Auf Augenhöhe mit dem autonomen Auto

18.2.2019, 09:15 Uhr
Auf Augenhöhe mit dem autonomen Auto

© Jaguar Land Rover

Fußgänger sind das schwächste Glied im Straßenverkehr. Dabei können sie sich im Augenblick noch mit den Autofahrern verständigen: Per fragendem Blickkontakt lässt sich beispielsweise klären, ob der Wagen tatsächlich vor dem Zebrastreifen anhält, was gegebenenfalls von einem Nicken oder hochgereckten Daumen aus dem Cockpit bestätigt wird.

Wie aber sieht das in der Zukunft aus? Die ist, wie wir gelernt haben, autonom. Heißt: Es wird kein Mensch aus Fleisch und Blut mehr hinterm Steuer sitzen, mit dem Fußgänger oder auch Radfahrer kommunizieren können. Und Unfälle wie jener, bei dem ein Robo-Auto des Fahrdienstleisters Uber im vergangenen März eine 49-jährige Fußgängerin getötet hat, sind nicht dazu angetan, das Vertrauen in die selbstfahrenden Mobile zu stärken. Bei einer Studie des amerikanischen Versicherungskonzerns AIG haben denn auch 41 Prozent der befragten Radfahrer und Fußgänger angegeben, die Straße nur sehr ungern mit fahrerlosen Autos teilen zu wollen.

Kommunikation zwischen Mensch und Maschine

"Grundsätzlich müssen die Menschen auf autonome Fahrzeuge vertrauen", sagt Ford-Manager Thorsten Warwel. In umfangreichen Tests suchen die Automobilhersteller nun nach Möglichkeiten, die Kommunikation zwischen Roboter-Autos und Fußgängern beziehungsweise Radfahrern zu ermöglichen.

Auf Augenhöhe mit dem autonomen Auto

© Jaguar Land Rover

Jaguar Land Rover (JLR) beispielsweise hat vertrauenerweckend große Kulleraugen für die Fahrzeugfront entwickelt, die in Wirklichkeit Displays sind und dem Menschen am Straßenrand freundlich signalisieren, dass ihn das autonome Gefährt wahrgenommen hat.

Installiert wurden die virtuellen Augen an einem selbstfahrenden "Pod" des Unternehmens Aurrigo, der auch für weitere Testreihen dient. Ein anderes JLR-System projiziert digitale Balken auf die Fahrbahn, anhand derer Passanten erkennen, ob das Fahrzeug demnächst anhalten, losfahren oder nach rechts bzw. links abbiegen will. Das funktioniert dann so, dass die Abstände zwischen den Balken beim Bremsen immer enger werden. Kommt das Auto zum Stehen, ziehen sie sich fast komplett zusammen. Und vor dem Abbiegen breiten sie sich fächerartig in die angestrebte Fahrtrichtung aus.

Digitaler Zebrastreifen

Solche auf die Straße "geworfenen" Signale – bei Mercedes ein Zebrastreifen, beim Audi e-tron Sportback Concept blinkende Pfeile - haben auch den Vorteil, dass sie von Passanten wahrgenommen werden, die den Kopf (übers Smartphone) gebeugt halten. "Mit den Testreihen wollen wir herausfinden, wie umfassend autonome Fahrzeuge Informationen mit Fußgängern teilen müssen, damit diese ihr Vertrauen gewinnen", sagt Pete Bennett, Manager Future Mobility Research bei Jaguar Land Rover.

Auch bei Ford wird experimentiert, zuletzt wurden Testreihen in Kooperation mit der Technischen Universität Chemnitz durchgeführt. Das Projekt "InMotion" wird mit einer Million Euro vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Ein tatsächlich autonomes Fahrzeug wurde für die Testfahrten allerdings nicht verwendet. Stattdessen verbarg sich der Fahrer des Ford Transit hinter einer Sitzattrappe, um den Wagen als Selbstfahrer erscheinen zu lassen. Eine Lichtleiste am Dach blinkte dann weiß, violett oder türkisfarben, um die fahrtechnischen Absichten des Autos anzuzeigen, Beobachter notierten währenddessen die Reaktionen der Fußgänger und Radler. "Blickkontakt ist wichtig, aber unsere Studie hat gezeigt, dass die Verkehrsteilnehmer in erster Linie darauf schauen, was ein Fahrzeug tut", hält Dr. Matthias Beggiato vom Fachbereich Psychologie an der Uni Chemnitz fest.

Auf Augenhöhe mit dem autonomen Auto

© Ford

Türkis bevorzugt

Weiteres Ergebnis der Tests: Als bevorzugte Signalfarbe der Passanten stellte sich Türkis heraus, eine Farbe, die bislang im Automobilbau nicht verwendet wird. Zu dieser farblichen Erkenntnis ist auch Mercedes bei seinem "kooperativen Fahrzeug" gelangt. Dabei handelt es sich um ein autonomes Modell auf Basis der S-Klasse, das über eine 360-Grad-Lichtsignalisation den autonomen Fahrmodus kenntlich macht und darüber informiert, was das Robo-Auto als nächstes vorhat.

Auch ein bisschen Körpersprache wird praktiziert: Bevor die autonome S-Klasse losfährt, klappen die Außenspiegel aus, dann hebt sich das Heck und schließlich die Front. Das unterhaltsame Spektakel soll an ein Lebewesen gemahnen, das aufwacht und aufsteht.

Als Kommunikator mit Signalwirkung kann aber auch ein digitaler Kühlergrill dienen, dessen Display Botschaften wie "Fahrzeug fährt los" oder "Bitte die Straße überqueren" vermittelt.

Das Auto als Ganzkörper-Display

Als besonders fortschrittliche Technologie setzen Hersteller wie Audi oder Mercedes für die Zukunft auf das digitale "Shadowing". Hier wird die gesamte Außenhaut des Fahrzeugs zum Bildschirm, der sich mit Informationen an die Umwelt wendet.

Dass dies dazu beiträgt, Unfälle zu vermeiden, ist auch aus reparaturtechnischen Gründen zu hoffen: Was früher ein bloßer Blechschaden war, würde sich in Zukunft zu einer äußerst teuren Display-Reparatur auswachsen.

Ulla Ellmer

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