Fahrplan für ein gesundes Umfeld junger Menschen

20.8.2014, 13:00 Uhr
Fahrplan für ein gesundes Umfeld junger Menschen

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Frau Höppner, mit dem Begriff Jugendhilfeplanung kann Otto Normalbürger nicht viel anfangen. Erklären Sie doch mal, was darunter zu verstehen ist.

Tabea Höppner: Jugendhilfeplanung ist ein Kommunikations- und Aushandlungsprozess mit allen Akteuren der Jugendhilfe. Sein Ziel ist, die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.

Welche Rolle haben Sie dabei?

Höppner: Ich koordinierte diesen Prozess und versuche mit dem Jugendhilfe-Ausschuss als Fach-Ausschuss des Kreistages, möglichst viele der im Jugendhilfeplan formulierten Maßnahmen tatsächlich umzusetzen.

Ihre bisherige Arbeitsbasis war der erste Jugendhilfeplan des Landkreises, der 1998 entstanden ist.

Höppner: Und entwickelt wurde er ab 1995, er ist also fast 20 Jahre alt und eigentlich reif fürs Museum. Achtjähriges Gymnasium, Ganztagsschule oder neue Medien, die heute Alltag unserer Kinder sind: Das alles war damals noch kein Thema. Diese Bereiche sind drei von 19 Themenfeldern, mit denen sich in ebenso vielen Fachgruppen 90 Fachleute teils doppelt und dreifach engagiert haben. Dass so viele Menschen ihre Ideen und Anregungen eingebracht haben, dafür bin ich sehr dankbar. Davon lebt dieser Prozess.

Für Sie war das verwaltungsintern ein riesiges Projekt, das öffentlich kaum wahrgenommen wird. Was bedeutet der Jugendhilfeplan für Sie?

Höppner: Er beschreibt, wo wir stehen und wo wir die nächsten fünf bis zehn Jahre hinwollen, ist aber letztlich nur ein Papier. Entscheidend ist die Umsetzung. Es geht darum, peu a peu die 126 Maßnahmen, die während einer Klausurtagung in Neumarkt jetzt nach Prioritäten geordnet wurden, tatsächlich zu realisieren.

Und wo haben Sie Prioritäten gesetzt?

Höppner: Ganz hoch bewertet wurde beispielsweise, die Teilhabe Jugendlicher zu verbessern. Eltern oder Senioren können sich in den Gemeinderat wählen lassen, Jugendliche können das nicht, trotzdem müssen sie mitreden dürfen und ernst genommen werden. Jugendbeauftragte, die sich unter anderem darum kümmern sollten, gab es zwar in vielen Gemeinden, doch in mancher war das nur ein Amt auf dem Papier. Das soll anders werden. Ein anderes wichtiges Anliegen ist die Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum. Außer in den Jugendhäusern gibt es kaum Plätze, wo sie sich aufhalten können, ohne dass jemand die Polizei ruft. Jugendliche werden als Störfaktor wahrgenommen, das muss sich ändern.

Wie geht es den Jugendlichen im Landkreis denn generell?

Höppner: Das ist sehr unterschiedlich, je nachdem, wohin man guckt. Wir haben ganz verschiedene Lebenssituationen, die eines Mittelschülers kann ich nicht mit der eines Gymnasiasten vergleichen, weil etwa die zeitliche Inanspruchnahme oder die Zukunftsperspektiven sehr unterschiedlich sind. Pauschale Bewertungen fallen mir schwer.

Wieso?

Höppner: Da bräuchten wir repräsentative Erhebungen für den Landkreis. Doch sie würden viel Zeit und Geld kosten, die sinnvoller in unsere Jugendarbeit vor Ort investiert sind. Wir berufen uns auf bundesweite Untersuchungen. Mir reicht es, wenn Fachleute bestätigen, dass deren Ergebnisse auch für den Landkreis zutreffen.

Welche Trends zeichnen sich da ab?

Höppner: Zum Beispiel, dass der schulische Leistungsdruck enorm zugenommen hat. G 8 und Ganztagsschule sind Zeitfresser. Das Konfliktpotenzial in den Familien ist gestiegen, speziell Trennungen werden immer konfliktträchtiger, darunter leiden die Kinder. 15 Prozent von ihnen leben in einer Ein-Eltern-Familie, da ist Zeit und Geld oft knapp. All das wirkt sich auch im Landkreis auf die Fallzahlen der Jugendhilfe aus. Die Kosten steigen dieses Jahr laut unseres Etatplans voraussichtlich von 5,45 auf 6,24 Millionen Euro.

Wo steht der Landkreis in punkto Jugendhilfe im Augenblick?

Höppner: Auf bayernweiten Tagungen finde ich immer wieder bestätigt, dass wir schon sehr gut aufgestellt und vernetzt sind. In 13 von 14 Gemeinden gibt es Jugendhäuser oder Treffs, da schaut es andernorts in Bayern ganz anders aus. Es läuft sehr viel präventiv, die Arbeit der Jugendkontaktbeamten der Polizei zahlt sich in einer unterdurchschnittlichen Quote straffälliger Jugendlicher aus. Auch der Präventionsverein 1-2-3 oder Initiativen wie die Schülercoaches bewähren sich. In vielen Bereichen war das Resümee der Fachgruppen deshalb auch, zu versuchen, das gute Niveau zu halten. Eine Verbesserung ist freilich immer drin. Doch wir können nicht alles leisten. Das Elternhaus muss seinen Teil dazutun.

Worauf Sie von außen ohnehin wenig Einfluss nehmen können, und das dürfte das grundsätzliche Problem der Jugendhilfe sein, oder?

Höppner: Sicher. Aber wir können uns um eine gute Infrastruktur für Familien kümmern. Das Angebot nutzen und umsetzen müssen die Familien natürlich selbst. Auch diesbezüglich hat sich eine Aufgabe als sehr wichtig herauskristallisiert: Viele Eltern haben kein Problem, Hilfsangebote zu finden. Wir müssen aber diejenigen besser erreichen, die wir bisher nicht erreichen.
 

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