„Es wird sehr brutal vorgegangen“

19.8.2010, 09:23 Uhr
„Es wird sehr brutal vorgegangen“

© Karlheinz Daut

Herr Schnellinger, eine vergleichbare Prügelorgie hat es in Nürnberg noch nicht gegeben. Sind das die ersten Anzeichen dafür, dass wir in Nürnberg irgendwann Verhältnisse wie in Frankfurt oder Berlin haben?

Peter Schnellinger: So einen Fall hatten wir in der Tat noch nicht. Wir hoffen, dass das in dieser Intensität ein Einzelfall bleibt. Entwicklungen wie in Frankfurt oder Berlin haben wir in Nürnberg aber glücklicherweise noch nicht. Nürnberg ist da doch viel überschaubarer. Da funktioniert die soziale Kontrolle vielleicht etwas besser.

Was kann die Polizei gegen solche Schlägerbanden tun?

Schnellinger: Mit unserer Präventionsarbeit versuchen wir natürlich, so etwas zu verhindern. Aber wenn etwas passiert ist, dann müssen die Täter möglichst schnell ermittelt werden. Für uns ist es wichtig, dass die einzelnen Fälle — wie beim aktuellen Beispiel — möglichst zeitnah zusammengeführt werden. Es ist ganz wichtig, dass sich Opfer oder Zeugen sofort an die Polizei wenden, damit wir die entsprechenden Fahndungsmaßnahmen einleiten können. Die Täter müssen schnell überführt und an die Staatsanwaltschaft übergeben werden, damit die Delikte dann zeitnah abgeurteilt werden können.

Das Erschreckende ist, dass ohne klar erkennbares Motiv brutal zugeschlagen wurde. Was steckt hinter solchen Gewaltexplosionen?

Schnellinger: Zum Motiv kann ich in diesem Fall wenig sagen. Das kennen wir selbst noch nicht genau. Wir beobachten immer häufiger, dass manchmal ein ganz kleiner Anlass für solche Taten genügt und dass die Hemmschwelle immer weiter sinkt. Es wird sehr brutal vorgegangen. Früher wurde an einem gewissen Punkt aufgehört, jetzt wird der überschritten.

Einer der Schläger war ein Intensivtäter. Wie viele Intensivtäter gibt es momentan in Nürnberg?

Schnellinger: Der 17-Jährige, den Sie meinen, stand an der Schwelle zum Intensivtäter. Er war bislang ein Fall für die Inspektion, weil er überwiegend mit Körperverletzungsdelikten aufgefallen ist. Beim Kommissariat, das die Intensivtäter betreut, war er noch nicht aufgenommen, weil dort Täter landen, die zusätzlich zu den Gewalttaten auch noch Eigentumsdelikte begangen haben müssen wie zum Beispiel Einbrüche.

Aktuell befasst sich die Kripo mit 80 Nürnberger Intensivtätern. Das sind Kinder, Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene, die eine ganze Reihe von Körperverletzungen und Eigentumsdelikten begangen haben. Rund ein halbes Dutzend Beamte kümmert sich ausschließlich um sie. Manche werden sehr lange begleitet, zum Beispiel auch wenn sie eine Haftstrafe verbüßen, um ihnen zu einer günstigen Sozialprognose zu verhelfen.

Und oft genug stoßen Ihre Kollegen an Grenzen, oder?

Schnellinger: Sie stoßen dann an Grenzen, wenn die Leute nicht bereit sind, mit der Polizei zusammenzuarbeiten und sich verweigern. Aber die meisten sind kooperativ. Und der eine oder andere schafft tatsächlich den Absprung, sobald er raus ist aus dem negativen Umfeld, eine feste Beziehung oder sogar eine Arbeit hat.

Die Schläger, die am Montag gefasst wurden, hatten Migrationshintergrund. Bei Intensivtätern sind junge Migranten überrepräsentiert.

Schnellinger: Das ist so, das ist kein Geheimnis. Wir haben 42 deutsche und 38 nichtdeutsche Intensivtäter. Von den Intensivtätern mit deutschem Pass haben 24 einen Migrationshintergrund. Der Umgang mit jugendlichen Straftätern ist nicht allein Aufgabe der Polizei. Wir sehen das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bei den Lebensläufen der Intensivtäter fällt auf , dass mangelnde Bildung und Perspektivlosigkeit eine Rolle spielen.Interview: