"Eine gute Zeit für Musik mit Rückgrat"

17.3.2017, 19:23 Uhr

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Mister Trucks, gerade haben Sie ein neues Live-Album veröffentlicht, das letzte liegt fünf Jahre zurück. Hat sich die Band zwischenzeitlich so entwickelt, dass sie einen weiteren Konzertmitschnitt für notwendig hielten?

Derek Trucks: Ja, die Band ist heute schon eine andere. Wir hatten einige personelle Veränderungen, aber vor allem hat sich Band mental weiterentwickelt. Wir spielen heute viel abenteuerlustiger und freier. Außerdem haben wir uns seitdem in jede Menge neues Material vertieft.

Besonders beeindruckend ist diese extreme dynamische Bandbreite. Wie schafft man das, eine zwölfköpfige Band so leise spielen zu lassen, dass man eine Ameise husten hört?

Trucks: Das hat sich erst im letzten Jahr so entwickelt. Alle hören ganz genau hin und jeder kann auch einfach mal nicht spielen. Da hat sich eine Selbstlosigkeit in der Band breitgemacht, die es so nicht immer gab. Der einzelne Song, der spezielle Moment ist den Musikern einfach wichtiger als ihre eigenen Karrieren oder ihre Egos.

Andererseits bringt solch eine große Band doch sicher auch Probleme mit sich. Außerdem haben Sie und Susan Tedeschi ja auch Kinder. Klingt reichlich kompliziert . . .

Trucks: (lacht) Ja, das ist es wirklich! Aber im Endeffekt kommt es einfach auf die richtigen Leute an. Jeder in der Band ist einfach gerne mit den anderen zusammen. Auch an spielfreien Tagen hängen alle zusammen ab. Ich war schon in viel kleineren Bands, die viel größere Probleme hatten. Und wenn es mal Schwierigkeiten gibt, dann ist der Kommunikationskanal immer weit offen. Wir versuchen, die Dinge gleich zu klären, anstatt sie vor sich hinschwelen zu lassen. Das habe ich bei den Allman Brothers gelernt: Die hatten mit Problemen zu kämpfen, die sie 40 oder mehr Jahre mit sich rumgeschleppt haben! Die haben sich noch immer wegen Streitigkeiten aus den frühen 70ern in die Haare gekriegt! Das hätten sie mal besser damals schon geklärt. Unsere Band ist da ziemlich gut drin.

Klingt wie ein war gewordener Hippie-Traum . . .

Trucks: (lacht) Ja, aber vielleicht sollte man nicht so viele Narkotika zusammenmixen. Man muss die Dinge in der Balance halten. Wir sind bestimmt auch keine Chorknaben, aber es sollte schon die Vernunft regieren. Ich habe eben durch frühere Bands gelernt, was ungesund ist.

Sie hatten bereits mit zwölf Ihre erste Band. Hatten Sie eigentlich eine normale Jugend wie andere auch, oder saßen Sie nur daheim und übten?

Trucks: Ich habe gar nicht so viel geübt. An den Wochenenden spielte ich mit Bands, aber ansonsten machte ich die gleichen Dinge wie andere Kids, spielte Baseball, ging zur Schule. Die Sache mit der Musik hat sich von selbst entwickelt. Ich war ein Kind aus der unteren Mittelschicht, das in der Welt herumreisen konnte und durch die Musik Dinge zu sehen bekam, die ich sonst nie gesehen hätte. Aber wenn ich wieder nach Hause kam, genoss ich eine ganz normale Erziehung. Keiner in der Schule wusste, was ich da eigentlich trieb und es hat auch niemanden gekümmert. Es fühlte sich so an, als würde ich zwei Leben gleichzeitig leben.

Und dann wurden Sie schon in sehr jungen Jahren Mitglied der Allman Brothers Band, die Sie immer bewundert hatten und bei denen Ihr Onkel Butch Schlagzeug spielte . . .

Trucks: Ja, ich bekam völlig unerwartet einen Anruf als ich zwanzig war. Das war schon ein Trip, auf einmal diese Musik zu spielen. Und vier Jahre später rief dann Eric Clapton an, ob ich in seiner Band spielen wolle. Mit seinen Helden zu spielen, das ist schon was! Ich erinnere mich an einen Moment in der Royal Albert Hall, als ich mit B. B. King auf der Bühne saß. Ich spielte ein paar B. B.-King-Licks und er spielte sie nach – das fühlte sich dann schon ziemlich surreal an. Mit solchen Dingen rechnet man einfach nicht.

Womit auch nur wenige gerechnet haben, war der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl. Denken Sie, das Leben wird für amerikanische Künstler unter Trump schwerer werden?

Trucks: Es ist seltsam. Ich fühle einerseits, dass die Musik momentan wieder eine inhaltliche Bedeutung zurückerlangt, die sie für eine Weile verloren hatte. Es gibt schließlich eine unübersehbare schwarze Wolke über uns, einen realen Feind. Ich denke, echte Künstler blühen in so einer Situation erst richtig auf. Ich schätze, es wird eine Menge große Musik, große Kunst und auch großer Journalismus daraus hervorgehen. Das ist eine natürliche Reaktion. Aber den Kultur-Etat zu kürzen, das ist einfach nur boshaft. Die Leute, denen hier geschadet wird, tragen viel zu unserer Kultur bei, und man sollte sich lieber um sie kümmern und ihre Arbeit honorieren, anstatt sie niederzumachen. Keine Frage, da kommen ein paar schlimme Jahre auf uns zu. Die Energie hat sich rapide gewandelt. Jeden Künstler und jede Band, die ich seitdem gesehen habe, scheinen an Bedeutung und Wichtigkeit gewonnen zu haben. Und wenn man sich unsere Band anschaut: Wir haben zwölf Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen und sozialen Hintergründen, verschiedenen Geschlechtern und Hautfarben. Allein die Zusammenstellung der Band repräsentiert die Idee, wie es eigentlich sein sollte.

Sie sehen die aktuelle Situation tatsächlich als Chance für die Kunst?

Trucks: Schauen Sie sich doch mal speziell unser Genre in den mittleren bis späten 60er und frühen 70er Jahren an: Damals war echt die Kacke am Dampfen. Aber Leute wie Bob Dylan, Curtis Mayfield, Stevie Wonder oder Jimi Hendrix wären nicht so groß geworden, wenn die Dinge easy vor sich hin gelaufen wären. Das ist unser Silberstreif am Horizont: Dass die Leute wieder mehr Musik mit Rückgrat machen und sich weniger um Awards und Verkaufszahlen kümmern. Sondern darum, was sie zu sagen haben.

 

Die Tedeschi Trucks Band eröffnet die Bluestage am 25. März, 20 Uhr, in der Rother Mehrzweckhalle. Karten unter: nn-ticketcorner.de oder Tel.: 09 11/2 16-27 77

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