Ausstellung über NS-Kultstätte Hesselberg

21.9.2010, 19:45 Uhr
Ausstellung über NS-Kultstätte Hesselberg

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Der Berg gehörte ihm nicht, aber er tat so. Auf ihm feierte Julius Streicher, der mittelfränkische NSDAP-Gauleiter mit dem Ehrennamen „Frankenführer“, sich selbst und den Antisemitismus am lautesten. Einmal im Jahr, im Juni, diente Streicher der knapp 700 Meter hohe Hesselberg in der Nähe von Wassertrüdingen als „Predigtplatz“. Zu seinen „Frankentagen“ kamen von 1933 bis 1939 jährlich bis zu 100.000 Zuschauer aus ganz Süddeutschland. Dann beendeten der Krieg und Streichers parteiinterne Entmachtung die Spektakel.


In keiner anderen Gegend des Reichs wurde der Nazi-Volksgemeinschaftskult ähnlich stark regionalpatriotisch zelebriert. Vom Frankentag-Wochenende schrieb man sich begeistert Ansichtskarten. Denn die politische Botschaft war in eine Mischung aus Gottesdienst und Volksfest gepackt. Auf Sonnwendfeuer folgten Sport- und Tanzdarbietungen; Kosakenreiter, Brieftauben, Musik und Feuerwerk belustigten die Menge. Zweimal hielt Hermann Göring die Kundgebung, einmal Robert Ley. Hitler besuchte nur einmal die Vorgänger-Veranstaltung 1930.


Wie der Frankentag das mythische Format eines Miniatur-Reichsparteitags erreichen konnte, zeigt der Komm-Bildungsbereich in seiner Ausstellung „Der Hesselberg – Ein ,heiliger‘ Ort der Täter“. Kompakt skizzieren Fotografien, Texte und Tondokumente den Werdegang des seit Beginn des 19. Jahrhunderts beliebten Ausflugs- und Versammlungsziels. Streicher trat auf dem Berg erstmals 1926 auf und nutzte ihn bereits 1928 für eine Judenhass-Rede.
 

„Verwunderlich und bemerkenswert“ sei es, dass das Phänomen Hesselberg nach dem Krieg aus allen Gedächtnissen verschwunden zu sein schien, sagt Kurator Matthias Dachwald. Die Volkshochschule der evangelischen Kirche, die sich 1951 auf dem Berg niederließ, griff erst in jüngster Zeit die Vergangenheit auf – und nur im Internet. Auch Thomas Greif kann viel von Verdrängung berichten. Der Nürnberger Historiker und Journalist war vor zehn Jahren der erste, der sich wissenschaftlich detailliert mit dem Hesselberg beschäftigte. Seine 2007 erschienene Doktorarbeit über „Frankens braune Wallfahrt“ bildet die Grundlage der Ausstellung. „Man kann nicht so tun, als wäre da nichts gewesen.“

Als Beleg dafür, wie widerstrebend sich Teile der Region mit ihrer lokalen NS-Tätergeschichte befassen, wertet Greif das alte Königsdenkmal auf dem Hesselberg. 1856 errichtet, wurde es auf Geheiß der NSDAP 1936 gesprengt – und vergessen. Die mögliche Wiedererrichtung hielte Greif für geeignet, um mit einer „dauerhaften didaktischen Auseinandersetzung“ zu beginnen.


Er und die Kuratoren hätten ihre Schau – als Wanderausstellung geplant – gern zuerst am Originalschauplatz gezeigt. Doch das Evangelische Bildungszentrum Hesselberg lehnte sie ab. Auch bei den rund 25 angeschriebenen Museen in Franken blieb die Begeisterung aus. Im Moment zeigen sich nur Dinkelsbühl und Gunzenhausen ernsthaft interessiert.


Bis 7. November, KunstKulturQuartier, Königstraße 93, Di.–So. 10–18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr. Eintritt frei. www.komm-bildungsbereich.de