfestigt sich im Landkreis auch der Bundestrend zu einer zunehmenden Alterarsmut – „dem wir bis einschließlich 2012 getrotzt haben“. Die prekären Beschäftigungsverhältnisse mit einem Gehalt knapp über dem Sozialhilfeniveau tragen verstärkt dazu bei, dass die Renten zu mickrig ausfallen, ist Röhrl überzeugt.

Altersarmut: Immer mehr Menschen müssen aufstocken

Ein Monatsgehalt von 2700 Euro ist nötig, um später nicht auf Sozialhilfeleistungen angewiesen zu sein. Der Bereich „Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“, wie es im Amtsdeutsch heißt, ist für Röhrl nicht nur der Aufgabenschwerpunkt des vergangenen Jahres, sondern dieser Trend setzt sich auch 2015 fort. Die Zahl der gestiegenen Asylanträge ist seit 2011 „geradezu exorbitant gestiegen“, um ganze 340 Prozent, berichtet der Amtsleiter. Unter enormem Zeitaufwand und Anstrengungen, Verhandlungsgeschick und Verhandlungsglück sei es bis Ende des vergangenen Jahres gelungen, etwa 810 Asylbewerber an 24 Standorten im Landkreis unterzubringen.

Röhrl rechnet für das Jahr 2015 mit einer Steigerung der Asylbewerberanzahl. Derzeit sei das Amt mit der Unterbringung im Rückstand: 181 Personen mehr müsste der Landkreis derzeit eigentlich unterbringen, um die Quote zu erfüllen. Um diesen Umstand zu ändern, hat das Landratsamt einen Kraftakt unternommen: Weitere 460 Plätze in elf Wohneinheiten sind vertraglich bereits zugesichert, weitere 180 Plätze stehen in Gemeinschaftsunterkünften zur Verfügung. „Mit weiteren Immobilieneigentümern laufen intensive Verhandlungen“, sagt Röhrl. Kosten entstehen dem Landkreis durch die gestiegene Zahl an Asylbewerbern kaum. Die Ausgaben haben sich zwar in diesem Bereich von 4,84 Millionen Euro im Jahr 2014 auf für heuer kalkulierte 10,7 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Doch es handelt sich um einen durchlaufenden Posten. Der Kreishaushalt wird durch diese Summen nicht belastet, da die Regierung von Mittelfranken die Kosten zu 100 Prozent ersetzt. „Vom Landkreis sind die Personal- und Sachkosten und der freiwillige Zuschuss zur Asylsozialarbeit aufzubringen“, berichtet Röhrl. Drei seiner 30 Mitarbeiter seien allein mit dem Thema Asyl betraut. Heuer sind noch zwei weitere Vollzeitkräfte hinzugekommen. Kroder hofft zudem auf personelle Unterstützung der Ehrenämtler, die die Flüchtlinge bei Bürokratiefragen unterstützen. Für ihn stellen die Asylbewerber eine Chance dar, für den Landkreis stelle sich deshalb die Aufgabe der Integration, um den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel einzudämmen. Die Ausschussmitglieder empfahlen dem Kreistag einstimmig, den Haushalt zu bewilligen.

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