Der Blumenwurf zischte dann bis in den Rang

31.1.2016, 17:18 Uhr

Für Musikfreunde ist er kein Mr. Unknown mehr - der Ex-Schüler von Hans Werner Henze, Richard Dünser (56). Nun machte der 2010 mit dem Ernst Krenek Preis gefeierte österreichische Komponist persönlich seine Aufwartung bei den Nürnberger Symphonikern mit einer veritablen Uraufführung: „Wunderhorn-Ouvertüre“ nennt sich seine Kreation – ein Auftragswerk der Symphoniker, sozusagen der Leitfaden für den ersten Teil des Konzerts.

Dünsers Handschrift reflektiert „seelische Landmarken und Klänge aus dem Innersten“. Diese poetisch tief lotenden, kantabel empfundenen, Gustav Mahler-Nähe signalisierenden Klänge machen die Ouvertüre zu einer spätromantisch aufgezogenen „Fantasie-Variation“.

In Dünsers „Süsskind-Szenen“ (daraus „irs mannes kron“) geben melodisch-motivische Elemente den tönenden Horizont für „das hohe Lied der idealen Frau“. Wie provokativ die von Düsternis umschattete Orchestersprache des im Alter von 23 Jahren freiwillig aus dem Leben geschiedenen Hans Pfitzner-Schülers Hellmuth Coerper den Hörer anspringt, bringen die Symphoniker und der souverän artikulierende Bariton Roman Trekel in der unvollendet gebliebenen Ballade „Die traurige Krönung“ (nach Mörike) rhythmisch wie klangfarblich vibrierend zur Wirkung.

Es handelt sich um einen aus der österreichischen Nationalbibliothek in Wien stammenden Ausgrabungsfund des Neffen des Komponisten, Herbert Coerper, dem 1. Vorstand der Symphoniker. In der mit Streichern, Bläsern, Pauken, Schlagzeug (Becken, Tam-Tam, Röhrenglocken) und Harfe üppig instrumentierten Fassung von Dünser waltet eine Ausdrucksdimension, die das Gruselige der Story aus dem alten Irland reflektiert.

Auf Dünsers kompositorische Einlassungen folgen todtraurige „Humoresken“ von Gustav Mahler. Roman Trekel gelingt mit seiner sonor-bassbaritonalen Stimme, das traditionelle liedhafte Idiom, den musikalischen Dialekt des Volksliedes und die ichbezogenen Erzählungen des Komponisten zu vereinen.

Einige Texte haben buchstäblich den Tod vor Augen wie „Tamboursg’sell“ oder der militärische Weckruf in „Revelge“. Wie der ins Skurrile umschlagende Humor zur Geltung kommt, beweist schließlich die drastisch-anschauliche „Fischpredigt des Antonius von Padua“. Trekel bringt die rechte psychologische Intuition auf, um die Gefühlsebenen der „Wunderhorn-Lieder“ in allen dynamischen, deklamatorischen und subtilen Nuancen auszuloten.

Franz Schuberts große C-Dur Sinfonie stand bei Alexander Shelley ganz im Zeichen einer motorisch straff aufgezogenen Vorwärtsstrategie. Die legendären himmlischen Längen nimmt Shelley an die Kandare, meidet überzogenes melodienseliges Schwelgen. Ein großer Spannungsbogen überwölbt das sinfonische Geschehen, das Franz Schubert als trotzige Kämpfernatur aber nicht als Schmerzensmann ausweist. Gejubelt wird im Finale mit Maß. Ein wenig pointierter hätte man sich den zugegeben heikel zu realisierenden Wirbel in den hohen Streichern schon gewünscht, auch die blechbläsergeschärfte katastrophische Ballung im langsamen Satz.

Trotzdem: Eine flotte Gangart machte die oft nicht enden wollenden himmlischen Längen diesmal zur kurzweiligen Hörerfahrung. Viel Beifall. Der Blumenwurf zischte bis in den Rang. Bravi!

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