Der Tod berührt noch immer das Publikum

20.10.2014, 19:22 Uhr
Der Tod berührt noch immer das Publikum

© Foto: privat

Dieser Abend beginnt mit einem Knalleffekt. Denn ein Schuss ist unausweichlich. Davor warnt schon ein Zettel am Eingang zum Theater in der Garage. Davon künden auch die Vorbereitungen des Mannes auf der Bühne, bevor das Licht im Zuschauerraum erlischt. Er vermisst die Flugbahn der Kugel, die Ein- und Austrittsstellen im Schädel. Sein Schicksal ist uns allen bekannt: Er wird sich verlieben. Er wird einsehen, dass diese Liebe keine Zukunft hat. Er wird von ihr aber nicht loskommen. Und er wird sich selbst töten.

Als 1774 Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ erscheint, wird dieses Buch schnell ein Bestseller. Mehr als das, es erobert die Herzen vieler Leser, die sich mit diesem unglücklichen Helden identifizieren, die seine Emotionen manchmal sogar bis zur letzten Konsequenz nachleben.

Noch heute ist schnell zu spüren, wie dieser Sturm-und-Drang-Text mit all seiner sprachlichen Wucht fesselt. Regisseur Eike Hannemann ist nur allzu gut beraten, dass er Goethes Zeilen ernst nimmt und bei allen Kürzungen für seine Bühnenversion niemals den Respekt vor der literarischen Vorlage verliert.

Dies gelingt in einer Ein-Mann-Bühnenversion in karger Kulisse, in deren Zentrum eine Mischung aus Arbeits- und Seziertisch vor drei Plexiglas-Wänden steht, durch das sensible Spiel von Robert Naumann. Er berichtet uns anschaulich von diesem Werther, den es ins liebliche Dorf Wahlheim verschlägt.

Naumann wird zu Werther. Er streift durch die Natur, und das Publikum erlebt diese Suche nach Idylle durch den Fokus einer Video-Kamera. Auf den an die Plexi-Scheiben projizierten Bildern werden Küchenkräuter zu Wäldern, Kaffeemühlen zu Gebäuden.

Als mit zwei Porzellanköpfen vor einer auf einem Plattenteller drehenden Pflanze eine Kutschfahrt perfekt imitiert wird, gibt es Szenen-Applaus vom Premiere-Publikum (Bühne und Kostüme: Birgit Stoessel).

An diesem Abend sind darunter übrigens etliche Jugendliche, die fast alle durchaus gebannt dem hier fantasievoll präsentierten Schicksal folgen.

Ohne Chance

Dennoch überlagern die visuellen Effekte oder die Sound- und Musik-Einspielungen niemals die Literatur. Dafür sorgt Ensemble-Mitglied Naumann mit notwendiger Zurückhaltung, wenn er zunächst beschreibt, wie die Liebe zur angebeteten Lotte sich tief entfaltet. Eine Liebe, die niemals eine echte Chance hat, da die Angebetete bereits einem anderen versprochen ist.

Fulminant verwandelt Naumann nun die jugendliche Träumerei in Verzweiflung, Hass und Wahn. Wohin dies letztendlich führen muss, wissen wir bereits. Am Ende wird der Knalleffekt des Starts in den Theaterabend in ein ruhiges Schlussbild verwandelt – ehe der letzte Applaus des Publikums an diesem Abend einsetzt.

Weitere Vorstellungen (teilweise auch vormittags): 20. u. 21. Oktober, 11. und 13. November sowie 10. bis 12. Dezember. Achtung: für die meisten Vorstellungen gibt es nur noch Restkarten. www.theater-erlangen.de

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