Noch immer keine Einigung: Wie geht's weiter mit dem Diesel?

30.9.2018, 08:30 Uhr
Noch immer keine Einigung: Wie geht's weiter mit dem Diesel?

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Das Schreckgespenst der Autofahrer sind innerstädtische Fahrverbote. Um dem motorisierten Volk diese zu ersparen, brüten Politiker und Autobosse über einem Maßnahmenkatalog, der bis zuletzt auch Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel vorgesehen hat. Auf diese Weise soll eine Reduktion der Stickoxid-Emissionen (NOx) zumindest auf Euro-6-Niveau (also 80 mg/km) erreicht werden.

Dass die Nachrüstung tatsächlich zu dem Paket gehört, mit dem betroffenen Diesel-Fahrern unter die Arme gegriffen wird, ist wahrscheinlich, aber noch immer nicht endgültig entschieden. Lieber wollen die Hersteller mit großzügigen Umtauschangeboten an die Besitzer von Alt-Dieseln herantreten. Rückkaufprogramme als dritter angedachter Programmpunkt werden kategorisch abgelehnt. Der Unwillen gegenüber der Hardware-Lösung wird damit begründet, dass man sich keinen Gewährleistungsansprüchen für eventuelle Schäden am Antriebsstrang der nachgerüsteten Fahrzeuge aussetzen wolle. Auch die Hersteller der Katalysatoren argumentieren ähnlich.

Wenig euphorisiert vom Nachrüstplan

Die Industrievertreter hatten sich von Anfang an wenig euphorisiert von dem Nachrüstplan gezeigt. Verwundern kann dies nicht. Schließlich sollen die Autobauer zu 80 Prozent für die Umbaukosten aufkommen, Verkehrsminister Scheuer hat sich sogar eine komplette Kostenübernahme vorgestellt.

Das würde teuer. Fachleute rechnen damit, dass die Nachrüstung je nach Fahrzeugmodell und ergriffener Maßnahme zwischen 1.500 und 10.000 Euro kostet. "Aus meiner Sicht sind etwa 3.000 Euro als realistisch einzuschätzen", sagt Richard Goebelt, Bereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband (VdTÜV). Auch für den Autobesitzer selbst würde dies eine nicht unerhebliche Investition bedeuten. Selbst wenn er nur 20 Prozent der Summe berappen müsste, bliebe er auf 600 Euro sitzen. Wer dazu nicht wirklich gezwungen ist - etwa weil er unmittelbar von einem Fahrverbot betroffen ist - wird diese Ausgabe wohl tunlichst vermeiden. Aus umwelttechnischer Sicht also keine guten Aussichten.

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Oft hakt es am Bauraum

Welche Möglichkeiten zur Nachrüstung stehen aber überhaupt zur Wahl? Eine einheitliche Lösung, die auf alle Alt-Diesel anwendbar ist, gibt es nicht. Infrage kommen als günstigste Maßnahme Ammoniak-Generatoren (wie von Twintec angeboten), daneben NOx-Speicherkats oder, als Königsweg, SCR-Katalysatoren in Kombination mit einem AdBlue-Tank. Allein diesen AdBlue-Tank unterzubringen, ist aber eine Herausforderung, die nicht bei allen Automobilen gelingt - häufig steht schlicht zu wenig Bauraum zur Verfügung. Nach Expertenmeinung ist die Hardware-Nachrüstung nur für rund ein Drittel der dieselnden Euro-5-Pkw möglich. Euro-4-Selbstzünder haben noch schlechtere Karten, bei noch schlechter eingestuften Fahrzeugen geht praktisch gar nichts mehr.

Viel Zeit vergeht

Und noch eine weitere Problematik stellt sich: Die Vorarbeiten für die Nachrüstung könnten nach Schätzung des Verkehrsministeriums zwei Jahre in Anspruch nehmen, weitere zwei Jahre würde es womöglich dauern, bis alle Euro-5- und (falls erforderlich) Euro-6-Diesel umgebaut würden. Wenn innerhalb dieser langen Zeitspanne Fahrverbote kommen, müssen die noch nicht umgerüsteten Diesel draußen vor den Stadttoren bleiben.

Auch woran saubere und somit zufahrtsberechtigte Selbstzünder erkannt werden sollen, ist noch völlig unklar. Gegen die Einführung einer blauen Plakette beispielsweise hat sich das Verkehrsministerium bislang gesträubt.

Ohnedies ist vor dem Hintergrund des längst nicht mehr zu leugnenden Klimawandels zu hinterfragen, ob die Welt nicht eher ein CO2- statt eines NOx-Problems hat. Die Reduktion beim NOx ist aber nicht ohne einen Anstieg der CO2-Emissionen zu haben. Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ist im August der CO2-Ausstoß der Neuwagen im Vorjahresvergleich erneut angestiegen, um 2,8 Prozent auf durchschnittlich 131,8 g/km. Grund: Als Folge der Diesel-Diskussion werden mehr Benziner als Selbstzünder gekauft. Allerdings verbrauchen die Benziner mehr Kraftstoff, und somit emittieren sie auch eine höhere Dosis des Treibhausgases. Auch die einerseits NOx-mindernde Abgasnachbehandlung lässt andererseits den CO2-Ausstoß steigen.

Gutes Zeugnis für Euro-6d-Temp-Diesel

Mit den eingangs erwähnten Umtauschprämien sollen Besitzer von Dieseln der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5 bedacht werden, die auf ein Fahrzeug mit der modernsten Abgasnorm Euro 6d-Temp umsteigen. Der ADAC stellt diesen Modellen ein sehr gutes Zeugnis aus. Im Durchschnitt, so hat es der Club im Rahmen seines Ecotests ermittelt, stoßen Euro-6d-Temp-Diesel 76 Prozent weniger NOx aus als Euro 6b-Diesel und 85 Prozent weniger als Euro-5-Diesel. Stichproben bei Straßenmessungen hätten gezeigt, dass die Schadstoffreduzierung bei guten Euro-6d-Temp-Selbstzündern sogar bei 95 bis 99 Prozent liegt. Als sauberster bislang gemessener Diesel profilierte sich der BMW X1 sDrive 18d, der nur noch kaum messbare 8 mg/km emittierte.

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Bislang haben allerdings nur DS (die Edelmarke von PSA Peugeot-Citroen-Opel), Hyundai, Jaguar, Kia, Land Rover, Opel und Volvo ihre Modellpalette komplett auf Euro 6d-Temp umgestellt. Vor allem beim Volkswagen-Konzern hakt es derzeit noch. Eine aktuelle Positivliste der Euro-6d-Temp-Modelle hält der ADAC bereit.

Nürnberg ist keine Intensivstadt

Welche Lösung auch kommt und am Montag kommuniziert wird, wahrscheinlich betrifft sie nur Halter von Fahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, eventuell auch Euro 6, die in den  sogenannten "Intensivstädten" München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel und Frankfurt oder deren Umfeld wohnen - jenen Städten also, in denen die Luft am schlechtesten ist. Das dürfte für weiteren Zündstoff sorgen, denn wer beispielsweise in Nürnberg, Fürth oder Lauf ansässig ist, erfährt keine Unterstützung, darf mit seinem Alt-Diesel aber trotzdem nicht in die Stuttgarter oder Münchner Umweltzone fahren.

Gern vergessen wird indes, dass das Thema innerstädtischer Fahrverbote so neu gar nicht ist. Schon seit 2008 tangiert es eine Reihe von Autofahrern. Damals wurden die ersten Umweltzonen eingerichtet - und etlichen Pkws die zum Einfahren erforderliche grüne Umweltplakette verweigert. Bereits da fielen vor allem alte Diesel durchs Raster - sie konnten nicht mehr mit einem Partikelfilter nachgerüstet werden.

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