Bei Noteinsatz: Rettungsdienstmitarbeiter in Fürth beklaut

30.3.2018, 18:46 Uhr
In einem Rettungswagen wie diesem aus Fürth wurde der Rettungsassistent wohl beklaut.

© ToMa In einem Rettungswagen wie diesem aus Fürth wurde der Rettungsassistent wohl beklaut.

Sonntagmorgen, Einsatz im Fürther Westen. Der Rettungsdienst wurde alarmiert, ein Notfall - jetzt kann es um Sekunden gehen. Mitarbeiter des Bayerischen Roten Kreuz (BRK) versorgen den Patienten, fahren ihn in eine Klinik. Als sie ihn in ärztliche Betreuung geben, bemerkt einer der Retter: Sein Rucksack mit persönlichen Gegenständen wurde geklaut. Die Tür des Rettungswagen war geschlossen, allerdings nicht zugesperrt - und ein unbekannter Mann hat ihn offenbar während eines Noteinsatzes beklaut. 

"So etwas würde mir im Leben nicht einfallen", erklärt der BRK-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Sein Aufruf auf Facebook wurde Hundertfach geteilt. "Unglaublich", schreiben dort Nutzer, "wie asozial ist die Menschheit nur geworden". Der beklaute Rettungsassistent appelliert in sozialen Netzwerk an den Dieb, zumindest seine Karten auf die Fürther Wache zu bringen - "das Geld kannst Du behalten". Eine Reaktion hat er bislang noch nicht bekommen und deshalb jetzt Anzeige bei der Polizei erstattet.

"Das ergibt eine Quote von 0,008 Prozent" 

Jens Forstmann, Pressesprecher beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK), spricht von einem absoluten Einzelfall. Zwar liegen keine gesicherten Daten zu Diebstählen bei Rettungsdienstmitarbeitern im Freistaat vor, man gehe aber davon aus, dass solche Vorfälle eine Randerscheinung sind.

Zahlen gibt es jedoch bei der Gewalt gegen Rettungskräfte, die von Medien immer wieder gerne aufgegriffen wird. Im vergangenen Jahr habe es 150 Fälle beim BRK gegeben - eine Zahl, die man aber im richtigen Verhältnis sehen müsse, betont Forstmann. "Bei 1.877.939 Einsätzen im Rettungsdienst ergibt das eine Quote von 0,008 Prozent." Der BRK-Sprecher spielt den Ball zurück zu den Medien: "Jeder Fall ist einer zu viel, doch durch eine intensive Berichterstattung werden daraus gefühlt mehr." 

"Konsequentere Anwendung der Rechtsmittel notwendig" 

Experten vermuten bei den Übergriffen eine deutlich höhere Dunkelziffer. Erst wenn es sich um gravierende Vorfälle, etwa mit Verletzungen oder besonders dreiste und aggressive Übergriffe handle, informieren die Betroffenen ihre Vorgesetzten. Anzeigen bei der Polizei sind noch seltener. Eine Umfrage unter rund 600 Rettungsdienstmitarbeitern ergab etwa im vergangenen Jahr, dass im Schnitt jeder Dritte "sehr oft verbale Gewalt", jeder Zehnte häufig physische Gewalt im Dienst erlebt hat. (Hier sehen Sie die genauen Zahlen, aus "Was belastet Mitarbeiter im deutschen Rettungsdienst" von Marc Lechner)

Bei Noteinsatz: Rettungsdienstmitarbeiter in Fürth beklaut

© privat

Auch Nürnbergs Retter haben immer wieder mit fehlendem Respekt zu kämpfen. Erst kürzlich rollte ein Autofahrer einem BRK-Mitarbeiter über den Fuß, weil der seinen Rettungswagen nicht umparken konnte. Im Wagen selbst lief eine Reanimation, nachdem ein Mann zuvor kollabiert war. All das ging dem Anwohner, der in in unmittelbarer Umgebung wohnte, nicht schnell genug, weshalb er den Rettungsassistenten anging und einfach weiter rollte. 

Mittelfinger und andere abwertende Gesten 

Selbst beim Fahren mit mit Blaulicht und Sirene wird Rettungskräften gelegentlich der Mittelfinger oder ein Vogel gezeigt - weil sie zu laut sind oder sich Passanten gestört fühlen. "Unverständlich und total absurd, schließlich könnten wir ja gerade auf dem Weg zu einem verunfallten Verwandten dieser Person sein", sagt ein BRK-Mitarbeiter kopfschüttelnd.

Beim Roten Kreuz hat man Ideen, wie man die Situation verbessern könnte. Man wünsche sich, so Pressesprecher Forstmann, eine positivere Darstellung, die zu einem besseren Image und zu breiterer Akzeptanz der Retter führe. Zudem setzen die Verantwortlichen auf spezielle Deeskalationstrainings für Mitarbeiter, in Unterfranken gab es bereits entsprechende Kooperationen und Schulungen zwischen Polizei und BRK-Mitarbeitern.

Doch auch die Justiz sei gefordert. "Eine konsequente Anwendung der bereits vorhandenen Rechtsmittel ist notwendig", sagt Forstmann. "Eine Einstellung der Verfahren wegen mangelndem öffentlichen Interesse ist nicht nachvollziehbar." Bis dahin haben Retter wohl weiter mit aggressiven Passanten zu kämpfen. 

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