"Der schönste Triathlon der Welt"

5.7.2012, 11:32 Uhr

© Giurdanella

Ein wenig kann sich Julia Gajer immer noch wundern, denkt sie ein Jahr zurück. „Es haben so viele Zuschauer meinen Namen gerufen. Julia, du schafft es, Julia, halt durch.“ Das war damals ungewöhnlich für die Triathletin, die doch 2011 das erste Mal beim Challenge in Roth startete. Und nicht nur das. Es war gleichzeitig ihre Premiere über die Langdistanz von 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42 km Laufen.

Julia Gajer, die damals unter ihrem Mädchennamen Wagner im fränkischen Triathlon-Mekka debütierte, hat es natürlich geschafft. Und wie. In 8:56:23 Stunden belegte sie Platz zwei – man könnte auch sagen, sie belegte Platz eins im großen Feld der Frauen hinter der in einer anderen Liga startenden Chrissie Wellington. Die verbesserte damals ihre Weltbestzeit auf unvorstellbare 8:18:13 Stunden, gerade einmal vier Männer waren 2011 schneller als die Britin, die in dieser Saison eine Auszeit vom Spitzensport nimmt, um sich neue Ziele in ihrem Leben zu stecken.

Damit werden am Sonntag in Roth die Karten neu gemischt. Es geht definitiv nicht um einen neuen Rekord, der ist bei den Frauen unantastbar, bei den Männern wohl auch. Es geht um eine neue Siegerin, und da traut sich Julia Gajer durchaus die Hand zu heben. Nicht, weil sie überheblich wäre, sondern weil sie ehrlich zu ihren Ambitionen stehen will.

„Das wäre ja wohl unglaubwürdig, zu sagen, ich will da nur mal mitmachen“, meint die 29 Jahre alte Triathletin, die mit ihrem Ehemann in Ditzingen bei Stuttgart lebt und für den AST Süßen startet. Nur mitmachen, bei der Vorgeschichte, bei dem Debüt und vor allem bei dem Verlauf dieser Saison, das kann kein Ziel sein.

Die Form stimmt

Gajer ist schon mit einem Paukenschlag gestartet. Ende Mai gewann sie den Ironman 70.3 über die Halbdistanz in St. Pölten – und da wollte sie wirklich nur sehen, „wo ich stehe“. Mitte Juni das nächste Ausrufezeichen mit dem Sieg beim Challenge Kraichgau, wieder über die halbe Langstrecke (1,9 km/90 km/21 km). Das bedeutete den Titel als Europameisterin, und Julia Gajer hat dabei auch gezeigt, welch große Wettkämpferin sie sein kann.

Auf der Laufstrecke verfolgte sie hartnäckig die führende Dänin Line Jensen und schnappte ihr den Titel noch weg. Und nun also Roth, für Julia Gajer „der schönste Triathlon der Welt“. Sie weiß, dass ihre Form stimmt, und sie weiß, dass sie Konkurrentinnen wie die Deutsche Sonja Tajsich auf keinen Fall unterschätzen darf. Ihr Trumpf sei ihre Ausgeglichenheit, meint sie, und das beschreibt wohl nicht die Triathletin, sondern auch ihr persönliches Naturell.

Seit vier Jahren erst betreibt sie den Triathlon als Wettkampfsport, infiziert wurde sie mit dem berühmt-berüchtigten Virus beim Pharmazie-Studium in Freiburg, wo sie als frühere Leistungsschwimmerin zum Ausgleich in einer Laufgruppe mitmachte. Weil die gebürtige Hannoveranerin ein zielstrebiger und ehrgeiziger Mensch ist – das Studium hat sie inzwischen beendet und sogar promoviert – landete sie schnell bei kleineren Wettkämpfen. Den ersten gewann sie gleich.

Seitdem ging es rasend schnell bergauf. Inzwischen ist sie Profi-Triathletin, arbeitet aber noch zum Ausgleich stundenweise in einer Apotheke. „Ich brauch’ das für den Kopf“, sagt sie, „nur Sport wäre mir zu wenig.“ Trotzdem: Die vergangenen Wochen war ihr Leben fast nur vom Sport und vom Training für den Challenge bestimmt.

Mit großer Vorfreude

„Ich muss mich bei meinem Mann bedanken, der hat viel Verständnis für mich“, sagt Julia Gajer. Immerhin ist der Gatte auch Triathlet, wenn auch nicht auf dem Niveau seiner Frau. Da fällt das Verständnis dann doch deutlich leichter. Angesprochen auf ihre Stimmung vor dem kommenden Sonntag, fällt Julia Gajer eigentlich nur ein, „dass ich mich wahnsinnig auf den Wettkampf freue“. Natürlich auch darauf, dass so viele Menschen wieder ihren Namen rufen werden.

„Julia, du schaffst das“ – das könnte diesmal bedeuten: Julia, du kannst gewinnen. Eines hat Julia Gajer aber im Vorjahr auch gespürt: Die Zuneigung der Zuschauer richtet sich nie auf einen Athleten oder eine Athletin allein. Und so darf sich auch Sonja Tajsich auf lautstarke Ermunterung freuen.

Wer dann am Ende wirklich den Sieg schafft, eine der beiden Deutschen oder eine ganz andere Triathletin, das verspricht das besondere Spannungsmoment des elften Challenge in Roth zu werden. Abseits jeglicher Rekordjagd wird es wieder genügend Gründe geben, sich zu wundern.

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