Bukarests Straßenhunde unter Beschuss

16.9.2013, 13:00 Uhr
Bukarests Straßenhunde unter Beschuss

© afp

Das rumänische Parlament will die Tiere nun zur Tötung freigegeben, sofern sie nicht innerhalb von zwei Wochen adoptiert werden – und hat damit bei Tierschützern in ganz Europa Entsetzen ausgelöst. In einem Referendum am 6. Oktober sollen die Bürger Bukarests über den Vorschlag abstimmen. Die Forderungen der Tierschützer gehen so weit, „dieses barbarische Land aus der EU auszuschließen“.

Die Bevölkerung Bukarests teile sich in Hundefreunde und Staßenhunde-Hasser, berichtet ein Vertriebsmanager aus Bukarest. Er füttert regelmäßig Straßenhunde, die er seit langem kennt und liebt – und er hofft, dass diese überleben. Aber er sieht die Lage differenziert. „Ich verstehe auch diejenigen, die Angst vor Hunderudeln haben und die ein Recht haben, in einer modernen Metropole und nicht im Dschungel zu leben.“

Natürlich seien die meisten Hunde friedlich, meint er. „Aber es gibt in bestimmten Gegenden aggressive Rudel, die es nicht schätzen, wenn Fremde durch ihr Revier laufen. Und es kommt sogar vor, dass der gleiche Hund auf einen Menschen freundschaftlich reagiert und auf den anderen nicht.“ So habe sein Sohn, der Hunde liebt und keine Angst vor ihnen hat, auf dem Heimweg von der Schule fröhlich mit einen Straßenhund gespielt. Seine Klassenkameradin hingegen, die Angst vor Streunern hat, wurde vom gleichen Hund gebissen. „Er konnte ihre Angst fühlen.“

In den Augen von Dr. Rumi Becker, Vorsitzende des Nürnberger Vereins Ärzte für Tiere, ist ein solch positiver Bericht über Hunde in rumänischen Medien die Ausnahme. Vielmehr hätten die dortigen Medien massiv zur „Hetzkampagne“ gegen Straßentiere beigetragen.

Der Verein, der sich für Straßentiere in der EU, besonders in Rumänien und Bulgarien, einsetzt, steht in ständigem Kontakt mit der Präsidentin des rumänischen Tierschutzbundes, Carmen Arsene. „Wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen und sie gilt uns als sehr vertrauenswürdige Quelle“, sagt Becker im NZ-Gespräch. Der Fall mit dem Angriff auf das vierjährige Kind erscheine nicht nur den rumänischen Tierschützern „zunehmend unglaubwürdig“.

Es gebe heftige Widersprüche und Ungereimtheiten – etwa was den Fundort des getöteten Kindes betreffe, der einen Kilometer vom Aufenthaltsort der Großmutter, die das Kind offenbar nicht richtig beaufsichtigt habe, entfernt gelegen habe.

Gerüchte rumänischer Medien, wonach der Junge durch einen Pädophilen missbraucht und anschließend verstümmelt worden sei, um die Tat Straßenhunden in die Schuhe zu schieben, möchte Rumi Becker nicht kommentieren. Für sie ist der Fall auch so „konstruiert“. Als wahren Grund der Hetzkampagne sieht sie „die massive Korruption in Rumänien“ und die Interessen der Hundefängermafia, die mit Hundefellen handele. Das gerichtsmedizinische Gutachten, wonach Blutungen aus hunderten Wunden an der Körperoberfläche des Kindes den Tod verursacht hätten, sei „gekauft“, da in Rumänien aufgrund der Korruption solche Gutachten „billig“ seien.

Der Meinung mit der Hundemafia schließt sich auch der große deutsche Tierschutzverein Tasso an, das größte deutsche Haustierzentralregister, bei dem Tierbesitzer ihre Schützlinge registrieren lassen können. Tasso hat ebenso wie die Vereine Ärzte für Tiere oder auch Vier Pfoten Online-Petitionen gestartet, um gegen die Entscheidung des rumänischen Parlaments zu protestieren. Alle drei Organisationen unterstützen massiv Maßnahmen zur Kastration sämtlicher Streuner.

Die „Hetzkampagne“ habe dazu geführt, dass nicht nur Straßenhunde gejagt werden, sondern Menschen gar Höfe stürmen, in denen sich Haushunde aufhalten. Auch würden Tierschützer bedroht, berichtet Becker.

Dass Straßenhunde aggressiv seien, weist Becker zurück. Aus ihrer Arbeit mit Straßentieren in Bulgarien berichtet sie, dass diese den Menschen als freundliches Wesen betrachten, bei dem man um Futter bettelt. „Auch Carmen Arsene berichtet mir immer wieder, dass sie in ihrer jahrelangen sehr intensiven Arbeit mit Straßenhunden in Bukarest noch nie einem aggressives Tier begegnet ist.“

Das Problem seien die Menschen, die das Geld, das per Tierschutzgesetz für die notwendige Kastration der wachsenden Populationen gedacht sei, in die eigene Tasche stecken würden. Das Parlament stellt dafür Mittel zur Verfügung. „Aber in 98 Prozent der Fälle stecken korrupte Bürgermeister, die Tierärzte mit der Kastration beauftragen müssten, das Geld in die eigene Tasche“, sagt Becker. Diesen Eindruck hat auch der Vertriebsmanager. Er habe auch den Eindruck, dass nicht nur Bürgermeister korrupt seien, sondern manchmal auch staatlich beauftragte Tierschutzorganisationen. Ohne die massive Korruption, da sind sich offenbar alle einig, gäbe es in Bukarest deutlich weniger Straßenhunde – und weniger Menschen, die sich an ihnen stören.

Mehr Informationen unter www.aerztefuertiere.de, www.tasso.net, www.vier-pfoten.de


 

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