Cadolzburger Burgfestspiele: Franz und Marie

29.11.2014, 11:00 Uhr
Cadolzburger Burgfestspiele: Franz und Marie

© Archivfoto: Thomas Scherer

Das Ende des Zweiten Weltkrieges, der vor 70 Jahren mit der Kapitulation der Wehrmacht besiegelt wurde, wird im kommenden Jahr auch in Cadolzburg im Fokus stehen. Außergewöhnlich ist vielleicht die Form dieses Gedenkens: ein Musical. Das Team der Burgfestspiele hat deshalb sogar den üblichen Rhythmus unterbrochen, der sonst zwischen den Neuinszenierungen liegt. Statt nach drei Jahren, wird bereits zwei Jahre nach „Aeronauticus“ die nächste Premiere vor der Kulisse der Cadolzburg vorbereitet.

Das Erinnern an die Folgen der NS-Gewaltherrschaft, an Terror und Vernichtung trägt dabei ganz persönliche Züge. Versöhnung und Neuanfang rücken nachdrücklich in den Vordergrund. Wieder haben Autor Fritz Stiegler und Komponist Matthias Lange zusammengearbeitet. Ihr Musical „Mademoiselle Marie“ beginnt in der Zeit des Wiederaufbaus im Jahr 1955.

Stiegler, der sich als Mundartdichter selbstverständlich wieder des Fränkischen bedient, erzählt von Marie. Die junge Mutter von zwei Kindern hat von ihrem Mann, der noch immer in russischer Kriegsgefangenschaft ist, sehr lange keine Nachricht mehr erhalten. Bei der Arbeit auf ihrem Bauernhof wird sie von Franz unterstützt, einem ehemaligen Zwangsarbeiter aus Frankreich, der zurückgekehrt ist, um ihr zu helfen. Die beiden verlieben sich und Franz nimmt Marie zu einem Besuch in seine Heimat mit.

Dort schlägt der jungen Deutschen eisige Ablehnung entgegen. Erst nach einer Begegnung in den Ruinen von Oradour beginnt sie zu verstehen, welches grauenhafte Verbrechen hinter der Zurückweisung steht. Trotzdem gelingt eine neue Art der Verständigung, eine gemeinsame Zukunft scheint möglich zu sein. Doch zurück in Cadolzburg wird Marie mit einer Überraschung konfrontiert und muss eine Entscheidung treffen.

Die fiktive Geschichte fußt auf der Erinnerung an einen besonderen Mann. „Francois Simonet, ein französischer Kriegsgefangener aus der Normandie, kam 1941 auf unseren Hof“, erzählt Fritz Stiegler. Bis zum Kriegsende wurde Franz zu einem unersetzlichen Freund der Familie. Als im Frühjahr 1945 die Zwangsarbeiter von den NS-Schergen zu Märschen in den Süden gezwungen wurden, versteckten ihn Stieglers Großeltern. Doch er ergab sich in Todesangst den Posten, die den Hof absuchten. Die Familie hörte nie wieder von ihm. Nachforschungen blieben erfolglos.

„Das Kapitel ist bei uns nicht aufgearbeitet“, sagt Stiegler, der sich 2012 bereits in seinem Roman „Valentina“ mit dem Thema beschäftigte. Eines freilich liegt den Machern um Fritz Stiegler, Komponist Matthias Lange und Burgfestspiel-Vorstand Thomas Dröge am Herzen: „Das Musical hat einen ernsten Hintergrund, es klärt vielleicht auch an manchen Stellen auf, aber es wird nicht zu dunkel werden.“

Der Spagat soll gelingen mit einem spannenden Mix, der viel Raum lässt für einen Blick darauf, wie es in Franken in den 50ern war. Matthias Lange hat mehr als dreißig Stücke komponiert, eingespielt werden sie von der Thilo Wolf Big Band und den Nürnberger Symphonikern. Das kreative Team steckt längst mitten in den Vorbereitungen. Eine dreigeteilte Spielfläche, die es erlaubt, alle Handlungsstränge zu zeigen, ist geplant. Erste Proben für die achtzig Mitwirkenden sind anberaumt. Die Regie wird wieder Jan Burdinski übernehmen.

Ein wichtiger Schritt zur Einstimmung führte eine Delegation nach Frankreich in die Partnergemeinde Le Palais sur Vienne. Dort besuchten sie auch Oradour. In dem Dorf, das heute eine Gedenkstätte ist, verübte die SS am 10. Juni 1944 ein Massaker, bei dem 642 Männer, Frauen und Kinder ermordet wurden. Die Cadolzburger nahmen an einer ergreifenden Führung teil und hatten anschließend Gelegenheit, ihr Projekt vorzustellen. Bei diesem Treffen lernten sie Robert Hébras kennen, einen der sechs Überlebenden in Oradour. Der 89-Jährige ehemalige Widerstandskämpfer setzt sich bis heute unermüdlich für die Aussöhnung ein. Fritz Stiegler macht klar, welche Bedeutung die Friedensarbeit von Hébras für ihn hat: „Wenn ich im Stück von Verständigung spreche, dann sind das seine Worte. Beim Schreiben hatte ich in diesem Moment ihn vor Augen.“

Keine Kommentare