Die kaltblütigen Morde des NSU: Eine Chronologie
19 Bilder 22.11.2013, 13:55 UhrZehn Tote, Dutzende Verletzte: Ein Protokoll der Kaltblütigkeit
Jahrelang hielten die Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das Land in Atem. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen auf das Konto der beiden männlichen Täter etliche Bankraube, Attentate und zehn Morde gehen. Die zehn Opfer der Neonazi-Mordserie: Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic und Polizistin Michele Kiesewetter (oben, v. l.) sowie Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat (unten, v. l). Simsek, Özüdogru und Yasar wurden in Nürnberg erschossen. © Polizei/dpa
Nürnberg, Juni 1999: Explosion in einer Pilsbar in der Südstadt
Im Münchner NSU-Prozess hat der Angeklagte Carsten S. die beiden Haupttäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit einer Sprengstoff-Explosion in der Nürnberger Südstadt in Verbindung gebracht. Damals, im Juni 1999, detonierte eine "Taschenlampe" in einer Pilsbar, die von einem Türken betrieben wurde. © Daut/Sippel
Nürnberg, 9. September 2000: Enver Simsek
Der Blumenhändler Enver Simsek aus dem hessischen Schlüchtern muss an diesem Tag selbst nach Nürnberg, weil sein Mitarbeiter Urlaub hat. Er parkt seinen mit Schnittblumen beladenen Wagen an der Liegnitzer Straße. Nachmittags kommen zwei Männer auf Simsek zu. Unvermittelt schießen sie auf ihn. Der 38-Jährige wird achtmal getroffen. Am Kopf, am Arm, an der Schulter. Die Täter fotografieren das Opfer, bevor sie die Wagentür schließen. Das Foto werden sie später in ihre zynische Bekenner-DVD einbauen. Ein Kunde, der Simsek nicht findet, alarmiert die Polizei. Sie entdeckt im Kastenwagen den mit dem Tod ringenden Mann. Simsek wird schwer verletzt ins Südklinikum gebracht. Er kann nicht mehr gerettet werden. © Fengler
Nürnberg, 13. Juni 2001: Abdurrahim Özüdogru
Eigentlich arbeitet Abdurrahim Özüdogru in einer Fabrik. Nebenbei nimmt er in seiner Änderungsschneiderei in der Gyulaer Straße im Nürnberger Stadtteil Steinbühl Kleidung an, um sie auszubessern. In dem kleinen Eckladen wird der 49-Jährige am späten Nachmittag mit zwei Kopfschüssen hingerichtet. Gegen 21.30 Uhr entdeckt ein Passant den Toten. Er blickt von der Straße aus in das Geschäft, weil dort noch Licht brennt. Özüdogru sitzt auf dem Boden, in einer Blutlache. © Katharina Flassak
Nürnberg, 13. Juni 2001: Abdurrahim Özüdogru
So berichtete die Nürnberger Zeitung am 16. Juni 2001 über den Mord an Abdurrahim Özüdogru. Die Dimension dieser Mordserie erahnte damals keiner.
Hamburg, 27. Juni 2001: Süleyman Tasköprü
Süleyman Tasköprü und sein Vater betreiben einen Obst- und Gemüseladen in Hamburg-Bahrenfeld. Als sie die Auslagen aufgebaut haben, fährt der Vater kurz weg. Gegen 11 Uhr kommen die Killer. Ohne Warnung schießen sie auf Süleyman Tasköprü (31). Sie geben drei Schüsse ab, aus zwei unterschiedlichen Waffen. Tasköprüs Vater findet kurz darauf seinen sterbenden Sohn. © Florian Schuh/Archiv (dpa)
München, 29. August 2001: Habil Kilic
Der Gemüsehändler Habil Kilic wird in München-Ramersdorf ermordet. Eigentlich arbeitet der 38-Jährige in der Großmarkthalle. Doch vor wenigen Monaten hat er mit seiner Frau einen Frischwaren-Laden eröffnet. Er ist an diesem Tag allein dort. Die Täter kommen gegen 10.45 Uhr. Sie töten ihn mit zwei Schüssen. Anders als bei den Morden vorher werden keine Patronenhülsen am Tatort gefunden. © Reinhard Kurzendörfer
Köln, 19. Januar 2001: Explosion vor Lebensmittelgeschäft
In einem iranischen Lebensmittelgeschäft in Köln explodiert ein Sprengsatz. Die 19-jährige Tochter des Chefs erleidet schwere Verbrennungen. Der Sprengsatz war als Geschenkkorb getarnt kurz vor Weihnachten von einem vermeintlichen Kunden in den Laden gebracht worden. Es lag bereits eine Gebäckdose darin. Der Kunde legte Lebensmittel aus dem Regal dazu. Als er zahlen sollte, behauptete er, sein Geld vergessen zu haben und welches holen zu wollen. Den Korb ließ er stehen. Er kam nie zurück. Am 19. Januar öffnet die Tochter des Ladeninhabers die Gebäckdose. Diese explodiert. © dpa
Rostock, 25. Februar 2004: Mehmet Turgut
Mehmet Turgut (24) arbeitet erst seit wenigen Wochen in einem Döner-Imbiss im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel. Kurz nach 10 Uhr werden vier Schüsse auf ihn abgegeben. Er wird von drei Projektilen getroffen. Wenige Minuten später findet der Imbissbetreiber seinen blutüberströmten Mitarbeiter. Mehmet Turgut lebt noch, stirbt aber am Tatort im Rettungswagen. © dapd
Rostock, 25. Februar 2004: Mehmet Turgut
Mustafa Turgut (l.), der Bruder des ermordeten Mehmet Turgut, tritt als Nebenkläger im NSU-Prozess auf. © dpa
Köln, 9. Juni 2004: Explosion vor Frisörgeschäft
Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos deponieren in der Kölner Keupstraße eine selbstgebastelte Nagelbombe. Der Sprengsatz ist in einem auf einem Fahrrad montierten Koffer versteckt. Sie stellen das Rad vor einem Frisörgeschäft ab, zünden die Bombe per Funksteuerung. 24 Menschen werden teils schwer verletzt. "Bombenstimmung für die Keupstraße", kommentiert der NSU später höhnisch auf seiner Bekenner-DVD. © Federico Gambarini/Archiv (dpa)
Nürnberg, 9. Juni 2005: Ismail Yasar
Ismail Yasar betreibt einen Dönerstand in der Scharrerstraße im Nürnberger Stadtteil St. Peter. Er ist beliebt im Viertel, vor allem bei den Kindern der benachbarten Scharrerschule. Der 50-Jährige schließt an diesem Morgen wie an jedem Tag seinen Laden auf. Gegen 10 Uhr betreten zwei Männer den kleinen Imbiss und eröffnen sofort das Feuer. Sie sind mit Fahrrädern gekommen. Eine Zeugin macht eine weitere wichtige Beobachtung: Sie will Beate Zschäpe an der Kasse des benachbarten Edeka-Marktes gesehen haben.
München, 15. Juni 2005: Theodoros Boulgarides
Theodoros Boulgarides hat erst vor ein paar Wochen im Münchner Westend zusammen mit einem Partner einen Schlüsseldienst aufgemacht. Der 41-Jährige hat das kleine Geschäft direkt neben seiner Wohnung eingerichtet. Am Abend stehen plötzlich zwei Männer vor ihm – und schießen. Gegen 19 Uhr wird seine Leiche gefunden. © dpa, Archiv
Dortmund, 4. April 2006: Mehmet Kubasik
Mehmet Kubasik betreibt in Dortmund einen Kiosk. Er und seine Frau sind als kurdisch-türkische Aleviten aus Anatolien nach Deutschland geflohen – in ein vermeintlich sicheres Leben. Der 39-Jährige steht hinter der Theke, als seine Mörder kommen. Sie strecken ihn mit mehreren Schüssen nieder. © Nils Foltynowicz (dpa)
Kassel, 6. April 2006: Halit Yozgat
Halit Yozgat führt ein Internet-Café im Kasseler Norden. Er wartet auf seinen Vater, der ihn ablösen soll. Gegen 17 Uhr kommen zwei Männer in das Café. Sie töten den 21-Jährigen mit zwei Kopfschüssen. Er rutscht hinter den Ladentisch. Dort findet ihn sein Vater. © Florian Schuh/Archiv (dpa)
Kassel, 6. April 2006: Halit Yozgat
Kassel gedenkt dem mutmaßlichen NSU-Opfer mit einem Gedenkstein. Hinter dem Mahnmal sind die Porträts der anderen Mordopfer abgelegt. © Uwe Zucchi/dpa
Heilbronn, 25. April 2007: Michèle Kiesewetter
Die Polizisten Michèle Kiesewetter und ihr Kollege parken ihren Streifenwagen an der Theresienwiese in Heilbronn. Sie unterhalten sich im Wagen. Plötzlich wird auf sie geschossen. © Bernd Weißbrod/Archiv (dpa)
Heilbronn, 25. April 2007: Michèle Kiesewetter
Die 22-Jährige ist sofort tot. Die Mörder reißen ihr die Waffe aus dem Holster und nehmen sie als makabre Trophäe mit. Kiesewetters Kollege überlebt schwer verletzt. © dpa
München, 6. Mai 2013: Der NSU-Prozess beginnt
Beate Zschäpe, eine der drei mutmaßlichen Haupttäter, musste sich seit 6. Mai 2013 im NSU-Prozess verantworten. Die Anklageschrift umfasst mehrere Hundert Seiten. Am 11. Juli 2018 wurde sie zu lebenslanger Haft verurteilt. © Reuters