Diehl-Steueraffäre: Polizei meldet sich an

1.5.2009, 00:00 Uhr
Diehl-Steueraffäre: Polizei meldet sich an

© Horst Linke

Es beginnt bereits mit einer Blockade-Haltung. Als Erich Günther (Namen geändert), Beamter der Staatsanwaltschaft und Steuerexperte, am 4. April 2002 um 13 Uhr ins Finanzamt Nürnberg-Süd geht, um die Steuerakten des Diehl-Konzerns und die Unterlagen aus der Betriebsprüfung zu sichten, wird ihm die Einsicht verwehrt - unter Berufung auf das Steuergeheimnis. Dabei hat das Unternehmen zuvor die Finanzbeamten schriftlich von ihrer Schweigepflicht entbunden; und noch am Morgen des Tages hatte der Vorsteher des Finanzamts zugesagt, die Akten lägen bereit.

Finanzamt: Die Akten bleiben hier

Am 15. April endlich werden Erich Günther elf Leitz-Ordner ausgehändigt - er dürfe sie aber nicht zur Staatsanwaltschaft mitnehmen, meint die telefonisch alarmierte Oberfinanzdirektion. Erst als Günther bereits eifrig kopiert, wird doch noch genehmigt, die Akten herauszugeben.

Oberamtsrat Erich Günther kennt sich aus bei den Finanzbehörden. Er war selbst Betriebsprüfer beim Finanzamt Nürnberg-Ost, ist Finanzwirt und bearbeitet bei der Staatsanwaltschaft komplizierte Steuersachen. In den folgenden Monaten vernehmen er und Staatsanwältin Müller penibel etliche Zeugen und fordern weitere Unterlagen bei Diehl an.

Am 9. Dezember 2002 zieht der Ermittler ein erstes scharfes Fazit, das unserer Zeitung heute vorliegt. Ein von Diehl angegebenes Darlehen sei offenbar fingiert, schreibt er; die Firma rücke die mehrmals angeforderten Schriftstücke nicht heraus. Statt eines Darlehens könne es sich um eine Schenkung des Seniorchefs Karl Diehl handeln, die steuerpflichtig gewesen wäre.

Die Steuerfahndung wurde nicht informiert

«Nur mit Unverständnis« könne das Entgegenkommen der Finanzbehörden im Streit um die Betriebsprüfung und eine drohende Steuernachzahlung bewertet werden, meint Günther. Die Steuerfestsetzungen seien «rechtswidrig«. Während die später zurückgepfiffene Betriebsprüferin «lediglich pflichtgemäß gehandelt« habe, bestehe der Verdacht, dass die Oberfinanzdirektion das Finanzamt zum Abschluss der Betriebsprüfung «gedrängt hat«. Auch hätte die Steuerfahndung eingeschaltet werden müssen. Günthers Bericht hat klare Konsequenzen: Staatsanwältin Müller sieht den Verdacht der Steuerhinterziehung bei Diehl und der Untreue bei den Finanzbehörden gegeben; letztere seien «vorsätzlich pflichtwidrig vorgegangen«; statt aufzuklären, hätten sie die Betriebsprüferin «in ihren Nachforschungen behindert und die Steuerfestsetzung im Sinne Diehls abgeschlossen«.

Der Commissaire kündigt sich an

Die Ermittlungsrichterin ordnet am 30. Dezember die Durchsuchung der Dresdner Bank Luxemburg (DreBaLux) und der DreBa-Zentrale in Frankfurt an sowie die Beschlagnahme der Darlehensunterlagen.

Der Oberstaatsanwalt stellt ein Rechtshilfeersuchen an Luxemburg. Die Nürnberger möchten bei der Durchsuchung dabei sein. Tatsächlich genehmigt die Luxemburger Justiz das Ansinnen, doch bis Juni 2003 tut sich nichts. Dann erfahren die Nürnberger Ermittler, dass die Aktion längst stattgefunden hat. Aber: Aus dem Schreiben der Luxemburger Finanzpolizei geht klipp und klar hervor: Die dortigen Beamten waren am 5. Mai 2003 in der Bank, hatten dem Institut den Durchsuchungsbeschluss aber schon drei Monate vorher, am 13. Februar, höflich «zugestellt« (Protokoll No 4/275/03). Beschlagnahmt konnten nur noch nachrangige Unterlagen werden; die meisten gesuchten Papiere - «vernichtet«, schreibt der Commissaire.

Das Ministerium will’s genau wissen

Nun wächst der Druck auf die Nürnberger Ermittler. Der Leitende Oberstaatsanwalt hatte schon all die Monate über immer wieder über den Fortgang an den Nürnberger Generalstaatsanwalt, dem der bayerische Ministerpräsident Weisungen erteilen kann, berichten müssen. Auch ein Ministerialrat des CSU-geführten Justizministeriums löchert in einem Schreiben die Nürnberger Staatsanwälte mit Fragen: worauf sie denn ihren Verdacht stützen; er äußert Zweifel am Rechtshilfeersuchen «angesichts der bekannten Schwierigkeiten mit Luxemburg in Steuerstrafsachen«.

Erich Günther gibt nicht auf. Nach der Pleite in Luxemburg regt er an, nun die Bank in Frankfurt zu durchsuchen und das Bundesfinanzministerium einzuschalten. Doch die Staatsanwaltschaft sieht keine Handhabe mehr. Und Diehl wehrt sich zunehmend empört gegen das lang andauernde Verfahren. Das Ermittlungsverfahren wird 2004 eingestellt - die Recherchen hätten die Vorwürfe «nicht mit Sicherheit erhärten« können, der Tatnachweis sei «nicht zu führen«.