Ein Bunker mit bewegter Geschichte

29.12.2010, 18:33 Uhr

Wie in den vergangenen Jahren bietet der Förderverein Nürnberger Felsengänge auch 2011 Führungen in sonst nicht zugänglichen Bunkeranlagen an. Damit wird an die verheerende Bombennacht am 2. Januar 1945 erinnert: Vor 66 Jahren legte ein britisches Bombergeschwader die Nürnberger Altstadt in den Abendstunden in Schutt und Asche. 80 Prozent der Altstadt wurden damals zerstört. Die Bunkeranlage in der Wodanstraße ist eine der noch 18 verbliebenen in Nürnberg. Und sie hat eine lange Geschichte mit zahlreichen Nutzungen, manche davon geradezu obskur.

In Nürnberg wurden die ersten Luftschutzbunker vor 70 Jahren gebaut. Der Wodan-Bunker war im Zweiten Weltkrieg eine verbunkerte Sanitäts-Rettungsleitstelle. Es gab Behandlungsräume für Ärzte, aber auch einen Operationssaal für Not-OPs und für Not-Entbindungen. Jeder, der diesen „Operationssaal“ sieht, würde sich wohl wirklich nur im Notfall dort operieren lassen.

Ausgebombte Ärzte verlegten Praxen in den Bunker

Direkt nach Kriegsende wurde der Bunker für die „vorübergehende Betreuung“ von aufgegriffenen Flüchtlingskindern verwendet. Besonders seltsam mutet eine Begebenheit 1946 an. „Am 19. Juli wurde festgestellt, dass sieben ausgebombte Ärzte eigenmächtig ihre Praxen in den Wodan-Bunker verlegt hatten“, berichtet Ralf Arnold, Vorsitzender des Fördervereins Nürnberger Felsengänge. Offenbar war in den Wirren des Nachkriegsjahres unklar, wem der Bunker gehört und wer an wen Miete zahlen sollte. Und so kam es, dass auch niemand die Kosten für Strom und Wasser beglich. Aber auf den Amtsschimmel war Verlass: Im März 1947 mussten sieben Ärzte und ein Kinderheim vorübergehend auf Strom verzichten...

Ab 1963 wurde die Bunkeranlage in den Katastrophenschutz integriert und später als ABC-Bunker ausgestattet. ABC steht für atomare, biologische und chemische Kriegsführung, vor der im Falle eines Dritten Weltkrieges 680 Menschen geschützt werden sollten. In Nürnberg gab es einst sechs Atombunker, heute sind es noch fünf. Einer wurde in den 90er Jahren umgebaut – zum IMAX-Kino am Cinecittà. Mittlerweile kämpft der Förderverein darum, dass nicht alle Bunker „plattgemacht“ werden. „Wenigstens einer sollte der Nachwelt zur anschaulichen Erinnerung erhalten bleiben“, so Arnold.

Die Bunker als Schutz vor Atombomben zu deklarieren, war in der Nachkriegszeit reine Augenwischerei. Der Wodan-Bunker war, wie die meisten anderen Bunker auch, für eine maximale Verweildauer von 14 Tagen konzipiert. Es hieß, die Menschen sollten dort ausharren, „bis die schlimmste Strahlung“ abgeflaut wäre.

Hiroshima und Nagasaki haben jedoch in schrecklicher Klarheit offenbart, wie lange die radioaktive Strahlung das Leben auslöscht – viel länger als 14 Tage.

Die Sonderführungen des Fördervereins Nürnberger Felsengänge durch die Bunkeranlage Wodanstraße finden vom 2. bis 9. Januar statt, täglich von 11 bis 17 Uhr – im Halbstundentakt; Eintritt: fünf Euro.

 

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