Auf der Überholspur zum Lernerfolg

21.5.2012, 00:00 Uhr
Auf der Überholspur zum Lernerfolg

© Harald Sippel

„Es muss schon alles original sein.“ Obwohl seine Modellautos nur aus Papier und Tesafilm sind. Der Innenraum gleicht in allen Details dem der Vorbilder und wer die Motor- beziehungsweise Heckklappe öffnet, sieht die Motorblöcke und deren Belüftung.

„Fabio ist technisch begabt“, sagt Bettina Harder, stellvertretende Direktorin der Landesweiten Beratungs- und Forschungsstelle für Hochbegabung (LBFH), die es seit Mai an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät in Nürnberg gibt. Zusammen mit einer Kollegin hat sie Fabio getestet und teilt ihm und seiner Mutter die Ergebnisse mit. „Wir erklären das jetzt dir“, sagt Harder, „dann verstehen es wahrscheinlich die Erwachsenen auch.“ Sie möchte nicht, dass über ein Kind geredet wird, sondern mit ihm.

In dem Test musste Fabio Buchstaben- und Zahlenreihen ergänzen, Symbole anstreichen, die nicht zu den anderen gepasst haben, und seine Lernmotivation selbst einschätzen. „Eine besondere Stärke hast du bei der visuellen Gliederungsfähigkeit“, erklärt Harder. „Das heißt, du hast die falschen Buchstaben schnell gefunden.“ – „Ja, das war leicht“, erinnert sich Fabio. Laut Testergebnis hat er ein gutes Bild von sich und seinen Fähigkeiten. Er lernt, weil ihn etwas interessiert und er mehr darüber wissen möchte. Außerdem zeigt er eine durchschnittliche Tendenz zur Arbeitsvermeidung. „Da bist du wie ein normaler Viertklässler“, sagt Harder. „Das ist auch einfach menschlich“, dass man zusätzliche Arbeit, wenn möglich, vermeidet.

In Mathe lernt Fabios Klasse gerade Geteiltrechnen in der Schule. „Aber das kann ich schon“, sagt er. Darum ist ihm manchmal langweilig und er lässt sich jede Menge Blödsinn einfallen. Er steht dann auf und läuft herum oder ärgert andere Kinder. Oft hat seine Mama schon wütende Anrufe der Lehrerin bekommen.

„Wir bekommen häufig Anfragen von Eltern, die das Gefühl haben, ihre Kinder seien in der Schule unterfordert“, sagt Harder. Hochbegabte können Neues schneller aufnehmen als ihre Altersgenossen. Es fällt ihnen leicht, sich den Lernstoff einzuprägen. Trotzdem haben sie nicht zwangsläufig gute Noten in der Schule, denn eine Unterforderung kann auch zu Lustlosigkeit und Lernverweigerung führen. „Nicht nur die persönlichen Eigenschaften des Kindes sind wichtig, sondern auch das Umfeld“, sagt Bettina Harder. Hochbegabung bleibt oft unentdeckt. „Jemanden als hochbegabt zu bezeichnen, bringt gar nichts“, meint die Expertin. Jeder Autor, jede Theorie hätte eine andere Definition dafür, wer als hochbegabt gelte. „Wir weisen in der Beratungsstelle niemanden ab, weil er einen durchschnittlichen Intelligenz-Quotienten hat“, sagt sie. Vielmehr stellt die Beratungsstelle fest, welche Lernwege für welches Kind am besten geeignet sind. Wo Potenziale liegen, die es zu fördern gilt. Der Test, die Beratung und ein abschließender schriftlicher Bericht sind kostenpflichtig.

Fabio steht an der Grenze zur Hochbegabung. „Wenn du lernst, bist du der Fahrer“, sagt Harder zu Fabio. „Du hast das Lenkrad in der Hand und entscheidest, welcher der richtige Weg ist.“ Eltern und Lehrer sind in diesem Szenario die Beifahrer, die sagen, „Achtung! Da vorne kommt was.“ Als Nächstes liegt der Übertritt auf eine weiterführende Schule auf dem Weg. Harder fragt Fabio, auf welche Schule er nach der vierten Klasse am liebsten gehen würde. „Auf die Real“, sagt der Zehnjährige. Seine Mama hat ihn dort schon angemeldet. „Da ist es leichter“, sagt er. Am Ende schenkt Fabio den beiden Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle seinen selbstgebauten VW Käfer. „Zum Andenken, den fanden Sie doch so schön.“ Außerdem habe er dann wieder mehr Platz in seiner Garagenkiste für neue Modelle.

Weitere Informationen erhalten Sie unter 0911/53021885 oder im Internet auf www.lbfh.uni-erlangen.de

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