Die Ärmchen der Kinder sind viel zu dünn

9.12.2016, 19:48 Uhr
Die Ärmchen der Kinder sind viel zu dünn

© Fotos: Arndt Peltner

Eine Klinik in der Kleinstadt Gabi im südlichen Niger. Care hat sie mit aufgebaut, Ärzte ohne Grenzen sind hier aktiv. Es sind mehrere Flachbauten, ein paar Zelte, der Platz reicht hinten und vorne nicht. Hierher werden stark unterernährte Kleinkinder mit ihren Müttern gebracht.

Ich darf mit den Frauen sprechen. Eine junge Mutter sitzt auf einem kahlen Bett, ein stark abgemagertes und ausgemergeltes Kind in ihrem Arm. Große Augen blicken mich an. Hadima Husaun ist seit drei Tagen mit ihrem Sohn hier. Er habe Fieber, sagt sie. Später meint eine Ärztin zu mir, alle Kinder seien wegen Unterernährung in der Klinik. Das Fieber sei nur eine Begleiterscheinung.

Wenig später kommen wir im Dorf Dan Taro an. Wir werden schon erwartet, ein paar Grußworte werden gesprochen. Der Geländewagen mit den sechs schwer bewaffneten Soldaten, die uns an diesem Tag in das Grenzgebiet zu Nigeria begleiten, parkt im Schatten eines Baumes. In Dan Taro unterstützt Care das Projekt „Mama Lumière”, Mutter des Lichts.

Zakari Souleymane ist der Projektleiter, er arbeitet für die lokale Organisation Forsani, die mit Care in dieser Region eine Partnerschaft eingegangen ist. „Mama Lumière” ist ein Projekt, um die Unterernährung bei Kleinkindern frühzeitig zu erkennen. „In den Jahren zwischen 2000 und 2013 behandelten wir unterernährte Kinder und stellten fest, das immer wieder die gleichen Kinder in die Kliniken eingeliefert wurden”, erzählt Zakari Souleymane. „Was das Paradoxe ist: diese Region hier gilt als die Kornkammer des gesamten Landes. Es gibt genug zu essen. Doch hier ist die Unternernährung am schlimmsten.” Deshalb setzen seit nunmehr drei Jahren Forsani und Care auf Prävention, Aufklärung über ausgewogene Ernährung und Sauberkeit.

Die Ärmchen der Kinder sind viel zu dünn

Lantana und Garba sind ein von Care geschultes Freiwilligenteam, die regelmäßig von Haus zu Haus geht und schaut, ob ein Kind auffällig ist. Die Arme werden mit einer Schablone gemessen, die Kinder gewogen, es werden Ernährungstipps gegeben, aber auch, wie man Lebensmittel aufbewahrt und säubert. Und wenn die Schablone um die dünnen Ärmchen der Kleinen im gelben Bereich ist, werden sie an Hassia, die „Mama Lumière” im Dorf, verwiesen. Sie wurde von Care ausgebildet, um anderen Müttern in einem 15-tägigen Kurs zu schulen. Täglich trifft sich die Gruppe zum Zubereiten eines einfachen, doch nahrhaften Breis aus Hirse, Wasser, Milch und Erdnussöl. Hassia erklärt den Frauen, was sie brauchen, was wichtig ist für die Ernährung ihrer Kinder, denn gewöhnlich bekommen die Kleinen nur einen Brei aus Hirse und Wasser. Doch darin fehlen wichtige Nährstoffe. Die Kinder essen einen Teil des Breis direkt mit der Gruppe, einen Teil nehmen sie mit nach Hause. Auch werden die Kleinen hier täglich gewogen und gemessen, um eine Kontrolle über den Erfolg zu haben oder um die Kinder notfalls an eine Klinik zu verweisen.

Hirse, Wasser, Erdnussöl

Es ist eine lockere Runde im Hinterhof von „Mama Lumière”, es sind auch nur 38 Grad an diesem Nachmittag. Ich scheine der einzige zu sein, der hier schwitzt. Ein paar Hühner gackern vorbei. Die Frauen lachen, reden, halten ihre Kinder im Arm. Hassia fängt an, den Hirseklumpen mit Wasser zu verdünnen, sie rührt kräftig in der Holzschüssel. Danach schüttet sie etwas bröckelige Milch dazu und zum Schluss Ernussöl. All das wird minutenlang umgerührt und dann auf die Schüsseln der Kinder verteilt. Auf einem Löffel wird Johanna Mitscherlich von Care Deutschland etwas Brei gereicht. Sie probiert, sagt „Hm, lecker” und reicht den Löffel an mich weiter. Kein Weg zurück. Der Geschmack ist gut, nur die Milch- und Hirseklumpen sind etwas beschwerlich zu schlucken. Die Frauen blicken mich lachend an.

„Jede Frau bringt etwas mit, Hirse oder etwas Milch oder Erdnussöl. Gemeinsam helfen wir uns”, sagt Hassia. Sie wurde für diese Position als „Mama Lumière” ausgewählt, weil sie eine saubere und verantwortungsbewusste Frau sei. „Ich bin eine Mutter, die anderen Frauen zeigen kann, wie man auf seine Kinder und sein Haus aufpasst.”

Ein wichtiger Teil dieses Projektes ist auch die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen in den Schulen. Dort wird versucht, die Bedeutung einer nahrhaften Ernährung zu vermitteln. Nur so könne man die massive Unter- und Fehlernährung in den Griff bekommen, so Zakari Souleymane. „Aber all das hier ist auch ein Schrei nach Hilfe. Dieses Projekt gibt es nur in 39 von 500 Dörfern in der Region. Aber ist es genug für den Bezirk, für die Region, für das Land? Wahrscheinlich nicht. Deshalb brauchen wir die Unterstützung aus dem Ausland, um die Prävention im ganzen Land voranzutreiben. Nur so können wir das Ziel erreichen.” Das Ziel, dass da ganz einfach heißt, die Unterernährung im Niger zu mindern.

Die Menschen sind stark verwurzelt in ihrem Land und ihren Familien. Kaum jemand sagte uns, er wolle weg von hier. Und die Probleme? Die Menschen im Niger glauben, dass sie lösbar sind.

CARE Deutschland-Luxemburg e.V., Sparkasse Köln/Bonn
IBAN: DE93 3705 0198 0000 0440 40
BIC: COLSDE33, Stichwort: Afrika Nothilfe, www.care.de/spenden

Keine Kommentare