Die Reise des Kaufmanns endet im Fembohaus

7.8.2010, 00:00 Uhr
Die Reise des Kaufmanns endet im Fembohaus

© Gemälde- und Skulpturensammlung der Stadt Nürnberg

Über diesen Brief aus München war Ursula Kubach-Reutter beglückt. Das Kunstauktionshaus Neumeister schrieb, dass es aus Privatbesitz ein Bildnis des großen Nürnberger Kaufmanns Bartholomäus Viatis von 1614 im Angebot habe. Für die Leiterin der städtischen Gemälde- und Skulpturensammlung begann sich eine Bestandslücke zu schließen. Durch ein Foto aus den 50er Jahren wusste sie, dass dieses Gemälde den Krieg überstanden haben musste. 1882 war es zuletzt an seinem ursprünglichen Aufbewahrungsort, dem Pellerhaus, dokumentiert worden. Wann und wohin es danach verschwand, weiß niemand.

Die Stadt Nürnberg erhielt Viatis Ende des vergangenen Jahres zurück. Mit Hilfe eines ungenannten Förderers, zu einem ungenannten Preis, als Dauerleihgabe. Die Museumsdirektion macht viel Geheimnis darum, gibt auch nicht preis, was sie über den Werdegang des Bildes im 20. Jahrhundert herausfand. Für die Stadt sei es „unbezahlbar“ und „spektakulär“, schwärmt Direktor Matthias Henkel. Jetzt hat es seinen Platz im dritten Stock des Fembohauses bezogen. Ein passender Ort. Das alte Pellerhaus ist zerstört – das Fembohaus ist Nürnbergs letztes erhaltenes Kaufmannshaus der Spätrenaissance. Und hier kamen Viatis’ Urenkel zur Welt. Es gehörte der Familie von Oyrl, in die sein Enkel einheiratete.

Das 1,30 Meter hohe Ölbild von Johann Creutzfelder (1577–1636) zeigt den 76 Jahre alten Bartholomäus Viatis. Er war der Bill Gates des frühen 17. Jahrhunderts, sagt Kubach-Reutter, und – laut der Kulturreferentin und historischen Kleiderordnungsexpertin Julia Lehner – ein prunksüchtiger Modegeck. Das ist freilich überspitzt gesagt, doch tatsächlich war Viatis’ Reichtum ohne Beispiel nördlich der Alpen, ebenso sein Wirtschaftsgeschick.

Vom Krämersohn zum Wirtschaftsbonzen

1538 in Venedig als Sohn eines einfachen Krämers geboren, nahm ihn der Nürnberger Federmacher Hans Wollandt mit zwölf Jahren als Lehrling mit. Auch in Lyon lernte Bartholomäus. In Nürnberg heiratete er Anna Scheffer, reiche Witwe und Mutter von acht Kindern. Als Handelsmann – unter anderem für Leinen, Gewürze, Montan- und Metallwaren – verbuchte Viatis Erfolg um Erfolg. Zu seinem Handelspartner und Schwiegersohn machte er den Patrizier Martin Peller, mit dem er am Egidienberg das prunkvollste aller Nürnberger Häuser errichten ließ. Auch sein Viatishaus an der Museumsbrücke beeindruckte durch Größe und Dekor.

Eigens für das Pellerhaus entstand das Creutzfelder-Gemälde, zusammen mit Auftragsarbeiten von Venezianern. Viatis setzt seinen Wohlstand für den Bildbetrachter in Szene. Pelzmantel, Spitzenkragen und -ärmel, Lederhandschuhe und Wappenring zeigen erlesene Qualität. Oben links prangt sein persönliches Wappen mit einem Jagdhund, das ihm Kaiser Maximilian II. verlieh. Darunter, nur im UV-Licht sichtbar, hat der Maler, Johann Creutzfelder aus Nürnberg, Schwarz auf Schwarz seine Signatur hinterlassen. Beim Ankauf letztes Jahr musste man das Bild noch für anonym halten. Es blieb in seinem aufwendig geschnitzten Original-Lindenholzrahmen gut erhalten. Die Details traten allerdings erst zutage, nachdem die Restauratorin Eva Pridöhl Viatis zwei Monate lang von Schmutzschichten befreit hatte.

1624 starb Bartholomäus Viatis in Nürnberg. Der Italiener hinterließ seiner Wahlheimatstadt neben seinem großen Namen auch die Erfindung des bargeldlosen Girozahlungsverkehrs für Kaufleute. Nach dem Vorbild Venedigs ließ er 1621 im Rathausgewölbe diesen „Banco Publico“ einführen, der bis 1827 in Betrieb blieb. Nur sein Streben nach politischer Macht blieb erfolglos. Als auswärtiger Emporkömmling zählte er nicht zu den ratsfähigen Geschlechtern. Wohl um nach Aufmerksamkeit zu heischen, kleidete Viatis sich als Angehöriger des zweiten Standes wie ein Mitglied des ersten. Das Gemälde beweist es. Für diese unstandesgemäße Patriziergarderobe musste er hohe Strafgelder zahlen, erläutert Julia Lehner. Aber: „Er konnte es sich leisten. Wie heute ein Ferrarifahrer im Halteverbot.“

Am 5. September, 11.30 Uhr, und am 22. September, 16 Uhr, erklärt Ursula Kubach-Reutter Creutzfelders Viatis-Bild in kostenlosen Sonderführungen als Schaustück des Monats im Fembohaus (Burgstraße 15, Di.–Fr. 10–17 Uhr, Sa.–So. 10–18 Uhr).