Bewährte Begleiter ins Berufsleben

21.7.2014, 13:00 Uhr
Bewährte Begleiter ins Berufsleben

© Thomas Scherer

Unter Ihrer Regie ist aus einer kleinen Initiative in Cadolzburg eine Organisation an 25 Schulen in Mittelfranken geworden. Sie haben deutschlandweit Coaching-Projekte angestoßen. Im Landkreis Fürth treffen sich derzeit an die 80 Ehrenamtliche einmal die Woche mit einem Teenager, um ihn auf dem Weg in eine berufliche Ausbildung zu begleiten. Wie läuft’s?

Held: Organisatorisch sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es ohne professionelle Struktur nicht mehr geht. Die 80 Tandems an den Landkreis-Mittelschulen zu koordinieren, schaffe ich gerade noch. Doch um dem Bedarf gerecht zu werden, bräuchten wir 240 Coaches. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind 30 Prozent der Heranwachsenden im Alter von 14 bis 16 Jahren nicht mehr in der Lage, die Alltagsaufgaben zu bewältigen. Zwar liegen die Zahlen bei uns im Landkreis darunter, doch mehr Hilfe bräuchten auch wir.

Ihr Engagement ist ehrenamtlich. Ganz despektierlich gefragt: Wozu brauchen Sie Geld?

Held: Ich bin gern bereit, aus 80 Tandems 240 zu machen, doch allein schaffe ich es nicht, so viele Menschen zu mobilisieren, zu qualifizieren und zu begleiten. Deshalb freut es mich ungemein, dass Jugendamt und Politik vor Ort diese Arbeit nicht mehr allein Ehrenamtlichen überlassen wollen, das ist bayernweit einmalig.

Welche Erfahrungen haben Sie denn bisher gemacht?

Held: Ich war schon überall, bei Beckstein, Seehofer, Stamm, jüngst bei Daniela Schadt, der Lebensgefährtin unseres Bundespräsidenten. Alle klopfen mir auf die Schulter und sagen, mach’ weiter so, doch sie haben kein Geld übrig. Jedes Jahr geben wir 24 Milliarden Euro in Deutschland für Sozialleistungen aus, die Hälfte davon ist rausgeworfenes Geld, weil man einen Menschen, der mit 16 Jahren keine Wurzeln hat, nachträglich nicht damit ausstatten kann. Doch sag’ einem, er soll Geld in die Hand nehmen, um Langzeitarbeitslosigkeit junger Erwachsener zu verhindern, ist das in den Wald gerufen.

Aber Ihre Arbeit ist doch allseits anerkannt...

Held: Politiker sehen die Welt gern nur für die paar Jahre, die sie gewählt sind. Ich bin erleichtert, dass das im Landkreis Fürth jetzt anders ist. Damit ist der Weg geebnet, dass diese Form der Begleitung Heranwachsender gesellschaftlich anerkannt wird. Kinder, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, werden nicht mehr stigmatisiert. Und Eltern bleibt das Gefühl erspart, versagt zu haben.

Eine „Eins-zu-eins-Betreuung“, sprich: individuell ein Betreuer für einen Schüler, institutionell organisiert, könnte sich der Landkreis überhaupt nicht leisten, hat Landrat Matthias Dießl Ihrer Initiative im Jugendhilfeausschuss attestiert. Woran scheiterte die finanzielle Unterstützung bisher?

Held: Unsere Krux ist, dass wir uns mit unserer ehrenamtlichen Arbeit in einer Grauzone bewegen. Die professionelle Jugendhilfe, die eine öffentliche Pflichtaufgabe ist, greift erst in die Familie ein, wenn ein Kind auffällig geworden ist. Doch wir werden aktiv, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir nehmen uns der Schüler in einer schwierigen Lebensphase an und geben ihnen die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die sie brauchen, um Selbstvertrauen und soziale Kompetenz zu entwickeln.

Was eigentlich im Elternhaus passieren sollte, oder?

Held: Richtig, doch das wird in unserer heutigen Gesellschaft immer schwieriger. Mir geht es nicht um Schuldzuweisungen, jeder — egal ob Eltern oder Schule — tut, was er kann. Die Afrikaner sagen, um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Doch in unseren Kleinfamilien fehlt es den Kindern an Vorbildern, das Berufsleben verlangt häufige Ortswechsel, feste nachbarschaftliche Beziehungen bleiben auf der Strecke. Das stabile soziale Umfeld gibt es nicht mehr, also müssen wir die fehlenden Beziehungen künstlich ergänzen. Und das gelingt nicht, wenn es vom Amt diktiert wird.

Sondern?

Held: Das kann nur ehrenamtlich und auf freiwilliger Basis funktionieren. In erster Linie wollen wir die junge Menschen in ihrer Persönlichkeit stärken, sodass sie eigene Potenziale erkennen und entwickeln. Das braucht eine persönliche Beziehung und Vertrauen. Und das kann nicht verordnet werden.

Wie gehen Sie vor?

Held: Entscheidend ist, dass jeder Schüler den Entschluss, ob er einen Coach möchte, selbst trifft. Wir gehen in die Klasse, erklären allen unser System. Wer Hilfe möchte, muss das nicht begründen, aber seine Eltern überzeugen. Dann gibt es Schnuppergespräche. In 80 Prozent findet sich auf Anhieb ein Tandem.

Und was passiert im Tandem?

Held: Unsere Kinder werden in der Familie und Schule nur noch erzogen und bewertet. Sie stehen mehr unter Stress, als wir glauben. Ein Spaziergang, gemeinsam kochen, einfach nur unterhalten, dafür fehlt zu oft die Zeit. Im Schülercoaching nehmen die Jugendlichen am Leben eines anderen Menschen teil, gewinnen neue Einsichten und Erfahrungen und damit mehr Instrumente, um den eigenen Alltag zu bewältigen. So einfach ist das. Die Noten bessern sich, die Kinder sind motivierter. 90 Prozent unserer Schützlinge wechseln nach zwei- bis dreijähriger Begleitung nahtlos in eine Ausbildung oder eine weiterführende Schule.

www.der-schuelercoach.de

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