Blick in die düstere Parallelwelt der Nazis

21.11.2014, 06:00 Uhr
Blick in die düstere Parallelwelt der Nazis

© Foto: Steffen Robens

Der Film beginnt mit verwackelten Schwarz-Weiß-Bildern und dem kratzigen Ton einer versteckten Knopfkamera: Eine Dorfstraße bei Nacht. Der Träger der Kamera betritt ein Gebäude. Drinnen spielt eine Band. Das Publikum besteht aus glatzköpfigen Männern.

Nazis, die jedes Klischee erfüllen: Springerstiefel mit weißer Schnürung, Bomberjacken, Thor-Steinar-Hemden, grölend zeigen sie den Hitlergruß. Die Band auf der Bühne spielt ein musikalisch anspruchsloses Lied mit brisantem Text: „Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig . . .“ Eindeutig wird mit dem Appell „Blut muss fließen“ zum Mord an jüdischen Bürgern aufgerufen. Dieser rechtsradikale Song gab dem Film seinen Titel.

Die Aufnahmen wurden mit versteckter Kamera auf einem Dorfkonzert gedreht. Draußen auf der Straße steht die Polizei und wartet ab. So laufe es immer, sagen die Filmautoren. Radikale Organisationen wie die mittlerweile verbotene „Blood and Honor“ und deren Nachfolger „Division 28“ veranstalten Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In diesem Milieu fand sich auch das NSU-Trio zusammen.

Koban und Ohlendorf eröffnen in diesem bedrückenden Film einen Blick in die Parallelgesellschaft, über die Innenminister und Geheimdienste selten reden und von der Normalbürger keine Ahnung haben. Rechtsradikale Gruppen werben Jugendliche über die Musik. Sie stellen das clever an, verteilen CDs an Schulen, wissen genau, was sie dürfen und was nicht. Auf den Schulhof-CDs findet sich nicht nur Hardrock, auch gerappt gibt es die Texte, von denen etliche „strafrechtlich relevant“ sind, sagt Koban. Koban, der sich für die Dreharbeiten als Nazi verkleidet hat, enthüllt seine wahre Identität nicht. Dennoch ist er der Protagonist von „Blut muss fließen.“ Mit gelbem Jackett, Ray-Ban-Sonnenbrille und Heino-Perücke führt er durch den Film, spricht mit Polizisten und deren damaligen Chef, Bayerns Innenminister und späteren Ministerpräsidenten Günter Beckstein. Beckstein schlug vor, Koban solle selber Anzeige erstatten, wenn Staatsanwaltschaft und Polizei es nicht täten. Das war noch vor der Entdeckung der NSU. Wolfgang Schäuble, seinerzeit Bundesinnenminister, habe ein Gespräch mit dem Journalisten gleich ganz abgelehnt.

Weder offizielle Stellen noch öffentliche Fernsehanstalten wollten den Film unterstützen. Rechtsradikale wolle niemand sehen, hieß es. Koban filmte zunächst auf sich allein gestellt. Später holte er Peter Ohlendorf ins Boot. Neun Jahre lang arbeiteten die beiden an dem Film. Sie nahmen dafür Kredite in Höhe von 200 000 Euro auf. Erst auf der Berlinale 2012 erhielten die Autoren und Produzenten dafür Anerkennung.

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