Diesel: Fragen und Antworten

19.8.2017, 17:41 Uhr
Diesel: Fragen und Antworten

© Audi/ampnet

Wo liegt das Problem?

Im Stickoxid-Ausstoß der Dieselfahrzeuge. Immer wieder wird an innerstädtischen Messstationen der zulässige NOx-Grenzwert überschritten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat gegen das Land Baden-Württemberg geklagt, um eine Nachbesserung des Luftreinhalteplans für Stuttgart zu erreichen, verbunden mit einem ab 1. Januar 2018 wirksamen Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat sich dieser Forderung angeschlossen.

Was sagen Kritiker?

Zunächst ist die Deutsche Umwelthilfe nicht unumstritten. Sie ist keine klassische Umweltorganisation wie etwa der Bund für Umwelt- und Naturschutz. Der kleine Verein (nur rund 270 Mitglieder) finanziert sich über Zuschüsse (unter anderem von der Telekom und Toyota), aber auch über Abmahngebühren.

Für nicht nachvollziehbar halten es viele, dass der Grenzwert für Stickoxide auf der Straße (40 Mikrogramm/Kubikmeter) signifikant niedriger liegt als in geschlossenen Räumen am Arbeitsplatz (950 Mikrogramm). Im Tierversuch sind Reizungen der Atemwege erst ab einer Konzentration von 8000 Mikrogramm/Kubikmeter aufgetreten.

Gegenstand von Kritik ist auch der nicht immer repräsentative Standort der Messstationen. Oft stehen sie an extrem befahrenen Straßen, an denen nur verhältnismäßig wenige Fußgänger oder Radler unterwegs sind.

Eigentlich ist die Stickoxid-Belastung schon seit Jahren rückläufig. Laut Umweltbundesamt ist sie von 1990 bis 2014 von drei auf rund 1,3 Millionen Tonnen zurückgegangen. Das entspricht einem Minus von knapp 60 Prozent. Den höchsten Anteil am NOx-Rückgang (eine Million Tonnen) trägt ausgerechnet der Verkehr.

Dürfen Alt-Diesel bald überhaupt nicht mehr fahren?

Ein akuter Anlass zu – im wahrsten Sinne des Wortes – Torschlusspanik besteht nicht. Erste Fahrverbote (siehe oben) könnten ab 2018 in Stuttgart ausgesprochen werden, aber auch da vermutlich nur an bestimmten Tagen und begrenzt auf bestimmte Zonen. Hamburg, München, Leipzig und Düsseldorf ziehen womöglich nach. Außerhalb der innerstädtischen Verbotsbereiche wird man mit dem Diesel aber nach wie vor fahren dürfen.

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Wie sollen Fahrverbote kontrolliert werden?

Eine schwierige Frage. Kontrollen der Fahrzeugpapiere würden lange Staus auf den Einfallstraßen verursachen. Am sinnvollsten wäre die Einführung einer blauen Plakette, was aktuell aber nicht vorgesehen ist.

Welche Diesel würden ausgesperrt?

Alle, die nur Euro 5 und weniger erfüllen. Aber auch Euro-6-Diesel mit unbefriedigenden Emissionswerten könnten betroffen sein.

Helfen technische Maßnahmen?

Als Ergebnis des Diesel-Gipfels Anfang August sollen rund 5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel ein kostenloses Software-Update bekommen. Damit lässt sich der Stickoxid-Ausstoß zwar teils deutlich reduzieren, im Falle eines von der DUH getesteten Golfs ist er etwa um 37 Prozent zurückgegangen. Ob das aber reicht, um ein Fahrverbot zu umgehen, ist fraglich. Effektiver wäre eine Hardware-Nachrüstung. Der Hersteller Twintec hat ein System aus Nachrüst-SCR-Kat und AdBlue entwickelt, die Umbaukosten sollen rund 1500 Euro betragen. Allerdings eignet sich das System (zum Beispiel aus Platzgründen) nicht für jedes Auto. Und es ist noch nicht serienreif.

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Muss das Software-Update durchgeführt werden?

Nein. Im Gegensatz zum vom KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) angeordneten Rückruf der "Schummel-Diesel" handelt es sich hier um eine freiwillige Servicemaßnahme. Die Betriebserlaubnis ist bei Nicht-Teilnahme nicht in Gefahr.

Was ist mit Euro-1- bis Euro-4-Dieseln?

Für sie kommen die genannten technischen Maßnahmen nicht mehr infrage. So gut wie alle Hersteller bieten für solche Alt-Diesel inzwischen Abwrackprämien an, die beim Neuwagenkauf angerechnet werden.

Soll man noch einen Diesel kaufen?

Experten raten zum Abwarten, bis ab September die nach „Euro 6d Temp“ sauberen Diesel kommen, die wohl sicher vor Fahrverboten bewahrt bleiben. Diese neue Schadstoffnorm umfasst auch ein Stickoxid-Prüfverfahren auf der Straße (Real Driving Emissions). Schon jetzt unterschreiten manche Motoren von Mercedes, BMW und VW den künftig geforderten NOx-Grenzwert von 80 mg/km deutlich. Im DUH-Test haben beispielsweie der Audi Q3 2.0 TDI Quattro mit 48 mg/km sowie die Mercedes-Modelle C 200 d und C 220 d mit 43 bzw. 44 mg/km sehr gute Ergebnisse erzielt – und das im Straßenbetrieb.

Ist man mit einem Benziner sicher?

Nicht unbedingt. Experten rechnen damit, dass sich Umweltverbände demnächst den Direkteinspritzer-Benziner vorknöpfen. Er steht zwar nicht wegen NOx in der Kritik, wohl aber wegen der emittierten Rußpartikel. Wenn im September parallel zu Euro 6d Temp die Schadstoffnorm Euro 6c in Kraft tritt (Unterschied: Sie sieht kein RDE-Stickoxid-Prüfverfahren auf der Straße vor), dann dürfen neu typgeprüfte Modelle mit Ottomotor nur noch ein Zehntel der derzeit erlaubten Rußmenge ausstoßen. Ohne Partikelfilter wird es für die Direkteinspritzer dann nicht mehr abgehen.

Ulla Ellmer

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