Riesendurst auf fränkisches Landbier

12.4.2012, 18:28 Uhr
Bei einem Seminar in der Nürnberger Kneipe "Bieramt" findet dieser Teilnehmer heraus, welches Landbier ihm am besten schmeckt.

© Matthias Niese Bei einem Seminar in der Nürnberger Kneipe "Bieramt" findet dieser Teilnehmer heraus, welches Landbier ihm am besten schmeckt.

Darf‘s ein Huppendorfer sein? Oder vielleicht ein aus Hallerndorf? Wir haben natürlich auch Breitenlesauer Krug im Sortiment, das gibt’s fast überall. Der Renner ist das Hetzelsdorfer vom Penning, das leckere Kellerbier vom winzigen hingegen ist noch ein echter Geheimtipp.

All diese Biere kennen Sie schon? Dann gehören Sie zu den Zig-Tausend Franken, für die nichts anderes mehr in den Krug kommt als ein Bier aus der Heimat, handwerklich gebraut in einem kleinen Familienbetrieb. Eine kleine Reise durch das Bierland Franken...

Es war lange schick, seinen Gästen ein Corona, Beck‘s, Radeberger oder ein anderes der Fernsehbiere aus industrieller Großproduktion zu servieren, das uns in den Werbepausen angepriesen wird. Heute schenkt man in immer mehr Kneipen, Biergärten und auf Privatfeiern eines der unzähligen Biere aus der Region ein. Das kommt super an in Zeiten, in denen wir uns nach Dingen sehnen, die uns nahe sind.

Szene-Kneipen setzen auf regionale Biere

Eine kleine Auswahl beliebter Biere unserer Heimat.

Eine kleine Auswahl beliebter Biere unserer Heimat. © Matthias Niese

Vor allem die Großstädter sind auf den Geschmack gekommen und holen sich mit dem Bier vom Dorf ländliches Idyll und kulinarische Vielfalt in ihre Mauern. Macht zum Beispiel in Nürnberg ein neuer Biergarten auf, hat er sicher ein paar Sorten Landbier im Sortiment. Einige Gaststätten wie die Hütt'n, der Kopernikus-Biergarten oder die Landbierparadiese schenken diese schon seit Jahren aus, doch seit kurzem schwappt eine Welle in die Stadt, die selbst in die Clubs und Szene-Kneipen Landbier spült. Ob in der Mono-Bar, auf dem Balkon am Handwerkerhof, im Bieramt oder dem KulturGarten am K4 – überall wird aus Bügelflaschen, wuchtigen Gläsern und Steinkrügen getrunken.

Wir wären doof, würden wir mit Bier aus der Ferne unseren Durst löschen. Schließlich leben wir im Landstrich mit der höchsten Brauereidichte der Welt: gut 300 Brauereien gibt es zwischen Coburg und Treuchtlingen, die meisten davon stehen in Oberfranken. Das ist jede vierte in Deutschland und mehr, als jedes andere Bundesland und jedes Land Europas hat. Auf jede fränkische Brauerei kommen 13.000 Franken.

Knapp die Hälfte unserer Brauereien schenken als Haus- und Kleinstbetriebe maximal 2000 Hektoliter aus. Ein weiteres Drittel hat als Kleinbrauerei einen Bierausstoß pro Jahr von bis zu 10.000 Hektolitern.

Wir bleiben trotz dieses Weltrekords — ganz fränkisch — äußerst bescheiden. Ist uns doch egal, wenn nicht mal mehr die mit sich selbst zufriedenen altbayerischen Landesbrüder wissen, wo das Bier wirklich zuhause ist — nämlich bei uns, in Franken. Davon weiss man in der Welt erst recht nichts. Wir genießen unser Bier gern auch alleine und sind froh, wenn es uns keiner wegtrinkt.

Bier-Hilfegruppe für Franken in Berlin

So groß ist die Sehnsucht der Franken nach heimischem Stoff, dass die fränkische Diaspora in der Bundeshauptstadt sogar eine Selbsthilfegruppe gegründet hat: Die Landbierfreunde Berlin. Denen fehlt, um in der Ferne glücklich zu werden, nur noch fränkisches Landbier. „Zur Beseitigung dieses Notstandes organisieren wir Biertransporte aus dem Frankenland nach Berlin. Ein Transport kommt zustande, sobald sich genügend Bierliebhaber gefunden haben“, schreiben sie im Internet. So hoffen sie, „keine Phantasiepreise von 1,50 Euro pro Flasche“ zahlen zu müssen.

Auch in den Großstädten ist man wieder auf den Geschmack gekommen.

Auch in den Großstädten ist man wieder auf den Geschmack gekommen. © Matthias Niese

Boris Braun, als Autor des Brauerei Atlas Franken (Hans Carl Verlag, 29,80 Euro) der Experte für Frankens Biere schlechthin, kennt auch die hübsche Anekdote vom Chef der größten Brauerei der Welt, Anheuser-Busch in St. Louis, Missouri (Budweiser): „Der hat sich zweimal im Jahr in einen Flieger nach Nürnberg gesetzt, ist mit dem Taxi nach Gräfenberg gefahren und hat sich beim Bremer Schorsch vom Lindenbräu mit ordentlichem Bier einen ordentlichen Rausch angetrunken.“ Der Chef hat durchgesetzt, dass wenigstens ein Teil des Hopfens für seine Ami-Biere aus Spalt kommt.

Braun nennt seine Gründe, warum er handwerklich gebrautes Bier liebt und Bier aus Großbrauereien ablehnt: „In Großbrauereien läuft man hunderte Meter durch die Brauhalle und sieht keinen Menschen. Am Ende sitzt dann ein Ingenieur und bedient den Computer, der den Brauprozess steuert. Aus dem Bier wird alles, was lebt und gesund ist, herausgefiltert. Hauptsache, es hält sich lange.“ Fürs Lagern bleibt keine Zeit und schlechte Fuselalkohole bleiben drin. Bis zu hundert Millionen Hektoliter kämen jährlich aus solchen Betrieben. Braun: „Gute Großbrauereien kenne ich nicht in Deutschland, lediglich in Tschechien kommt auch aus großen Betrieben prima Bier ins Glas.“

Einer der Pioniere, die Landbier in die Stadt gebracht haben, ist Joachim Glawe. „Die Städter sind am Wochenende aufs Land rausgefahren und haben nach dem Wandern eines der für sie exotischen Biere getrunken. Zurück in Nürnberg bekamen sie aber nur noch Bier aus lokalen Großbrauereien. Da hab' ich mir 1987 einen klapprigen Lkw besorgt, bin über die Dörfer gefahren, habe Bier eingekauft und in meinem Landbierparadies wieder verkauft“, erinnert er sich. Der Laden lief so gut, dass er auch Gaststätten gleichen Namens betreibt, in denen es Landbier und fränkische Küche gibt.

Inzwischen hat er nicht nur als Gastronom, sondern auch als Bierhändler viel Konkurrenz bekommen, denn alle wollen von dem Boom profitieren. So gut wie jeder Getränkehändler führt heute auch relativ unbekannte Biersorten aus der Region.

Selbst die großen Brauereien wie Tucher oder Kaiser/Neuhaus möchten mit einem hauseigenen Zirndorfer Landbier bzw. einem Simon aus Lauf noch rechtzeitig auf den Zug aufspringen. „Da kann man sich nur noch abheben, indem man noch weiter aufs Land hinausgeht, noch kleinere Brauereien ins Sortiment aufnimmt“, sagt Glawe.

Junge Wirte setzen auf frische Bier-Ideen

Vor gut 20 Jahren war es nicht einfach, ein fremdes Bier in einer Nürnberger Wirtschaft auszuschenken. Auf den meisten Häusern lasteten jahrzehntelang strenge Abnahmeverträge mit den großen Brauereien, die teils sogar Eigentümer der Gaststätten waren. Immer mehr dieser Verträge laufen derzeit aus und mit Patrizier aus dem zerfallenen Quelle-Konzern führt einer der ehemaligen Platzhirsche nur noch ein Schattendasein. In das Vakuum sind junge Wirte mit frischen Ideen und neuen Bieren vorgedrungen.

Vor allem rund um ein Lokal in der Nürnberger Deutschherrenstraße entstand in den 1990er Jahren eine Szene aus Mittzwanzigern, die schon immer gerne Landbier trank und heute viele Kneipen, Clubs und Biergärten betreibt. Aus diesem Kreis ist auch das Szenemagazin Curt hervorgegangen, das wiederum die Landbier-Wirte empfiehlt. So wurde es cool, Landbier zu trinken.

Obwohl vor 27 Jahren schon Kleinbrauereien wie der Altstadthof dem Trend vorauseilten, war erst vor vier Jahren die Zeit reif, mitten in Gostenhof eine Brauerei neu zu gründen: Schanzenbräu. Die Macher haben wie der Altstadthof unter anderem das Ur-Nürnberger Rotbier aus Dürers Zeiten wiederbelebt und stoßen 1500 Hektoliter jährlich aus – mit rasantem Wachstum. Auf dem Land sterben zwar gelegentlich Brauereien (weil meist der Nachfolger fehlt), doch wird der Verlust durch Neugründungen ausgeglichen. Beispiele sind beispielsweise Nikl in Pretzfeld Gasthof Nikl-Bräuoder Elch-Bräu in Thuisbrunn.

Kult-Brauereien verkaufen kein Bier im Supermarkt

Die Brauereien aus dem Nürnberger Umland profitieren am meisten, vor allem die Gegend um Gräfenberg, die gut mit dem Zug erreichbar ist: Wer trinkt, kommt bequem und sicher nach Hause. Einige der Brauereien haben in 20 Jahren ein Wachstum von 1000 (!) Prozent hingelegt. Die Brauerei Krug aus Breitenlesau ist zum Beispiel schon zu einem vergleichsweise großen Betrieb angewachsen. „Doch wo führt es hin, wenn ein ehemaliges Kultbier schon in der Metro verkauft wird? Kehrt nicht irgendwann Langeweile ein? Irgendwann ist das Wachstum vorbei“, glaubt Joachim Glawe.

Andere, wie Elch-Bräu aus Thuisbrunn, wollen ihr Bier auch gar nicht in die Stadt verkaufen. Denn am meisten verdienen sie noch immer mit dem Ausschank in der eigenen Gaststätte. Beim Verkauf über den Getränkehandel bleiben beim Brauer nur ein paar Cent hängen und der Reiz des Besonderen ist schnell verflogen.

Da hilft das Motto: Mein Bier bekommt nicht jeder! Zumal das Sortiment in den Getränkemärkten zeigt, dass die Freunde fränkischen Landbiers trotz allem nach wie vor eine Minderheit von Feinschmeckern sind.