"Ein Auto für die nächsten 35 Jahre"

22.1.2018, 15:07 Uhr

© Mercedes

Herr Dr. Güthenke, heute verantworten Sie die Mercedes G-Klasse. Wie hat denn Ihre erste Begegnung mit dem G ausgesehen?

Ich glaube, das war 1992. Damals war ich Student und habe ein Praktikum in der Niederlassung Aachen gemacht, im Service. Und nach zwei, drei Wochen kam der Meister und sagte: "So, jetzt zeig ich dir mal, was ein anständiges Auto ist!" Bislang kannte ich den G noch nicht. Der Meister aber hat mich mit auf die Autobahn genommen, wo er mir erneut erklärt hat, dass das jetzt ein richtiges Auto ist. Was mich daran fasziniert hat, war natürlich das Auto, aber noch viel mehr, wie überzeugt dieser Meister von dem Geländewagen war und mit welchem Herzblut er dahinterstand.

Der G ist für Mercedes ein sehr wichtiges Auto. Wie schwer wiegt da die Verantwortung?

Wenn man ein Auto hat, das jetzt seit 39 Jahren da ist und eine solche Geschichte als Ikone hat - da war es dem gesamten Team in der Entwicklung klar, wie vorsichtig und sorgfältig wir vorgehen müssen. Keiner von uns wollte derjenige sein, der am Ende dafür sorgt, dass es das dann mal war.

Was macht den G aus Ihrer Sicht zur Ikone?

Als erstes die Gestalt. Die Gestalt von unserem Auto ist einzigartig, in dieser sehr klaren, strengen Form wird es sofort wiedererkannt. Das zweite Einzigartige sind aus meiner Sicht die Geschichten, die die Menschen mit dem G erlebt haben. Als ich die Aufgabe vor vier Jahren übernommen und mit den Kollegen gesprochen habe, da habe ich keine Person getroffen, die nicht irgendwo schon einmal ein Erlebnis mit unserem Auto hatte, und diese Erlebnisse waren alle sehr positiv. Ob bei der Bundeswehr, bei den Eltern, im Urlaub, jeder hatte seine eigene Geschichte, die er mit dem G verbindet, und auch das macht aus meiner Sicht den Charakter des Autos aus.

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Ist es von Anfang an außer Frage gestanden, die kantige Grundform zu erhalten?

Da gab es schon Diskussionen im Team. Aber die waren schnell ausgeräumt. Der Mythos G sollte erhalten bleiben.

Gibt es denn Erfahrungswerte, wie viele Kunden mit dem G tatsächlich ins Gelände fahren?

Das ist objektiv schwierig zu ermitteln. Was wir aber an Feedback bekommen ist, dass es den Kunden immens wichtig ist zu wissen, was der G kann. Bei einer kleinen Gruppe amerikanischer Kunden haben wir nach vorheriger Rücksprache eine elektronische Steuereinheit eingebaut, um zu gucken, wie sie eigentlich fahren. Das Ergebnis war erstaunlich: Die Kunden haben das Auto tatsächlich häufig im Gelände bewegt. Während der vier Monate unserer Begleitung war fast jedes Auto in irgendeiner Form mit Sperren unterwegs. Wir haben Kunden, die nicht nur einen G besitzen, sondern mehrere - einen, den sie ganz normal in Deutschland bewegen und weitere für die Jagd oder das Feriendomizil in weiter entfernten Ländern, wo die Autos dann wirklich im Gelände eingesetzt werden.

Es muss doch den Entwickler freuen, wenn die leistungsfähige Geländetechnik nicht nur ins Leere läuft, sondern tatsächlich genutzt wird?

Da können Sie sicher sein. Und wenn dann der Kunde bestimmte Dinge erkennt und wahrnimmt, in die während der Entwicklung viel Zeit und eine Menge Schweiß reingeflossen sind, dann ist es genau das, was die Menschen im Team am meisten begeistert.

Welches sind denn die technischen Features, die Sie am neuen G besonders hervorheben würden?

Bisher gab es vorne und hinten eine Starrachse, das haben wir jetzt umgestellt, so dass wir vorne Einzelradaufhängung haben. Das bringt einige Vorteile, bessere Kontrolle auf der Straße, aber auch im Gelände und mehr Stabilität, gerade auf losem Untergrund. Dann ist da der G-Mode - letztlich ein Begriff dafür, dass das Auto erkennt, dass wir im Gelände sind und Parameter wie Lenkung und Gaspedalkennlinie angepasst werden. Wir haben das Chassis und den gesamten Rohbau angegriffen, die gesamte Seitenwand besteht aus einem Teil, dadurch sind Spaltmaße und Fugen deutlich besser. Zudem bestehen die Anbauteile, also Kotflügel, Motorhaube und Türen aus Aluminium. Gerade hat ein Besucher beim G die Türen zugezogen und hatte dann ein Lächeln im Gesicht - der satte Klang war weiterhin der, den er erwartet hatte. Wir haben einen großen Aufwand betrieben, um dieses Geräusch so zu erhalten, wie wir es haben wollten. Ansonsten ist das Auto komplett überarbeitet, insofern ist es schwierig, ein Detail herauszugreifen.

Kann der neue G im Gelände mehr als der alte?

Ja. Sie haben mehr Kontrolle, Sie fahren ruhiger und souveräner. G-Mode bedeutet ja: eigene Lenkungsparameter, eigene Gaspedalkennlinie, eigene Schaltpunkte, eigene Dämpferabstimmung. Sie spüren relativ genau, welchen Untergrund Sie unter sich haben. Sie können sehr, sehr langsam fahren, auch bei 100 Prozent Steigung. Sie können das Auto zentimetergenau positionieren, anhalten und dann trotz extremster Steigung wieder losfahren.

Warum bleibt das große Widescreen-Cockpit optional?

Weil es einerseits Puristen unter unseren Käufern gibt, die das analoge Tubeninstrument wollen. Andererseits haben wir genauso Fans des Modernen, die sagen, wir wollen einen durchgehenden großen Screen.

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Lässt sich der G-Klasse-Käufer überhaupt spezifizieren? Zumindest zahlungskräftig muss er sein?

Wir haben beim G tatsächlich mit die zahlungskräftigste Kundschaft aller Mercedes-Modelle. Letztlich lassen sich die Käufer in drei Gruppen unterteilen: Zunächst die begeisterten Offroader. Dann gibt es eine Gruppe, die wir ein bisschen als Ästheten bezeichnen, sie mögen die geraden Linien des Autos und die Geschichte, die damit verbunden ist. Und dann gibt es auch Menschen, die sich selbst mit dem G ausdrücken wollen. Die kaufen dann auch gern die stärkste Motorisierung und was immer möglich ist.

Der G startet als G 500. Was kommt noch?

Die meistverkaufte Version weltweit ist bislang der G 63 AMG gewesen. Den werden wir sicherlich sehr zeitnah neu vorstellen. Es wird auch noch einen Diesel geben, der für Deutschland wichtig ist. Wir hatten uns von Anfang an dafür entschieden, das Auto immer mit den allerneuesten Motoren zu bringen - und da war klar: Wenn wir uns für den neuesten Diesel entscheiden, werden wir das nicht zu diesem Zeitpunkt schaffen, sondern müssen uns noch etwas Zeit geben.

Auch eine Elektrifizierung ist ja angedacht. Was darf man sich darunter vorstellen?

Als kleine Einheit mit 22.000 Einheiten, die wir pro Jahr bauen, werden wir uns einfach nicht verschiedene Alternativen leisten können. Insofern muss ein Schuss sitzen. Welcher, das werden wir zur richtigen Zeit kommunizieren.

Der G lebt bekanntermaßen lang. 80 Prozent der ersten Generation sollen noch auf der Straße sein?

Ja, das sagen uns ungefähr die Service-Systeme.

Wird es auch in den nächsten 39 Jahren noch einen G geben?

Das ist unser klarer Anspruch, und der wird jedes Jahr mehr. Schon als ich in Graz anfing und wir mit der Entwicklung begonnen haben, da haben wir gesagt: Wir bauen das Auto für die nächsten 35 Jahre.

Das Gespräch führte Ulla Ellmer

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